Paulus stellt uns heute Christus als den Weltenherrscher vor, dem alles unterworfen ist und der am Ende das letzte Wort haben wird. Er wird die Menschheit richten. Dann werden alle Menschen zu ihrem Recht kommen, denen man die Menschenwürde absprach und deren Rechte mit Füßen getreten wurden: die israelische Geisel, das von Bomben zerrissene Kind in Gaza, der verhungerte Säugling in Burundi, die missbrauchte Kindersoldatin, die Zwangsprostituierte aus dem Armenviertel, das ertrunkene Kind im Mittelmeer, der erstickte Flüchtling im Schlepperauto, die verurteilte Seenotretterin, der ausgebeutete Zwangsarbeiter, die verprügelte Klimaaktivistin, der gefolterte Oppositionelle und die ermordete Journalistin… Christus wird das Urteil sprechen, klarsichtig und gerecht. Wie froh bin ich, dass das ein Richter sein wird, der weder korrupt noch beeinflussbar ist. Aber ich glaube, das ist erst das Semifinale der Ewigkeit.
Im Finale, so hoffe ich, wird Gott seine stärkste Kraft entfalten, seine grenzenlose Fähigkeit zu verzeihen, so dass das Gericht nicht in Verwerfung endet, sondern in einem Prozess der Vergebung und Versöhnung. Himmel wird erst sein, wenn alle am gedeckten Tisch Platz genommen haben. Zugegeben, das ist eine verwegene Hoffnung angesichts des Bösen in unserer Welt, aber unser Richter ist zugleich der gute Hirte, der nicht zufrieden ist, wenn ihm von 100 Schafen auch nur ein einziges fehlt und der nicht ruht, bis er es wieder bei seiner Herde hat.
Dieser Gedanke schenkt mir Hoffnung, wenn ich daran denke, dass auch ich einmal vor diesem Richter stehen werde.
Sr. Notburga Maringele ist Tertiarschwester des hl. Franziskus in Hall in Tirol und war viele Jahre Religionslehrerin. Kontakt: sonntag@koopredaktion.at
Aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 44 vom 23. November 2023