Predigt von Erzbischof Dr. Christoph Kardinal Schönborn zur Bischofsweihe von Benno Elbs am 30. Juni 2013 im Dom St. Nikolaus in Feldkirch.

Liebe Gläubige der Diözese Feldkirch!
Liebe Verwandte, Freunde, Weggefährten von Bischof Benno!
Lieber Herr Apostolischer Nuntius und liebe Mitbrüder im
bischöflichen, priesterlichen und diakonalen Dienst!
Lieber Bischof Benno!



„Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertraue Ihm, er wird es fügen.“ Dieses Wort aus Ps. 37,5 hast Du als Dein Bischofsmotto gewählt. Dieses Wort verbindet uns persönlich, aber es ist vor allem ein Wort, das für Dich einen eigenen Klang hat, eine tiefe persönliche Bedeutung.

Dieser Satz, so schreibst Du mir, „prägt meine Haltung auch bei den vielen Wallfahrten nach Göfis zum Gedenkort von Provikar Lampert. Das Vertrauen, dass Gott alles fügt und dass wir Ihm in diesem Vertrauen auch unseren Weg übergeben und empfehlen dürfen. Ein Gedanke, der Hoffnung gibt.“ (Brief vom 13. Juni 2013).

Am Beginn Deines bischöflichen Dienstes steht also dieser starke Ausdruck Deines Vertrauens auf den Herrn und auf Seine Fügung. Zu den stärksten Einladungen Jesu gehört Seine Ermutigung, auf die Vorsehung Gottes zu vertrauen: „Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Denn um all das geht es den Heiden. Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht.“ (Mt 6,31f).

Es ist schon eine Herausforderung, auf dieses Vertrauen der Vorsehung zu setzen in einem Land, einem Ländle, das so sehr geprägt ist vom eigenen Fleiß, von selber Tun und Schaffen. „Seht euch die Vögel des Himmels an: sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen. Euer himmlischer Vater ernährt sie. Sei ihr nicht viel mehr wert als sie?“ (Mt 6,26). Sind die sprichwörtlichen „Vögel des Himmels“ und die „Lilien des Feldes“ nicht ein Widerspruch zu all dem, was wir als fleißige Vorarlberger als Lebensideal vor Augen haben? „Vertrau Ihm, ER wird es fügen!“ Heißt das: Hände in den Schoß legen? Gottvertrauen als Ausrede? Wie ist also Dein Wahlspruch zu verstehen, lieber Benno?

Enthält er nicht eine kritische Anfrage an so manche unserer kirchlichen Überaktivitäten, in denen wir alles planen, strukturieren, organisieren wollen? „Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertrau Ihm, er wird es fügen“. Sind unsere Wege auch wirklich Seine Wege? Gehen wir oft nicht zu sehr nach rein menschlichen Kriterien vor?
Ich weiß, es müssen in der so veränderten Situation neue Pastoralpläne gemacht werden. Fragen wir uns genug, ob es wirklich ein „Masterplan“ wird, nämlich Sein, des Meisters Plan, und nicht nur eine äußerliche Reorganisation?

Vor dieser Herausforderung stehen wir überall in Österreich. Mit dem gesellschaftlichen geht auch der kirchliche Wandel einher. Wie haben sich Kirche und Gesellschaft seit meiner Matura vor 50 Jahren verändert! Wie sah das Dorf meiner Kinderzeit aus, Anfang der Fünfziger-Jahre, und wie sieht es heute aus! In dieser so stark gewandelten Zeit übernimmst Du, lieber Benno, das Hirtenamt. Viel Liebe, viel Freude, viel Hoffnung wird Dir entgegen gebracht. Der Herr, dem Du Deinen Weg anvertraust, wird Dich dabei führen. Aber Du weißt auch, dass dieses Vertrauen in den Herrn, der alles fügt, auch Dein Mitwirken erfordert. Der Hl. Thomas von Aquin hat wunderbar herausgearbeitet, dass das Vertrauen in Gottes Vorsehung auch einschließt, dass Gott uns das Mitwirken an Seinen Plänen zutraut und anvertraut.

Gott vertraut Dir, und Er vertraut Dir Großes an. Die beiden Worte der Hl. Schrift  heute, die Du selber ausgewählt hast, sagen Entscheidendes über Dein Mitwirken am Werk Gottes. Sie zeigen, wie Dein Weg, den Du dem Herrn anvertraust, wirklich Jesu Weg zu den Menschen sein kann. Denn darum geht es in Deinem Dienst: dass Jesus durch Dich, Benno, zu den Menschen kommt. Das ist die erste Aufgabe des Bischofs. Jesus hat von den Hirten nur eines erwartet, und nur dieses Eine erwartet Er von Dir.
Jesus hat zur Beauftragung mit dem Hirtendienst von Petrus nur eine einzige Qualifikation erwartet: „Liebst du mich?“ Drei Mal fragt ihn Jesus dieselbe Frage. Wohl weil Petrus Jesus drei Mal verleugnet hat. Schmerzlich erinnert ihn diese dreimalige Frage an sein dreimaliges Versagen. Der Hirte wird zuerst an die eigene Schwäche, das eigene Versagen erinnert, ehe Jesus ihm den Hirtendienst anvertraut. Er soll sich nie überheben über die ihm Anvertrauten. Er soll wissen, dass er selber ein sündiger, fehlbarer Mensch ist, dem Jesus Barmherzigkeit und Vergebung geschenkt hat. Der Hirte darf nie vergessen, dass er selber zuerst der Umkehr bedarf, die er anderen predigen soll.
Drei Mal antwortet Petrus: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Es ist keine Anmaßung, keine Vorspiegelung, es ist die schlichte Wahrheit: Petrus liebt den Herrn wirklich, und nur deshalb ist seine Reue so tief, dass er den geliebten Meister verraten hat. Auch Du, lieber Benno, wagst in dieser Stunde – wie Petrus auch vor Zeugen – dem Herrn schlicht zu sagen: „Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Und in dieser Schlichtheit sagt Jesus heute zu Dir: „Weide meine Schafe!“ Lieber Benno, die Menschen dürfen spüren, dass es so ist, dass Du Jesus liebst.
Und sie spüren es untrüglich nicht durch viele Worte, sondern durch das, was vom Hirten nach dem Herzen Gottes in der ersten Lesung gesagt wird. So wird Jesus in Dir erkannt, so zeigst Du, ohne viele Worte, dass Du Jesus wirklich liebst: wenn Du ein Auge und ein Herz hast für die Armen; wenn Du die zerbrochenen Herzen heilen hilfst; wenn Du mit den Gefangenen aller Art mitfühlst, ob eingesperrt im Gefängnis oder gefangen im Kerker von Drogen, Alkohol oder anderer Sucht; wenn Du ihnen den Weg der Befreiung zeigst, die Trauernden tröstest, wenn Du die Freude ausstrahlst, die nur leuchten kann, wenn sie in Dir ist (und sie leuchtet aus Dir, zur Freude vieler!!).
Wenn Du so Deinen Weg dem Herrn anvertraust, dann werden viele mit Dir auf diesem Weg gehen. Dann werden auch die organisatorischen Reformen den richtigen Weg finden. Dann werden Dir viele vertrauen und mit Dir die Erfahrung machen, die wunderbar tröstliche und hoffungsvolle Erfahrung, die alle machen dürfen, die dem Herrn vertrauen:
                „Er wird es fügen!“   Amen.