Erst traf es das jüdische Pessachfest und das christliche Ostern - nun müssen rund 1,8 Milliarden Muslime den Fastenmonat Ramadan "coronagemäß" feiern. Am Freitag begannen die 30 Tage, an denen Muslime normalerweise weltweit tagsüber fasten und dafür nachts umso ausgelassener essen, feiern und beten. In Zeiten von Ausgehbeschränkungen und geschlossenen Moscheen eine Herausforderung für das Gemeinschaftsgefühl.
Zum ersten Mal seit fast 1400 Jahren bleiben die Moscheen in Medina und Mekka an Ramadan geschlossen. In den islamischen Staaten des Nahen Ostens herrschen aufgrund des Corona-Virus strikte nächtliche Ausgangssperren, die – wie in Ägypten, Saudi-Arabien, Kuwait, Tunesien oder Marokko – jetzt auch ausdrücklich für die Festwochen des Ramadans verlängert wurden.
Wegen der Corona-Beschränkungen und Ausgangssperren wird es dieses Jahr in vielen Ländern keine Zusammenkünfte nach Sonnenuntergang zum Fastenbrechen und zum nächtlichen Gebet in der Moschee geben. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Hinweise für Muslime veröffentlicht, um eine Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. Neben gesteigerter Hygiene sollten Gläubige auf ausreichend Abstand achten und, wenn möglich, Treffen unter freiem Himmel abhalten.
Moscheen ohne Teppiche
Die religiösen Autoritäten vieler Länder unterstützen die Restriktionen und fordern die Gläubigen auf, zu Hause zu beten und sich nicht in größeren Gruppen zu versammeln. Aber nicht alle halten sich daran. Die fundamentalistische Gruppierung Hefasat-e-Islam in Bangladesch kritisierte den beschränkten Zugang zu den mehr als 300.000 Moscheen im Land. "Beschränkungen für die Teilnahme am Gebet verstoßen gegen den Islam", sagte Mojibur Rahman Hamidi, ein Vertreter der Gruppierung. "Ein gesunder Muslim muss sich den Gebeten in einer Moschee anschließen. Wir hoffen, dass Allah uns vor dem Coronavirus retten wird, wenn wir inbrünstig beten." Während in den meisten islamisch geprägten Ländern Moscheen geschlossen bleiben, setzt Pakistan auf einen anderen Weg. Dort bleiben Moscheen geöffnet, aber die Teppiche müssen aus hygienischen Gründen entfernt werden. Zudem sollen Abstandsregelungen eingehalten werden.
Iftar-to-go ohne Gemeinschaftsgefühl
Viele Gläubige weichen auf das Internet aus. Ganz nach dem Motto: wenn der Gläubige nicht in die Moschee darf, kommt die Moschee eben online zu den Gläubigen. Mit Gebete, Onlineangeboten,Vorträgen und Koranrezitationen. Und statt der Basare, auf denen für das gemeinsame Fastenbrechen (Iftar) eingekauft wird, gibt es "E-Basare". Doch der Ramadan ist nicht nur eine Zeit des Fastens, sondern auch der Barmherzigkeit. Bedürftigen wird in diesem Monat besonders geholfen. Beispielsweise durch das Ausrichten des gemeinsamen Fastenbrechens am Abend. Auch hier zeigen sich viele Muslime kreativ und richten einen "Iftar-to-go" mit Essen zum Mitnehmen ein. Nur das Gemeinschaftgefühl könne leider nicht eingetütet werden. „Die Moschee ist ein Zentrum der Begegnung. Dass das komplett wegbricht, macht etwas mit den Menschen", bestätigt Said Barkan, Landesvorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland.
"Unsere Herzen weinen"
Selbst eine Absage der Hadsch Ende Juli wird immer wahrscheinlicher, seit die saudischen Behörden kürzlich die Muslime weltweit aufriefen, ihre Vorbereitungen für die Wallfahrt vorerst einzustellen. Allein letztes Jahr besuchten während des Ramadan rund sieben Millionen Gläubige die heiligen Stätten in der Heimat des Propheten Mohammed. "Unsere Herzen weinen", zitierte die Nachrichtenagentur AFP Ali Ahmed Mulla, seit 31 Jahren der Muezzin der Al-Haram-Moschee in Mekka. "Wir sind gewohnt, die heilige Moschee Tag und Nacht und immer voll mit Menschen zu sehen – ich fühle Schmerz tief in meinem Inneren."
(red/die.presse/faz)