Simon Friedle aus Bludenz - 18 Jahre jung, kirchlich sehr engagiert - ist jemand, der nicht alles fraglos hinnimmt und sich viele Gedanken um die Kirche macht. Diese hat er anlässlich des Diözesanforums, an dem er teilnehmen wird, zu Papier gebracht.

Simon Friedle

Auf ein Wort… zum 1. Diözesanen Forum

Sie empfinden die Überschrift provokant oder einfach nur interessant? Dann ist der erste Schritt vollbracht. Wenn Sie nun wissen wollen, was sich alles dahinter verbirgt, dann bitte ich Sie, sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen.

Bald ist es soweit und das 1. Diözesane Forum der Diözese Feldkirch startet. Zwei Tage, die dem Dialog und den Visionen gewidmet sind. Deshalb habe ich mich nicht nur entschlossen daran teilzunehmen, sondern mir auch vorab Gedanken und Hoffnungen dazu aufgeschrieben.

1. Worte und Werke

„Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. […] Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist.“[1]
„Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.“[2]

Ich bin in verschiedenen pfarrlichen Gremien und kirchlichen Teams vertreten und es macht mir auch viel Freude, selbst aktiv mitgestalten zu dürfen. Jedoch gibt es dabei einen großen Motivationskiller – Worte. Versteht mich nicht falsch. Mir ist bestens bewusst, dass es Absprachen und Planung braucht und vor allem den Dialog. Doch es schmerzt mitansehen zu müssen, wie Visionen und Ideen totgeredet werden. Darum mein erster Appell an alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen: Wir dürfen nicht bei den Worten stehen bleiben. Wir müssen sie mit Leben füllen. Wir müssen unser Leben als Christen, wie Jesus selbst mit Wort UND Tat verkünden. Dann sind wir auch glaubhaft. Es gibt eine Redewendung, die lautet: „Rede nicht von Jesus, außer man fragt dich. Lebe so, dass man dich fragt.“

Es ist der Hauch… (1)

2. Bei euch soll es nicht so sein…[3]

Wir stecken in einer Krise, so würden wohl viele Katholiken und Katholikinnen die derzeitige Situation beschreiben. Immer weniger Menschen in unserem Land wollen etwas mit der röm. kath. Kirche zu tun haben. Doch wir müssen uns selbst an der Nase nehmen und uns fragen: „Wollen wir denn auch mit den Menschen etwas zu tun haben?“ Bei all den vielen Fragen, welche derzeit behandelt werden, drehen wir uns doch fast nur um uns selbst. Wo bleiben die Menschen – mit ihren realen Sorgen und Nöten? Liegt vielleicht nicht auch ein Problem darin, dass wir uns zu sehr mit uns selbst beschäftigen (müssen?). Wo bleibt der Dialog? Zuhören, offen sein für andere Sichtweisen und Reflexion, sind eine gute Basis, um das Evangelium immer neu auf die aktuellen Gegebenheiten auszurichten.

Es ist der Hauch… (2)

3. Die „Komm her – Geh hin“-Kirche

Die „Komm her“-Kirche kennen wir alle – leben wir sie doch. Die „Geh hin“-Kirche ist da schon etwas befremdlicher. Ich kenne einige im kirchlichen Kontext, die mit diesem „modernen“ Begriff nicht viel anfangen können. Vielleicht haben wir deshalb einen Bischof in Rom, welcher sich selbst Franziskus nennt, um uns zurückzubesinnen auf unsere eigene Geschichte. „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung.“[4] Diese Bibelstelle hat sich der Hl. Franziskus zu seinem Lebensmotto gemacht – und das vor rund 800 Jahren. Nicht zu vergessen Jesus selbst, welcher uns vor 2000 Jahren diese Botschaft auf den Weg mitgegeben hat. Also kann ich getrost sagen: „Nein, die ‚Geh hin‘-Kirche ist kein moderner Firlefanz, sondern grundsätzlich unser Auftrag!“

Doch auch zur „Komm her“-Kirche gibt es etwas anzumerken. Wer Sonntag für Sonntag in die Kirche geht, um die sogenannte „Pflicht“ zu erfüllen, kann genauso gut zuhause bleiben. Der sonntägliche Gang in die Kirche hat erst dann für uns Christen Bedeutung, wenn er uns Kraft und Mut gibt, um in unserem Leben und dadurch in der Welt Veränderung zu bewirken. Beten verändert nicht die Welt. Aber beten verändert die Menschen, und Menschen verändern die Welt.[5]

Es ist der Hauch… (3)

4. Dickes Fell

Bist du verrückt genug, zu den Menschen zu gehen und mit ihnen über deinen Glauben zu reden? Dann brauchst du sicherlich eines – ein dickes Fell. Die Junge Kirche hat heuer eine Dialoginitiative unter dem Namen „Halt amol!“ gestartet. Weil es nicht bei der Aktion bleiben sollte, war die „Pop-Up-Church“ auch schon u.a. bei der Gymnaestrada und bei Festivals im Einsatz.[6] Ich muss ehrlich zugeben, dass ich nicht der extrovertierteste Mensch bin. Dennoch habe ich es gewagt und diese tolle Idee mehrmals unterstützt. Was viele Menschen zuallererst verwundert hat, war, dass wir von der katholischen Kirche kommen. Man ist es hier von uns schlichtweg nicht gewöhnt, dass wir zu den Menschen raus gehen. Dies ist eigentlich bedenklich, wenn wir uns auf den vorherigen Grundauftrag rückbesinnen. Etwas Wichtiges muss auch noch gesagt sein: Wer denkt, dass sich die Jugend keine Gedanken über Religion macht, der soll sich nicht täuschen. Denn die Fragen, die ab und zu gestellt werden sind für den persönlichen Glauben essenziell und lassen teilweise an der DNA der Kirche rütteln.

Es ist der Hauch… (4)

5. Visionäre Rebellen

Papst Franziskus spricht uns in „Christus Vivit“ Mut zu: Wir müssen an dem Weg der Träume festhalten. Deshalb sollen wir uns vor einer Versuchung in Acht nehmen, die uns oft einen Streich spielt: die Angst. Sie kann zu einem großen Feind werden, wenn sie uns dazu bringt, aufzugeben, wenn wir erleben, dass die Ergebnisse nicht sofort erreicht werden. Die schönsten Träume erkämpft man mit Hoffnung, Geduld, Einsatz und Verzicht auf Eile. Zugleich darf man sich nicht von der Unsicherheit blockieren lassen; man sollte keine Furcht haben, etwas aufs Spiel zu setzen und Fehler zu machen. Eher müssen wir Angst haben, wie lebendige Tote, die zu leblosen Individuen wurden, weil sie kein Risiko eingehen wollen, weil sie sich nicht für ihre Belangen einsetzen oder weil sie Angst haben, etwas falsch zu machen. Selbst wenn du einen Fehler machst, kannst du immer wieder aufstehen und neu anfangen. Niemand hat das Recht, dir die Hoffnung zu rauben.[7]

Wenn wir uns als Gemeinschaft in den nächsten Tagen gemeinsam Gedanken machen werden, so hoffe ich doch, dass wir vom Heiligen Geist erfüllt auch mutige Visionen aussprechen. Wer jedoch zaghaft ist und auf die Weltkirche verweist, dem erwidere ich entschieden: „Auch wir in Vorarlberg sind Weltkirche – also lasst uns unsere Botschaften bis nach Rom tragen.“ Wer das irrsinnig findet, dem sage ich getrost: „Die Botschaft unseres Glaubens ging von Bethlehem aus – von einem kleinen Nest. Und die Botschaft hatte eines: Spirit.“

Es ist der Hauch… (5)

6. Kirchliche Gemeinschaften

Glaube und die Kirche können und sollen einem Heimat und Gemeinschaft bieten. Diese Gemeinschaft hat viele Gesichter – Familie, Freunde, Bekannte, Pfarre. Aber dabei hört es nicht auf. Die Gemeinschaft geht weiter, Seelsorgeräume, Diözese und - wie vorher schon erwähnt - Weltkirche. Doch ich bin überzeugt, dass jede größere Veränderung im Kleinen anfängt. Der (Welt-)Kirche kann teilweise zurecht vorgeworfen werden, dass sie sich zu langsam verändert. Doch ich selbst sehe auch die Kehrseite. So wurden im ganzen Land verteilt Seelsorgeräume und Pfarrverbände gebildet. Bedauerlicherweise – und ich berichte hier von der Situation im Seelsorgeraum Bludenz – gibt es viele Personen, die vom altbekannten System der eigenen Pfarre nicht abrücken wollen. Dies ist einerseits verständlich, andererseits insofern problematisch, wenn dabei die letzten Fundamente zerbröseln, anstatt dass alle Fragmente zusammentragen und damit ein neues, solideres Fundament gegründet wird. In meinen Augen ist es fast schon eine strukturelle Sünde, wenn die Erhaltung der Pfarrstruktur im Mittelpunkt steht. Ich finde, wir haben einen anderen Auftrag. Ich will nicht Strukturen erhalten, sondern das Feuer des Glaubens. Und dazu wird es in Zukunft noch viel notwendiger werden, gemeinsam auf dem Weg zu sein. Denn es gilt zu bedenken: „Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.“[8]

Es ist der Hauch… (6)

7. Den Weg zu Ende gehen

Ich schätze unseren Bischof Benno Elbs sehr und bin dankbar, ihn bei uns in der Diözese Feldkirch zu haben. So habe ich mit Freude sein Statement über die Zukunft der Frauen in der Kirche mit Hinblick auf die Weiheämter, genauer gesagt über die Diakonatsweihe von Frauen, gelesen.[9] Dennoch tat sich nach dem Lesen bei mir eine Frage auf. Ich verstehe nicht ganz, wie er einerseits so ein Statement abgeben kann und andererseits in unserer/seiner Diözese noch nicht in allen Pfarren Mädchen als Ministrantinnen zugelassen sind. Große Themen sind dann glaubwürdig, wenn sie im pfarrlichen Alltag ganz und ungeteilt jetzt schon umgesetzt werden. So schließe ich daraus auch einen Auftrag für uns. Gehen wir den Weg, den wir in den kommenden Tagen wieder neu ausrichten werden auch bis zum Ende. Stehen wir zu unseren Visionen und bleiben wir authentisch.

Es ist der Hauch… (7)

8. Mit Gott reden und ringen

Veränderung, Veränderung, Veränderung… Ich will und brauche keine Veränderung um der Veränderung willen. Dennoch ist Veränderung wichtig. Dazu genügt es, einen Blick auf die Evolution zu werfen. Aber wir reden hier ja über Religion und einen Gott, der lange vor uns war und lange nach uns sein wird. Aber vor allem ist Gott ein Gott, der ist, in der Gegenwart verankert – bei uns. Gegenwart ist für mich jener „goldene“ Moment, bei dem Vergangenheit und Zukunft aufeinandertreffen, sich verschmelzen. Der Punkt, an dem wir aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen und dies dann auch nach Möglichkeit umsetzen.

Eine Meinung zu haben ist gut und wichtig. Wenn aber kein Dialog möglich ist, dann wird es zum Problem. Hier können wir vom biblischen Gott lernen. Denn der Allmächtige und Allwissende lässt mit sich reden und bleibt nicht stur bei seiner Meinung.[10] Denn es geht ihm letztlich immer um den Menschen und sein Heil bzw. Glück. Unser Gott ist ein Gott, mit dem man ringen kann, vielleicht auch muss.[11] Wenn nun Gott mit sich reden und ringen lässt, so soll das auch für uns eine Botschaft sein, nämlich offen zu sein und nicht den einfachsten Weg zu gehen.

Es ist der Hauch… (8)

9. Ein Hauch. Katholisch!

Ein Priester, dessen Name ich nicht kenne, hat einmal in seiner Predigt Folgendes gesagt: „Was ist der Unterschied, wenn in Afrika und in Europa der Hl. Geist nicht mehr weht? In Afrika ist die Kirche gleich am Boden, in Europa geht es noch ein bisschen weiter, bis irgendwann das Geld ausgeht…“ Ich möchte als junger Katholik eine Kirche leben und mitgestalten, in der der Hl. Geist weht und das Geld nicht das entscheidende Sagen hat.

Es ist der Hauch, …
(1)   der uns den Lebensatem gibt und alles lebendig macht. Ein Leben, das weiter geht und zu dem zurückkehrt, von dem es ausgeht.[12]
(2)   der uns Rückenwind gibt. Es liegt an uns, die Segel zu hissen, damit wir uns nicht um uns selbst drehen, sondern vorankommen.
(3)   der wie die Apostel auch uns erfüllt und Hürden überwindet, damit wir in die Welt hinausgehen.[13]
(4)   der in uns ein Feuer entzündet: Denn in dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst.[14]
(5)   der die Töchter und Söhne zu Propheten macht, den Alten Träume gibt und die Jungen mit Visionen erfüllt.[15]
(6)   der Himmel und Erde und genauso die Pfarren verbindet.
(7)   der uns Weisheit, Einsicht, Rat, Gottesfurcht, Frömmigkeit, Erkenntnis und Stärke gibt.
(8)   der ein Windsäuseln ist, in dem sich Gott offenbart, aber auch eine Windböe, die zum Ringen mit ihm ermutigt.[16]

Daher meine Schlussfolgerung: Ein (solcher) Hauch genügt, um überzeugt katholisch zu sein.

Zum Schluss wünsche ich uns allen, dass wir am Ende dieser Tage eines sagen können: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich nun endlich Taten sehn!“[17]

Mit hoffnungsvollen Grüßen und im Vertrauen auf den Heiligen Geist!

Simon Friedle
aus der Pfarre Hl. Kreuz im Seelsorgeraum Bludenz



[1] Joh 1,1-3
[2] Joh 1,14
[3] Mt 20,26
[4] Mk 16,15
[5] Albert Schweitzer
[6] https://www.kath-kirche-vorarlberg.at/themen/halt-amol/willkommen, https://www.kath-kirche-vorarlberg.at/jugend/organisation/junge-kirche-vorarlberg/artikel/junge-kirche-auf-dem-szene;
[7] Nachsynodales Apostolisches Schreiben – Christus Vivit von Papst Franziskus an die jungen Menschen und das ganze Volk Gottes, 25.03.2019, Punkt 142
[8] Gustav Mahler
[9] https://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/osterreich-bischof-spricht-sich-fur-viri-probati-und-diakoninnen-aus, 16.05.2019
[10] Gen 18,16-33; Abrahams Fürsprache für Sodom
[11]Gen 32,23-33; Jakobs Kampf am Jabok
[12] Gen 2,7
[13] Apg 2,2-4
[14] Hl. Aurelius Augustinus
[15] Joël 3,1
[16] 1. Kön 19,12
[17] Johann Wolfgang von Goethe