Ein schwerer Unfall, ein unerwarteter Todesfall - und plötzlich ist nichts mehr so, wie es vorher war. Das Team der Krisenintervention & Notfallseelsorge (KIT) rund um Koordinator Thomas Stubler hilft, wenn Worte fehlen. Schnell, unbürokratisch und kostenlos - auch dank Ihres Kirchenbeitrags.
Seit über 20 Jahren helfen die mittlerweile mehr als 90 ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen des KIT Menschen in Notlagen. Wann kommt der KIT zum Einsatz?
Thomas Stubler: Bei uns geht es nicht so sehr um Lebenskrisen oder wenn jemand Gesprächsbedarf hat, sondern wir werden gerufen, wenn es wirklich ein dramatisches Ereignis gegeben hat. Meistens ist es ein plötzlicher Todesfall, Suizid oder ein Unfall und dann werden wir von den Einsatzkräften verständigt, um die betroffenen Angehörigen, Kollegen, MitarbeiterInnen oder Zeugen zu begleiten. Wir machen keine Psychotherapie oder längerfristige Begleitung, sondern sind in dieser Akutphase vor Ort. Im Schnitt dauert so ein Einsatz ca. 3 ½ Stunden, unser längster dauerte zwei Tage. Klar ist: Wir bleiben so lange, wie es uns braucht.
Wie kann man sich auf so einen Einsatz vorbereiten?
Stubler: Wir gehen nie alleine, sondern immer mindestens im Zweier-Team zum Einsatz - weil es schon sehr oft heftig und dramatisch ist. Du kannst dich nicht wirklich auf die Situation vorbereiten. Du weißt ja nicht, was dich an Emotionen erwartet. Aber es ist eine große Hilfe, wenn du nicht alleine bist. Genauso wie wir für die Betroffenen in erster Linie da sind, damit sie nicht alleine sind, ist es auch für uns wichtig, wenn es um die eigene Betroffenheit geht.
Ausbildung und Supervision werden bei euch groß geschrieben.
Stubler: Genau, jede/r KIT-MitarbeiterIn hat eine umfassende Ausbildung (130 Stunden) absolviert und macht im Idealfall jede Woche einen Bereitschaftsdienst. Ein Dienst sind 12 Stunden. Wir schauen immer dass wir zw. 80 und 100 Aktive haben, weil dann jeder rund 4x im Monat drankommt und so regelmäßig im Einsatz ist. Und es gibt bei uns auch die verpflichtende Gruppensupervision, um über die Einsätze reden zu können.
Nimmt man etwas vom Einsatz mit nach Hause? Du bis ja nicht nur Koordinator, sondern auch selbst im Einsatz.
Stubler: Sicher, etwas nimmt man immer mit, weil es eben schon immer sehr tragische Geschichten sind. Es geht darum, wie ich es ablege. Ich habe schon meine Schubladen im Kopf, wo meine Einsätze gespeichert sind, aber das gute ist: Diese Schubladen sind zu und ich kann sie ganz bewusst öffnen, sodass die Bilder nicht einfach da sind und belasten. Aber natürlich: Wir sind Menschen, wir sind keine Maschinen.
Warum macht man diesen Job trotzdem?
Stubler: Weil man etwas bewirken kann und weil man den Menschen helfen kann. Weil es einfach etwas ist, das wahnsinnig sinnvoll und wertvoll ist. Es ist nicht nur ein Geben, sondern auch ein Nehmen. Und ich stelle immer wieder fest: Auch wenn wir vielleicht nur eine Stunde dort waren, haben wir wirklich etwas bewirken können. Wir haben diese Leute nicht alleine gelassen und dafür gesorgt, dass es ihnen in dieser furchtbaren Situation etwas besser geht, dass es etwas erträglicher ist. Das gibt dir schon ein gutes Gefühl. Auf der anderen Seite macht es einen selbst dankbarer und fast demütig. Dir wird bewusst, wie zerbrechlich das eigene Glück ist, und dass von einer Sekunde auf die andere alles vorbei sein kann.
Die Zahlen aus dem Jahresbericht 2021 lassen aufhorchen: 234 Einsätze, 91 Ehrenamtliche - davon 15 neue MitarbeiterInnen...
Stubler: Keine Ahnung wieso, aber sie rennen uns fast die Türe ein. Wir haben letztes Jahr für den Lehrgang mit 15 Leuten 121 Interessenten gehabt. Es hat sich wohl herumgesprochen, dass es trotz der Tragik, die mitschwingt, ein sehr bereicherndes Ehernamt ist, aber engagierten Menschen absagen zu müssen, tut schon weh. Und dass unsere MitarbeiterInnen das alles ehrenamtlich in der Freizeit machen- davor habe ich schon einen Heidenrespekt.
Gibt es denn Voraussetzungen, um ein KIT-MitarbeiterIn zu sein?
Stubler: Man muss weder studiert haben noch Psychotherapeut sein, es zählt das Menschliche. Dass jemand da ist. Da kommt es darauf an, dass du empathisch bist, dass du auf die Menschen zugehen kannst,dass du offen bist und unvoreingenommen hingehen kannst. Der Beruf oder die Ausbildung spielen eine sehr untergeordnete Rolle - und dementsprechend sind die Leute bei uns auch quer durch. Wir haben ein paar Psychologen und Psychotherapeuten im Team, aber auch Lehrpersonen, Priester, Krankenpflegepersonal, Tischler, Hausmeister, Bankangestellte und viele Pensionierte. Die einzige formale Voraussetzung ist das Alter: Mind 25 und nicht nicht älter als 65 - also wenn man anfängt.
Eine persönliche Frage zum Schluss: Wolltest du schon immer beim KIT arbeiten?
Stubler: Ich bin seit acht Jahren beim KIT - eigentlich bin ich gelernter Konditor, habe nach der Lehre den Zivildienst bei der beschützenden Werkstätte der Caritas im Montafon absolviert und mir damals gedacht: "Mit Leuten zu arbeiten gefällt mir". Dann habe ich "übergangsmäßig" zwölf Jahre bei Antenne Vorarlberg garbeitet, aber den Sozialbereich hatte ich immer im Hinterkopf. Und als ich die ausgeschriebene Stelle des KIT-Koordinators gesehen habe, dachte ich mir: "Das wäre ein Jackpot". Auf der einen Seite das Organisatorische, das mir auch liegt und das Soziale mit Leuten für Leuten etwas tun. Arbeit mit Sinn. Ich habe mich beworben und sie haben mich genommen. Es ist immer noch wie ein großes Geschenk für mich. Ich mache das voll gern und bin beruflich dort angekommen, wo ich hingehöre. Das passt einfach.