Feldkirch feiert, erinnert und gedenkt. 800 Jahre Stadt, das ist schon nicht schlecht. Dass dabei eine Publikation zur Stadtgeschichte nicht fehlen darf, ist klar. Und in diesem Konvolut an Geschichte und Geschichten hat natürlich auch die Kirche ihren Platz - und das Gedenken (auch an Jubiläen ganz anderer Art).
Wie schreibt man 800 Jahre Stadtgeschichte nieder? Diese Frage stellte man sich in Feldkirch vor rund drei Jahren. Damals begannen die Planungen für das große Stadtjubiläum, das heuer begangen wird.
Was sollte die neue Stadtgeschichte also sein: ein dicker Wälzer oder aber acht davon, dafür fein portioniert und thematisch geordnet. Man entschied sich für Letzteres, weshalb vor Kurzem im Feldkircher Montforthaus nun die achtbändige Feldkircher Stadtgeschichte, die im Bucher Verlag erschienen ist, aus der Taufe gehoben wurde. Und da spielt die Kirchengeschichte - neben Chronik, Musik, Kunst, Gericht, Wirtschaft, Literatur und vielem mehr - natürlich auch eine Rolle.
Geschichte und Geschichtchen
„Wie sehr die Kirche die Stadt Feldkirch geprägt hat, zeichnet sich bis heute allein im Stadtbild ab: Dom, Frauenkirche, Johanniterkirche, Stella Matutina und Kapuzinerkloster sind Zeugen dafür, wie eng die Geschichte der Stadt mit jener der Kirche und Kirchen verbunden ist“, erklärt Mag. Michael Fliri, Diözesanarchivar, der für den Band zur Kirchengeschichte Feldkirchs verantwortlich zeichnet. Feldkirch war allein schon durch seine Lage als Knotenpunkt für den Handel interessant. Mit dem Handel kamen die Menschen und die Kirchen. Da waren zum Beispiel die Orden - „die Kapuziner, die von den Montfortern nach Feldkirch geholt wurden. Da waren die Johanniter und natürlich die Jesuiten, die mit der Stella Matutina, dem heutigen Landeskonservatorium, Feldkirch den Ruf des renommierten Studierstädtchens einbrachten. Die starke Präsenz der Kirche machte Feldkirch so u. a. auch zum Bollwerk der Gegenreformation“, betont Fliri. Und natürlich gibt es neben den Geschichten auch viele „Geschichtchen“ aus Feldkirch zu erzählen. Zum Beispiel jene von der Leonhardskirche, die einst dort stand, wo sich heute das Montforthaus am Leonhardsplatz befindet, oder die von Pfarrer Peter Petronius, der sich, schwer bewaffnet im damaligen Pfarrhaus verschanzte.
Immer weiter, immer weiter
Wo Stadt stattfand, war auch die Kirche Begleiterin des Lebens. So zeichnet die neue Kirchengeschichte Feldkirchs den Weg von den Anfängen des kleinen Städtchens bis in die Gegenwart nach. Informativ und reich bebildert, flaniert man damit schmökernd durch die Jahrhunderte. Und das Schöne daran: die Geschichte wird natürlich weitergeschrieben.
Wer hat den Schlüssel zur Geschichte?
"Wir bauen heute das Gedächtnis von morgen", stellte Prof. Heidemarie Uhl von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in den Raum, die in ihrem Festvortrag auf den Charakter des Erinnern und des Gedächtnsses Bezug nahm. So ist Erinnerung und vor allem was oder an wen erinnert wird, immer auch ein Zeichen der Macht. "Viele Gruppen oder auch ganze Epochen und Erscheinungen haben und nichts hinterlassen. Frauen zum Beispiel, kleinere Gruppen oder Dinge des Alltags. Das zeigt auch, was als wichtig definiert wurde", führt Uhl aus und gibt ihrer Hörer/innenschaft gleich auch noch Maurice Halbwachs mit auf den Weg. Dort heißt es nämlich, dass von der Vergangenheit nur das bleibt, was in unserer jeweiligen Gegenwart noch über einen Bezugsrahmen verfügt - sprich: was noch "gelesen" oder "entschlüsselt" werden kann. Das heißt in weiterer Folge natürlich, dass das, was nicht mehr gelesen werden kann, weil ihm der Bezugsrahmen in einer Gegenwart fehlt, auch für eine ganze oder mehrere Generationen verloren gehen kann.
"Wir" und "Die"
Überhaupt, so Uhl weiter, ist ein Gedenken wie man es heute kennt, erst durch einen gravierenden Wechsel der Perspektive möglich, wie er in den 1980er stattfand. Damals, es war 1988, schrieb Jan Assmann die enge Verbindung von kollektivem Gedächtnis und kultureller Identität fest. Das wird plötzlich zu einem dynamischen Konzept, in das manches Eingang findet und anderes nicht. Damit aber werden auch Grenzen gezogen - zwischen dem Eigenen und dem Fremden, dem "Wir" und dem "Die".
Und die Moral von der Geschicht - "Die" Geschichte gibt es nicht. Wichtig sind immer die Fragen, die wir an die Vergangenheit stellen. Das Buchprojekt zu 800 Jahren Feldkirch ist voll von diesen Fragen. Und es ist es absolut wert, der Vergangenheit zuzusehen, wie sie immer neue Formen annimmt - je nach Blickwinkel, Perspektive und Fragestellung.
Wo krieg ich die Feldkircher Stadtgeschichte?
Die Stadtgeschichte Feldkirchs in acht Bänden - erschienen im Bucher Verlag - ist (als Schuber oder auch als Einzelband) im Buchhandel und ab 24. März im Museumsshop im Palais Liechtenstein in Feldkirch erhältlich.
www.feldkirch800.at