Ein Haus der Jugend sollte es bleiben und das ist es auch. Denn seit Kurzem leben 37 Jugendliche im Alter von 16-17 Jahren im ehemaligen Schülerwohnheim der Herz Jesu Missionare, das nun von der Diözese für Menschen auf der Flucht zur Verfügung gestellt wurde. Und dort wurden die Jugendlichen von Bischof Benno Elbs, Caritas-Seelsorger Norman Buschauer und Caritas-Direktor Walter Schmolly besucht.

Das Haus an der Bregenzer Römerstraße ist groß. Herrschaftlich mutet es an. Mit eigener Auffahrt und einem schmucken Gartenhaus etwas weiter unterhalb des "Haupthauses". Tritt man ein, ist man der Realität schon etwas näher. Gut erhalten sind die alten Gemäuer. Keine Frage. Luxus ist da aber keiner. Praktische Linoleumböden, die Zimmer sind zweckmäßig eingerichtet - ein Bett, ein Nachtkästchen, ein Nachtlämpchen. "Wir mussten nur elf Betten ergänzen. Alle anderen Möbel stammen noch aus der Zeit, als das Haus Schülerwohnheim war", erklärt Margaritha Matt von der Caritas. Von den Jugendlichen wird sie "Mama" genannt. Und so etwas wie eine "Haus-Mama" ist sie ja auch für die 37 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die vor einigen Tagen in Bregenz angekommen sind und in diesem Haus der Diözese Herberge gefunden haben.

Von zu Hause erzählen sie nur in den stillen Momenten

Eine lange Schrankwand im oberen Stock ist in viele kleinere Schränke unterteilt - für jeden einen. Im zweiten Stock ist sogar ein Billardraum. Der ist bereits stark frequentiert. "Einer der Kinds hat sogar heute schon im Billardraum übernachtet, damit er am Morgen unter den ersten ist, die spielen dürfen. Der Billardtisch war übrigens auch schon da. Der stammt auch noch aus den Schülerwohnheimzeiten", lacht Margaritha Matt und man könnte fast glauben, man befände sich in einem etwas altertümlichen "Ferienlager", wenn man nicht wüsste, dass das eben keine "gewöhnlichen" Jugendlichen sind, um die sich die Mitarbeiter/innen der Caritas und die freiwilligen Helfer/innen rund um die Uhr kümmern. Denn sie sind auf der Flucht und Bregenz ist die bisher letzte Station auf ihrer Reise. 37 Jugendliche - unbegleitete minderjährige Flüchtlinge oder UMF`s, so nennt man sie. "Sie kommen aus Afghanistan. Einer kommt aus dem Iran und einer ist Ägypter. Sie sind vor ein paar Tagen gegen Abend aus verschiedenen Quartieren mit Bussen zu uns nach Bregenz gebracht worden. Ja, sie erzählen schon von ihren Erlebnissen auf ihrer Flucht. Aber nicht viel und nur selten", wird Matt nachdenklich und erzählt Bischof Benno Elbs, der gemeinsam mit Caritas-Seelsorger Norman Buschauer und Caritas-Direktor Walter Schmolly den neuen Bewohnern des ehemaligen Herz Jesu-Schülerwohnheimes einen Begrüßungsbesuch abstattet, auch von den Momenten, in denen die "Kids" - wie Margaritha Matt ihre Schützlinge nennt - still werden und sich zurückziehen.

"Wann darf ich lernen?"

Gleichzeitig heißt es aber auch für alle: in die Zukunft blicken. "Wir waren alle ganz erstaunt. Schon am ersten Abend gingen viele Hände hoch und die Kids haben uns gleich danach gefragt, wann sie Deutsch lernen dürfen und wann sie in die Schule gehen könnten. Wir haben dann gleich Kontakt mit Bregenzer Schulen aufgenommen und haben u. a. die HTL als Partner gewinnen können", fährt Margaritha Matt fort, während sie die Besucher durch das Haus führt: hinunter in den Keller, wo die Waschmaschinen stehen, deren Knöpfe und Schalter auch in arabischen Zeichen beschriftet sind. Wieder hinauf in die Küche, wo gerade das Mittagessen auf dem schon deutlich in die Jahre gekommenen Herd dampft und eine Truppe Jugendlicher gerade zum Küchendienst antritt. "Ja, klar, die Jugendlichen müssen natürlich mithelfen. Da gibt es eigene Küchendienste - morgens - mittags - und abends", lacht Matt. 

Mittagessen - alle an einem Tisch

Und dann wird es laut. Eine schrille Glocke zeigt an, dass das Essen fertig geschmort ist und über die Stiegen stürmen und schlendern sie in größeren und kleineren Grüppchen in den improvisierten Speisesaal herunter, die Jugendlichen, die keine Kinder mehr sind. Und irgendwie doch noch: "Ein Foto mit Mama, bitte", ruft da einer und lächelt und Margaritha Matt stellt sich auf die Treppe zu den Jungs, die sich sofort in Fotopose schmeißen.

Das gemeinsame Essen mit Bischof und Caritas-Leitung ist für alle etwas Besonderes. Mit Händen und Füßen wird gestikuliert. Aber irgendwie kommt Kommunikation zustande. "Wie geht es dir?" und "Grüß Gott", das sind so die ersten deutschen Sätze, die man im Saal hört. Als einer der Jugendlichen von zu Hause erzählt, strahlt er. Sie wollen lernen. Englisch sprechen sie alle - zumindest ein bisschen. Einer von ihnen spricht sogar mehrere Sprachen, weil er früher in Hotels der Oberklasse gearbeitet hat. Deutsch fehlt ihm noch. Ausgebildet ist er gut.

Die ganze Nachbarschaft hilft

Die Aussicht auf Beschäftigung, auf irgendeine Art von Aktivität ist allen wichtig. Projektideen gibt es bereits viele. Zum Beispiel eine kleine Werkstatt im Keller, in der Fahrräder für die Caritas repariert werden könnten oder ein Gemüsegarten hinterm Haus.

"Das hier gutes Haus. Bischof, danke", sagt da einer der jungen Afghanen leise. Er freut sich, dass er hier ist und weiß doch nicht, was noch kommt. Am kommenden Wochenende werden noch zwei Familien das Gartenhaus beziehen. Auch sie sind auf der Flucht. Dann ist die kleine Wohngemeinschaft vorerst komplett. Gestartet sind sie alle auf jeden Fall gut und der Empfang war freundlich. Die letzten Tage waren nämlich nicht nur die Mitarbeiter/innen der Caritas im Dauereinsatz um das Haus besenrein zu bekommen, sondern auch viele freiwillige Helferinnen und Helfer. "Wir waren ganz überrascht, aber da kamen die Nachbarn und halfen einfach mit. Sie haben geputzt, Zimmer eingeräumt, Vorhänge genäht... Wir wussten wirklich nicht, wie wir ihnen noch danken konnten", erzählt Matt und die Freude ist ihr förmlich ins Gesicht geschrieben.

Es kann also neu angefangen werden, im ehemaligen Herz Jesu-Schülerwohnheim. Ein Haus der Jugend war es lange Zeit und ein Haus der Jugend ist es nun wieder. Und man darf hoffen, dass dieses Haus sich vielleicht auch zu einem Ort entwickeln kann, der zeigt, wie ein Miteinander der Kulturen lebbar ist. Der Anfang ist auf jeden Fall schon einmal gemacht.