„Es gibt viele gute Gründe, sich dafür zu engagieren, dass alle Kinder in unserem Land ihre Potenziale entfalten können. Immerhin geht es um nicht weniger als das Wohlbefinden und das Glück der Kinder“, so Caritasdirektor Dr. Walter Schmolly einleitend. „Es geht aber auch darum, dass die Kinder als Erwachsene dann ein eigenständiges und selbstbestimmtes führen können, an den Chancen der Gesellschaft teilhaben und diese Gesellschaft auch mitgestalten und mittragen.“ Dabei sei Realität, dass die Situationen, aus denen heraus Kinder ins Leben starten, sehr unterschiedlich sind. Dass die Lerncafés ein hochwirksames Instrument für die Unterstützung jener Kinder sind, die kein so förderliches Umfeld haben, zeige sich schon daran, dass jedes Jahr zwischen 96 und 100% der Lerncafé-Kinder ihre Schulstufe erfolgreich schaffen, so Schmolly.
In einem breit angelegten Forschungsprojekt untersuchten zwei Wissenschaftler*innen der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg - Dr. Peter Theurl und Dr. Anne Frey - auf welchen Ebenen in den Lerncafés gearbeitet wird (kognitiv, emotional, sozial), wie die Kinder und Jugendlichen die Unterstützung wahrnehmen und ob sich Wirkfaktoren identifizieren lassen, die den großen Erfolg der Lerncafés erklären können. „Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder und Jugendliche zu Beginn ihres Lerncafébesuchs sich in einigen Dimensionen der standardisierten Tests signifikant negativ von den jeweiligen Normstichproben unterschieden. So waren sie beispielsweise ängstlicher, während bei Kindern und Jugendlichen, die ein oder zwei Jahre im Lerncafé waren, kaum mehr Unterschiede der Lerncafé-Stichprobe gegenüber der Normstichprobe zu finden waren“, fasst Dr. Anne Frey zusammen.
Auch das Sozialverhalten wurde untersucht, wobei man darunter zum Beispiel die Fähigkeit zur Kooperation, zum Einfühlungsvermögen und zum Aufbau sozialer Beziehungen zu Gleichaltrigen versteht. „Auch hier bestätigte sich: Am Ende des Schuljahres zeigt die Lerncafé-Stichprobe keinen Unterschied zur Normstichprobe - zu Beginn des Schuljahres lagen die Werte der Kinder und Jugendlichen signifikant niedriger als bei der Normstichprobe. Die Kinder und Jugendlichen, die also ein oder zwei Jahre im Lerncafé sind, haben eine Verbesserung im Sozialverhalten“, so Dr. Peter Theurl.
„Die Auswertung der Fragebogen zur Einschätzung der Lerncafés weist übereinstimmend darauf hin, dass in den Lerncafés vielfältige kognitive, aber genauso auch emotionale, motivationale und soziale Unterstützung beziehungsweise Förderung erfolgt, die von allen Befragten als wertvoll und wichtig für den Lernerfolg sowie die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen eingeschätzt werden“, so die beiden PH-Professor:innen. „Die inhaltsanalytische Auswertung der offenen Fragen im Schüler:innenfragebogen deutet darauf hin, dass neben der direkten und unmittelbaren schulischen Unterstützung die wirkmächtigsten Faktoren auf der Beziehungsebene zu finden sind.“
Auch die befragten ehrenamtlich tätigen Freiwilligen erleben ihre Tätigkeit als in hohem Maße sinnvoll, persönlich bereichernd. Sie wollen durch ihre Arbeit der Gesellschaft zurückgeben, was sie Gutes von ihr erhalten haben und einen Beitrag zur Erhöhung der Chancen der von ihnen betreuten Kinder und Jugendlichen leisten.
„Lerncafés werden von Schüler:innen, Freiwilligen, Eltern und Lehrer:innen als Institution wahrgenommen, an der sozioökonomisch benachteiligte Kinder, insbesondere solche mit Migrationshintergrund einen niederschwelligen und vor allem kostenfreien Zugang zu außerschulischer Förderung, Unterstützung in schulischen und in psychosozialen Belangen erhalten“, so die Studienautor:innen. „Die befragten Lehrpersonen und Freiwilligen betonten gleichermaßen, dass die Lerncafés soziale beziehungsweise migrationsbedingte Nachteile kompensieren, indem sie einen niederschwelligen und kostenfreien Zugang zu außerschulischer Förderung bieten. Damit werden vor allem Schüler:innen, deren Eltern die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen, um ihren Kindern schulische Hilfe zukommen zu lassen, unterstützt.“
„Die wissenschaftliche Evaluierung durch die Pädagogische Hochschule Vorarlberg verdeutlicht, dass die Lerncafés sehr nachhaltig weit über die Schulzeit hinaus wirken. Die Studie stellt nämlich dar, dass in den Lerncafés die Kinder entscheidende psychosoziale Stärken entwickeln: Selbstvertrauen, Konzentration, Motivation. Das nehmen sie mit für ihr ganzes Leben. Zudem zeigt die Evaluierung, dass die Lerncafés in mehrere Richtungen Beziehungen schaffen und stärken und damit eine erstaunliche Breitenwirkung haben“, so Caritasdirektor Walter Schmolly. Die besondere Wirkkraft der Lerncafés erklärt er damit, dass die Lerncafés eine Struktur sind, in der sich sehr viele Akteur:innen in koordinierter Form für die Chancen und Potenzialentfaltung von Kindern engagieren: Eltern, Schule, Freiwillige, Spender:innen, Vereine, Sozialeinrichtungen, Unternehmen, politisch Verantwortliche, das Land, die Gemeinden, der Bund. „Chancengerechtigkeit und Potenzialentfaltung der Kinder lassen sich eben nicht an die Familie oder die Schule allein delegieren, es braucht – wie es in einem afrikanischen Sprichwort heißt – das ‚ganze Dorf‘. Die Lerncafés sind ein Gefäß, in dem sich das ganze Dorf engagiert – und das wirkt!“. Der Caritasdirektor nutzte abschließend die Gelegenheit, ein herzliches „Danke“ an alle Unterstützer*innen auszusprechen.
„Was vor zwölf Jahren mit dem Ziel begann, Kindern und Jugendlichen einen positiven Pflichtschulabschluss zu ermöglichen und auch die Eltern dabei zu unterstützen, ihre Kinder gut durch die Schulzeit zu begleiten, zog sehr bald weitere Kreise“, erzählt Bea Bröll, als Bereichsleiterin PfarrCaritas und Sozialräumliches Handeln auch zuständig für die insgesamt 16 Lerncafés mit rund 480 Schüler*innen vom Leiblachtal bis ins Montafon. „Zentrale Begriffe unseres pädagogischen Konzepts sind Selbstwirksamkeit, Förderung der Resilienz – dazu gibt es ein eigenes Programm – sowie Präsenz.“
Die Caritas Lerncafés verstehen sich auch als zentraler Akteur in einem Unterstützungsnetzwerk. Durch den Austausch und die Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Regionen, den Schulen und den schulnahen und sozialen Einrichtungen wird es möglich, den Kindern und Jugendlichen der Lerncafés grundlegende Kompetenzen zu vermitteln, um besonderen Anforderungen des Alltags gewachsen zu sein und zu „gesunden“, starken und selbstwirksamen Erwachsenen heranzuwachsen. Eine wichtige Säule des Erfolges sind freiwillige Lernhelfer:innen, die das Unterstützen in Klein(st)gruppen ermöglichen.
„An dieser Stelle möchten wir auch alle an einer Freiwilligentätigkeit interessierten Personen einladen, Kontakt aufzunehmen. Wir freuen uns über jede Unterstützung und begleiten Freiwillige bei ihrem Engagement in einem der Caritas Lerncafés“, so Bea Bröll.
Kontakt: www.caritas-vorarlberg.at/lerncafes