Liebe Pfarrfamilie!

Noch habe ich das Bild der Frauen und der Jünger vom Ostermorgen vor Augen. Sie sind von Angst und Furcht ergriffen. Angst haben sie vor dem Kommenden. Ihnen könnte es ergehen wie ihrem Herrn und Meister. So sperren sie sich ein. Von Furcht ergriffen, weil sie vor völlig Unvorstellbarem, vor etwas, was ihr menschliches Denken übersteigt, stehen. Der Gekreuzigte, bestattet in einem Felsengrab und mit einem großen Stein verriegelt, lebt. Ein mühsamer Weg des Verstehens des menschlich nicht Verstehbaren beginnt. Die noch kleine Gemeinde, seine Jünger und Frauen, kommen zusammen. Sie erzählen einander ihre Osterbegegnungen. Sie lesen aus der hl. Schrift, halten miteinander Abendmahl in Erinnerung an Jesu Vermächtnis vor seinem Leiden und Sterben. Tiefer und tiefer wurzelt in ihnen die Überzeugung, dass der Gekreuzigte lebt und mit ihnen unterwegs ist. Dann kommt der Tag, an dem sie mutig, ohne Angst und Furcht, vor die Öffentlichkeit treten und davon Zeugnis ablegen. Ihre Botschaft wirkt wie ein Magnet. Zuhörer werden neugierig und lassen sich taufen. Es entstehen Christengemeinden. Der neue Weg hat begonnen und lässt sich nicht mehr aufhalten. Die Gemeinden sind zunächst wie Großfamilien und treffen sich in den Häusern. Die Wesensmerkmale der Christengemeinden sind das Lesen der hl. Schrift, die Feier des Abendmahls und der Dienst am Nächsten. Der Evangelist Lukas schildert in der Apostelgeschichte das Idealbild der christlichen Gemeinde.

Der Künstler Jürgen Weber hat die christliche Urgemeinde zu Jerusalem auf der Missionspforte bei der Stiftskirche Stuttgart dargestellt. Das Foto ist ein Ausschnitt davon. Im Hintergrund sind die Häuser Jerusalems zu sehen. Im Vordergrund sind die Menschen, die Brot an die Armen verteilen. Die Missionspforte ist der Zugang zum Inneren der Kirche. Hierin versammelt sich die vom Auferstandenen Herrn eingeladene Gemeinde. Der Herr spricht sie an. Er schenkt sich ihnen wie beim letzten Abendmahl ganz und gar. Er gibt ihnen den Auftrag zu lieben, wie er es getan hat. Ermutigt und gestärkt geht sie hinaus zu den Menschen, um ihnen zu dienen. Ich bewundere und bestaune diese österliche Wirkkraft, die weltweit gegenwärtig ist, heute und morgen. Momentan sind keine öffentlichen Gottesdienste möglich. Die Hauskirche wie in der Urgemeinde gewinnt wieder an Bedeutung. Sie gibt die Möglichkeit, im kleinen Kreis miteinander Gottesdienst zu feiern, über den Glauben nachzudenken und ihn auch neu zu entdecken. Genauso wichtig ist, was die Missionspforte darstellt, den Blick zum Anderen hin richten und Liebesdienste machen. Diesbezüglich geschieht momentan sehr, sehr viel. So gesehen ist diese dunkle Krisenzeit auch eine Gnadenzeit. Für all das möchte ich einfach Gott danken. Denn es ist die Kraft der Liebe, die uns geschenkt ist und dies Alles ermöglicht. Ich wünsche, dass wir diese Zeit wie bisher durch gegenseitige Hilfe, mit positiver Einstellung, viel Geduld und gläubiger Haltung meistern.

Pfr. Theo