Anlässlich des österreichweiten Tages der offenen Moscheen öffnete die ATIB-Moschee in Hohenems und der islamische Friedhof in Altach ihre Türen. Aus diesem Anlass interviewte das Kirchenblatt Ersan Ünal (47), über Fragen rund um das Gebetshaus im Herrenried. Der gebürtige Hohenemser ist Obmann des dortigen Moscheenvereins (ATIB) und Vater zweier erwachsener Kinder, die in Deutschland studieren.
Das Interview führte Hans Rapp
Können Sie etwas zu Ihrem biographischen Hintergrund erzählen?
Ünal: Ich war 1975 das erste Kind in meiner Familie, das in Vorarlberg geboren wurde. Meine Mutter kam 1974 ins Land. Das war eine schwierige Zeit für sie. Ich bin gelernter Automechaniker, arbeite aber seit 28 Jahren bei der Firma Collini in der Logistik.
Wie sind Sie zum Vorstandsamt der Hohenemser Moschee gekommen?
Ünal: Wir hatten immer schon Kontakt mit der Moschee gehabt. Mein Vater war ein langjähriges Mitglied. Er war kein aktives Mitglied. Alle waren in Hohenems dabei. Ich hatte von klein her über meinen Vater einen Bezug: wir kamen immer zu den Freitags- und Feiertagsgebeten. Ende 2009 hat mich ein Bekannter angerufen. Er wollte mit einigen Kollegen den Vorstand übernehmen und hat mich gefragt, ob ich mitmachen wollte. „Wenn du meine Unterstützung brauchst, wieso nicht? Das kann ja nicht schaden“. Am Anfang hatte ich Bedenken wegen der Verantwortung. Ich habe zugesagt und seither sind wir hier im Vorstand. Zuerst war ich vier Jahre lang als Schriftführer tätig, dann als Kassier und am Schluss bin ich Obmann geworden.
Was hat das für Sie bedeutet?
Ünal: Es hat mir gutgetan. Ich habe von Anfang an alles mitgekommen: Wie man den Behörden schreibt oder die Finanzierungsfragen. Heute stehe ich auf festen Beinen, weil ich mich überall auskenne. Allein kann ich nichts machen. Ich habe ein Team, in dem alle mitmachen. Wichtig ist, Familie, Arbeit und die Verantwortung für die Moschee in Einklang zu bringen. Ich habe das in den letzten 13 Jahren zu 90% auf die Reihe bekommen. Ich schaue alle ein bis zwei Tage kurz hier vorbei, sehe die Post durch, checke die Mails und schaue, ob alles ok ist. Für mich ist es wichtig, dass ich den Überblick nicht verliere. Wenn ich mal ein Wochenende für mich brauche, kümmert sich ein anderer um den Betrieb. Das Zeitmanagement muss aber auch gelernt werden.
Arbeitet das Team ehrenamtlich?
Ünal: Wir sind alle ehrenamtlich. Wir pflegen auch den Kontakt mit der Gemeinde und sind bemüht um ein gutes Verhältnis mit unseren Nachbarn. Bei jedem besonderen Tag im Jahr schicken wir eine Karte: beim Opferfest und Zuckerfest. Da isst man Süßigkeiten, deshalb verteilen wir auch an die Nachbarn Baklavas. Auch zu Weihnachten und Ostern schreiben wir Karten. Wir versuchen auch immer dabei zu sein, wenn die Gemeinde uns etwa bei Veranstaltungen braucht. Nur so können wir ein gutes Miteinander erreichen. Wir arbeiten auch auf Landesebene eng zusammen. Normalerweise setzen wir uns einmal im Monat mit den 13 ATIB-Vereinen zusammen, tauschen uns aus und besprechen anstehende Fragen. Auch zu den anderen Moscheengemeinden pflegen wir die Kontakte.
Und der Imam?
Ünal: Der Imam ist unser Angestellter. Wir finanzieren ihn über die Mitgliedsbeiträge. Früher war das ja kein Problem, weil er durch den türkischen Staat bezahlt wurde. Aber mit dem neuen Islamgesetz hat sich das geändert. Jetzt müssen wir Mitglieder für sein Gehalt aufkommen. Das ist ein Aufwand, den wir nicht gewohnt waren. Aber irgendwie kommen wir zurecht.
Wie hoch ist dieser Mitgliedsbeitrag?
Ünal: Wir haben als Richtwert 20 Euro im Monat pro Person ausgemacht. Aber es gibt auch solche, die 15 zahlen und es gibt Mitglieder, die 25 Euro zahlen. Da machen wir keinen Druck, weil der Beitrag freiwillig ist und es auch bleiben soll. Die Kinder sind Passivmitglieder. Es gibt aber auch Familien, wo auch die Töchter und Söhne den Mitgliedsbeitrag zahlen, weil sie schon ihr eigenes Geld verdienen. Für die einen ist das viel, für die anderen nicht. Zum Glück zahlen 90% der Mitglieder regelmäßig.
Wieviele Mitglieder sind es in Hohenems?
Ünal: Wir haben jetzt knapp 450 Mitglieder. Zum Glück zahlen die meisten über Dauerauftrag. Das hat uns in Corona-Zeiten gutgetan, als wir keine anderen Einkommen hatten. Da waren die regelmäßigen Überweisungen wichtig. Das bedeutet eine hohe Verantwortung. Die Mitglieder zahlen ihre Beiträge für die Moschee ein und du musst das Geld gut und transparent verwalten. Das tun wir auch. Wir hinterfragen jeden Cent, den wir einkaufen, zweimal. Die Mitglieder haben das Recht zu wissen, was mit ihrem Geld geschieht.
Wie kann ich mir das Leben in der Moschee vorstellen?
Ünal: Fünfmal am Tag wird in der Moschee gebetet. Der Vorbeter und der Muezzin sind zu allen Gebetszeiten hier. Das erste Gebet findet früh am Morgen statt. Dann wird zwanzig Minuten lang der Koran gelesen. Dann geht jeder nach Hause oder trinkt hier noch einen Kaffee. Dann ist Mittagsgebet. Das dauert etwas länger. Da bleiben unsere Mitglieder oft länger da und trinken einen Kaffee oder Tee und unterhalten sich. Vor allem die Pensionisten. Dann gehen sie wieder und kommen zu einem anderen Gebet. Essen bieten wir nur Kleinigkeiten an. Schnitzel und Pommes und Pizza. Es gibt eine Bewirtung, die ein Pensionist übernommen hat. Er ist auch Vorstandsmitglied. Er ist immer hier. Er unterstützt uns mit der Kantine. Die ältere Generation hilft oft aus. Ohne ihn würden wir jetzt keinen Tee bekommen. Mehr nicht. Die meistbesuchte Zeit in der Woche ist das Freitagsgebet. Von 12 bis 15 Uhr ist viel los. Sonst sind am Wochenende die Mitglieder hier. Das Leben in der Moschee besteht nicht nur aus Gottesdiensten, sondern schafft auch ein Raum für soziale Zusammenkünfte, Interreligiose Programme ( Veranstaltungen, Frauenarbeit ,Jugendarbeit, Seelsorge). Es finden dann auch die familiären religiösen Feiern statt, wie die Beschneidungsfeiern oder die Koranlesung nach dem Tod von Angehörigen.
Gibt es Kontakte zu den Hohenemser Pfarren?
Ünal: Ja, sogar sehr gute Kontakte mit Dr. Heilbrun. Wir kennen ihn seit Jahren. Seit dem heurigen Jahr haben wir einen neuen Imam. Der wollte auch unbedingt den Pfarrer kennenlernen. Schlussendlich haben sie den gleichen Beruf. Wir waren in der Pfarre oben und er war mit Dekan Rainer Büchel aus Altach bei uns und wir haben gemeinsam einen Tee getrunken.