Wir bauen die Gegenwart auf unserer Vergangenheit auf. In den letzten 500 Jahren hat sich eine gesellschaftliche Struktur aufgebaut, die auf einem rassistischen Konzept basiert. Durch diese Strukturen sind wir ALLE rassistisch erzogen worden. Warum das so ist, was die Kirche damit zu tun hat und was wir alle dagegen tun können, das fragt sich auch die Junge Kirche Vorarlberg. Gemeinsam mit Lester Soyza von der Caritas Flüchtlingshilfe will sie diese Fragen beantworten. Lester kennt sich mit der Materie bestens aus. Durch seine Arbeit mit Flüchtlingen und weil er, eine Person of Colour, schon seit 30 Jahren in Vorarlberg lebt ist er ständig mit Rassismus konfrontiert.

Woher kommt Rassismus?

Im 17. Jahrhundert kam der Arzt Francois Bernier auf die Idee, das Konstrukt der „Rasse“ auf den Menschen anzuwenden. In diesem Konzept steht der weiße Mann an der Spitze und die schwarze Frau ganz unten. Dass das nicht biologisch begründet ist, muss man wohl kaum sagen. Zum Beispiel: Die Sklaven Händler waren an sich nicht Rassistisch. Sie wollten nur Gewinn machen, und um gut zu schlafen schoben sie das Rassenkonzept vor. Mit diesem Konzept der „Rassentheorie“ dehumanisierten sie "Black, Indigenous & People of Colour". Die Kirche und die Wissenschaft haben damals dieses Konstrukt in die Gesellschaft getragen. Als gläubiger Christ ist es sehr verletzend zu wissen, welche negative Rolle die Kirche dabei gespielt hat.
Bis heute ist das „Rassendenken“ erhalten geblieben. obwohl jeder weiß, dass es nur „One World and One People“ gibt. Rassen hat nie gegeben. Es ist ein Konstrukt, eine Konzept das wir abbauen müssen.

Wie siehst du als Christ diese Situation?

Ich glaube für uns alle ist es wichtig immer in Dialog, und beim Thema Rassismus kritisch zu sein. Das hat schon Jesus praktiziert, und darauf baut der christliche Glaube auf. Wir müssen uns selber bei der Nase nehmen und uns ständig daran erinnern, dass es keine Rassen gibt. Menschen sind kein Österreicher/innen sie kommen aus Österreich, genaus so wenig gibt es Sri Lank/innen, sie kommen aus Sri Lanka. Wir sind Menschen.  

Über was soll geredet werden?

Wir, Black, Indigenous & People of Colour, müssen viele kleine Mückenstiche ertragen. Zum Beispiel die Aussage „Oh, du sprichst ja Deutsch“, oder die Frage „Woher kommst du ursprünglich?“ ist verletzend. Meine Kinder sind in Österreich geboren und trotzdem bekommen sie täglich anhand dieser Fragen suggeriert, dass sie nicht hierhergehören. Das ist zutiefst verletzend. Oft ist es so, dass jemand der diese Aussagen tätigt, niemanden verletzen will, trotzdem tut es weh. Eine weiße Person wird ja auch nicht ständig damit konfrontiert. Die Lösung? Erinnre dich daran, dass Österreicher/innen sind nicht nur weiß sind. Seit mehren 100 Jahren leben People of Colour in Österreich. Kommunikation aber auch ständiges Hinterfragen der eigenen Worte sind Wege in die richtige Richtung.

Wo wird Rassismus sichtbar?

Vor allem anhand der Flüchtlingsdebatte wird Rassismus sichtbar. Außerdem zeigt dieses Thema wie sich Sprache darauf auswirkt. Es wird in der Politik nicht mehr von Menschen die geflüchtet sind gesprochen, sondern von illegalen Einwanderern.  Hier sehen wir den gleichen Prozess wie im 17. Jahrhundert. Wir dehumanisieren Menschen und machen sie zur einem Objekt, damit können wir mit ihnen machen können was wir wollen. Außerdem ist es sehr Rassistisch, dass wir geflüchteten Menschen in Österreich die Zukunft schwermachen – Stichwort „keine Beschäftigungsmöglichkeit“.

Was können wir alle zu einem fairen Miteinander beitragen?

Wir müssen erkennen, dass unsere profitorientierte Gesellschaft auf Rassismus aufbaut. Wenn jemand Gewinn macht, heißt das immer, dass jemand verliert. Lerne über Lesen, Workshops, auf You Tube alles was du über Rassismus rausfinden kannst. Rassismus-kritisches Wissen ist noch nicht im Mainstream angekommen. Es liegt in deiner Verantwortung. Sprich Rassismus an, wenn du ihn erkennst. Immer. Wir möchten nicht in einer Gesellschaft leben wo Rassismus salonfähig wird. Hör ehrlich zu. Das Wichtigste das du tun kannst ist gut zuzuhören, wenn dir Menschen vom Rande der Gesellschaft ihre Geschichte erzählen. Falle dabei aber nicht in die Verteidigungshaltung, wenn du etwas erfährst, was du nicht hören willst. Dieser christliche Grundgedanke ist der Schlüssel zu einer vorurteilsfreien Welt. Der Kampf gegen Rassismus beginnt beim Hinterfragen des eigenen Privilegs. So beginnen wir eine inklusive Gesellschaft aufzubauen.

Das Gespräch führte Corinna Peter von der Jungen Kirche Vorarlberg.

Was sagt Jugendseelsorger Fabian Jochum dazu?

Jedes Jahr in der Osternacht hören Christinnen und Christen die Geschichte vom Auszug aus Ägypten. Diese Geschichte steht für die zutiefst menschliche Erfahrung von Fremdsein, Aufbrechen, Ankommen und Heimat finden. "Einen Fremden sollst du nicht ausbeuten. Ihr wisst doch, wie es einem Fremden zumute ist; denn ihr selbst seid im Land Ägypten Fremde gewesen", lesen wir im Buch Exodus. Die Christinnen und Christen der ersten Generationen lebten tief aus der befreienden Osterfahrung, die alle Menschen zu Brüdern und Schwestern macht. Die Gläubigen waren "ein Herz und eine Seele" (Apg 4,32), und "alle sind eins in Jesus Christus" (vlg. Gal 3,28). Natürlich hat die konkrete Wirklichkeit der Kirche diesem Ideal oft nicht entsprochen - auch heute nicht. Aber umso mehr ist es jetzt unser Auftrag, uns daran zu erinnern, dass der christliche Glaube jeder Form von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zutiefst widerspricht. Nur so können wir Christinnen und Christen heute ein authentisches Zeugnis der Liebe Gottes für die Welt sein.