[Bilder von der Uraufführung in Dornbirn St. Martin finden Sie in der Bildergalerie rechts. Zum Öffnen einfach ins Bild klicken.]

Von Dietmar Steinmair

Sonntag, später Nachmittag, Pfarrkirche Dornbirn St. Martin: Die Kirchenbänke füllen sich bis auf die letzten Plätze, während der große Kirchenraum schon ganz in die Farben übergroßer Bild-Projektionen an den Wänden getaucht ist. Viele sind gekommen, um eine spannende Uraufführung zu erleben. Eigentlich sind es derer zwölf, denn genauso viele Künstler hat die Katholische Kirche Vorarlberg (Idee und künstlerische Leitung: Bernhard Loss, Gesamtverantwortung und Produktion: Hans Rapp) - mit finanzieller Unterstützung durch das Land Vorarlberg - beauftragt, Kompositionen zu Ehren von Provikar Carl Lampert (1984-1944) zu schaffen.

Die Chöre stehen schon in verschiedenen Teilen der Kirche bereit, als Hausherr Pfarrer Josef Schwab in seiner Begrüßung an die diözesane Gedenkreise im vergangenen Oktober nach Halle an der Saal erinnert. Die Reisenden haben eine lebendige Erinnerung an Carl Lampert dort erlebt, vor allem in der Pfarre Halle-Nord. In Dornbirn St. Martin, wo Lampert 12 Jahre als Kaplan tätig war, kann Pfarrer Schwab heute neben vielen Interessierten die Bischöfe Manfred Scheuer (Innsbruck) und Elmar Fischer, Landeshauptmann Herbert Sausgruber, Landesrätin Andrea Kaufmann und Bürgermeister Wolfgang Rümmele begrüßen und wünscht allen eine "heilsames und nachhaltiges Erinnern".

 
"Selig seid ihr ..."

Carl Lampert war der höchste Kirchenvertreter in Österreich, der dem nationalsozialistischen Regime zum Opfer gefallen war. "Carl Lampert ehren bedeutet also auch, dass alle anderen Opfer geehrt werden." (Moderator Johannes Schmidle). Bischof Elmar Fischer dankt den Komponisten und Chören für die Auseinandersetzung mit dem Sterben, das ja bei Provikar Lampert selbst ein langes gewesen sei, und für dessen Umsetzung in musikalische Sprache. Fischer erinnert auch an das Evangelium des Tages, die Seligpreisungen nach Matthäus, und hebt eine hervor: "Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein." (Mt 5,11f.)

Provikar Lampert stehe stellvertretend für viele Opfer des Nationalsozialismus, die sich ohne Furcht und mit großer Entschlossenheit dem NS-Regime widersetzt haben und durch ihren Tod zu Märtyrern geworden sind, betont Landeshauptmann Sausgruber: "Mit welchem Mut, welcher Beharrlichkeit und Unnachgiebigkeit Carl Lampert an seinen Überzeugungen, an Menschlichkeit und Solidarität festgehalten hat, ist beeindruckend. Diese Charakterstärke kann für uns alle ein Beispiel sein".

 
Ton - Bild - Wort

Die Bild-Projektionen von Marc Altmann an den Kirchenwänden unterstreichen die nun folgenden Kompositionen eindrücklich. Zu Beginn taucht immer wieder ein Kreuz in strahlendem Weiß-Gelb auf, einfach und mehrfach, sich übereinander schiebend und durcheinander fließend, sich kreuzend, vor dem Hintergrund bunter Kirchenfenster, meist gehalten in kräftigem Blau. Später weicht das Blau einem blutroten Farbstreifen, durch den sich ein Stacheldraht zieht, der sich vermehrt zu einer Vielzahl von Stacheldrähten, die den Besuchern einen Blick aus dem - oder eben: ins - Gefängnis freigeben.

Worte aus Briefen von Carl Lampert an Verwandte, aus bischöflichen und päpstlichen Dokumenten der Zeit, Zitate von Theologen und Philosophen unterbrechen die Musiksequenzen. Brigitte Walk, sie zeichnet übrigens verantwortlich für die Gesamtinszenierung, und Mario Plaz wählen starke Worte. Etwa jenes von Johann Baptist Metz: "Erinnerung kann gefährlich sein, denn Erinnerung enthält stets ein subversives Element: Erinnerung fordert Gerechtigkeit."

Derweil stehen die Ensembles und Chöre an verschiedenen Orten: in der Apsis, im Altarraum, um das Taufbecken, auf der Empore. Von überall tönt Musik, einstimmig, mehrstimmig, laut und manchmal auch kaum vernehmbar, mit Worten oder nur Vokalen, begleitet oder a capella, harmonisch und auch dissonant, aber immer eindrücklich. Die Texte als Grundlage der Kompositionen stammen wiederum aus Briefen von Provikar Lampert sowie aus der Bibel. Die Inszenierung heute ist geglückt: Im lauten Finale des letzten aufgeführten Werkes - nun mit Orgel - wird Carl Lampert riesenhaft an die gegenüberliegende Wand projiziert. Das sitzt. Und merkt man auch an der dichten Atmosphäre und dem lang anhaltenden, dankbaren Applaus des Publikums.

Alfred Dünser bedankt sich im Namen seiner Künstler-Kolleg/innen und überreicht an die Ehrengäste (und Geldgeber) die ersten Exemplare des Heftes "Mors et vita duello", das alle zwölf Kompositionen im Chorsatz enthält. Und als Präsent dürfen die angereisten Chorleiter/innen das Heft auch gleich in Empfang nehmen.

 
Factbox

Bei der Uraufführung werden die 12 Kompositionen thematisch in drei Bereiche gegliedert (Zeugenschaft, Erinnerung, Verherrlichung), die Stücke unterbrochen von Textsequenzen durch die beiden Lektoren.

 
Zeugenschaft

Gerold Amann – Mors et vita duello
Kirchenchor Göfis (Leitung Andreas Lampert)

Alfred Dünser – Zerschlagen, zerrissen
Ensemble Lindenthal (Leitung Martin Lindenthal)

Ulrich Gabriel – Ich bin gekrümmt
Kirchenchor Dornbirn St. Martin (Leitung Rudolf Berchtel)

Martin Lindenthal – Allweiser du – Ein kleiner Sonnenstrahl
Ensemble Lindenthal (Leitung Martin Lindenthal)

Murat Üstün – Te lucis ante terminum
Kirchenchor Weiler (Leitung Michael Fliri)

Alwin Hagen – Nun lässt du, Herr, deinen Knecht
Ensemble Lindenthal (Leitung Martin Lindenthal, Bass: Martin Summer, Querflöte: Benjamin Klocker)

 
Erinnerung

Helmut Sonderegger – Selig seid ihr
Kirchenchor Göfis (Leitung Andreas Lampert)

Hildegard Großsteiner-Frei – Liebe - wie leidest du in dem Hass dieser Zeit
Stimmart plus (Leitung Gertraud Gächter)

Gerhard Dallinger – Selig seid ihr
Cantores Brigantini (Leitung Verena Gillard)

 
Verherrlichung

Gebhard Wiederin – Anbetend knie ich vor dir
Chorgemeinschaft Riefensberg (Leitung Bruno Bereuter)

Verena Gillard – Erfreue uns so viele Tage, wie du uns gebeuget hast
Cantores Brigantini (Leitung Verena Gillard)

Thomas Thurnher – Confiteor – Anbetend knie ich vor dir
Kirchenchor Dornbirn St. Martin (Leitung Rudolf Berchtel, Orgel: Johannes Hämmerle)