Franz Jägerstätter, Ernst Volkmann oder Karoline Redler? Klar, die Namen kennt man. Maria Stromberger hingegen ist für viele eine Unbekannte - mit dem neuen Buch von Harald Walser erfährt der „Engel von Auschwitz“ nun eine späte Würdigung.
„Wissen Sie, ich bin mitten unter Nazis, SS, Gestapo!! Ich als ihr größter Feind!“, schreibt Maria Stromberger am 18. Juli 1946 an ihren Freund Edward Pys in Polen. Gemeinsam mit ehemaligen heimischen „Größen“ des NS-Staates wird die Krankenschwester in einem Anhaltelager für Nationalsozialisten in Brederis interniert. Stromberger wird vorgeworfen, Häftlinge in Auschwitz mit Phenolspritzen getötet zu haben. Die Realität war eine andere.
Haben Sie den Verstand verloren?
Maria Stromberger habe ihn „fast ein Historikerleben lang begleitet“, erzählt der Politiker und Historiker Harald Walser, denn sie sei „trotz ihrer Einzigartigkeit in der Geschichte des österreichischen Widerstands gegen das NS-Regime in unserem Land fast unbekannt geblieben“. 1898 in Kärnten geboren, beginnt die gelernte Kindergärtnerin 1937 im Sanatorium Mehrerau in Bregenz eine Ausbildung zur Krankenschwester und arbeitet in weiterer Folge in verschiedenen Krankenhäusern. Als zwei ehemalige Häftlinge im Fieberwahn über Auschwitz berichten, lässt sie sich ins Konzentrationslager versetzen. „Schwester haben Sie völlig den Verstand verloren, dass Sie in diese Hölle gehen wollen?“, zeigt sich ihr Vorgesetzter entsetzt, doch Stromberger ist entschlossen: „Ich will sehen, wie es wirklich ist, vielleicht kann ich auch etwas Gutes tun“, schreibt sie ihrer Schwester und wird Oberschwester im Krankenrevier der SS.
Ein Engel in der Hölle
Wenige Tage nach ihrer Ankunft fällt sie in Ohnmacht, als sie vom Küchenfenster aus den Selbstmord eines Häftlings beobachtet. Stromberger freundet sich mit den Häftlingen an und wird von Widerständlern für Botendienste angeworben. Sie schmuggelt Nachrichten, Fotos und Informationen aus dem Lager, bringt zwei Revolver, Munition und sogar Sprengstoff ins Lager. „Sie war ein Engel in der Hölle von Auschwitz. Sie hat uns bewiesen, dass nicht alle Leute, die Deutsch reden, Mörder sind. Sie hat unser Vertrauen und unsere Liebe erworben“, so der ehemalige Häftling Edward Pys (1921-2011). „Andere stellten sich blind und taub, wenn sie etwas erfuhren. Maria Stromberger suchte die Wahrheit“, bestätigt auch der ehemalige Häftling Hermann Langbein (1912 – 1995). Zwar wird Stromberger öfters denunziert, das wahre Ausmaß ihrer Kollaboration bleibt aber unentdeckt.
Rettet Schwester Maria!
Das Kriegsende erlebt Stromberger bei ihrer Schwester in Bregenz. Im April 1946 ergeht in mehreren österreichischen Zeitungen ein Fahndungsaufruf nach Maria Stromberger, der in kürzester Zeit zur Verhaftung und Internierung führt. Während sich in Österreich niemand für die Krankenschwester interessiert, titelt eine Krakauer Zeitung „Rettet Schwester Maria!“ Stromberger kommt schließlich frei, nachdem der ehemalige Häftling und spätere polnische Ministerpräsident Józef Cyrankiewicz bei den Franzosen für sie interveniert.
Späte Würdigung
Zahlreiche Fotos, Dokumente, Briefe und Manuskripte führen in Harald Walsers Buch durch Strombergers Leben - von der Wiege bis zur „Bahre“. 1957 stirbt sie in Bregenz an einem Herzinfarkt und wird posthum mit einem nach ihr benannten Weg in Bregenz sowie einer Gedenktafel gewürdigt. Und einem Buch.
Buchpräsentation: Ein Engel in der Hölle von Auschwitz
Montag, 15. November, 19.30 Uhr, Arbeiterkammer, Feldkirch
Anmeldung: vbg.arbeiterkammer.at