Gott ist nicht dort wo wir sein möchten. Gott ist dort wo wir sind.

Auf Einladung von Pfarrer Karl Bleiberschnig begaben sich die Mitglieder der Pfarrgemeinderäte aus Nüziders und Bürserberg am 9. November 2019 in die Propstei St. Gerold auf Klausur. Als Referent nahm sich Pater Martin Werlen aus Einsiedeln einen Tag lang Zeit, mit uns darüber nachzudenken, was für die Lebendigkeit einer Pfarre von grundlegender Bedeutung ist.

Pater Martin Werlen war von 2001 bis 2013 Abt des Klosters Einsiedeln und ist ein bekannter Sachbuchautor. Gleich zu Beginn stellte er klar, dass die große Herausforderung für die Pfarren darin besteht, sich der Situation zu stellen, in der sie sich befinden. Oft ist der Blick getrübt:
Denn Gott ist nicht dort, wo wir sein möchten. Gott ist dort, wo wir sind.

Das kommt zum Beispiel im Johannes-Evangelium zum Ausdruck, wo es heißt: Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. Im Urtext steht: … und hat unter uns gezeltet. Gott hat also sein Zelt bei den Menschen aufgeschlagen. Im lateinischen Wort „tabernaculum“ bzw. „Zelt“ wird deutlich: Gottes Gegenwart – „Tabernaculum“ – ist nichts Statisches. (Die Verhüllung des Tabernakels mit Stoff erinnert in der Tat an ein „Zelt“ in dem Christus innewohnt.) Christus wohnt also mitten unter uns, egal wo wir sind. Er ist uns immer näher, als uns bewusst ist. Gott wohnt also unter uns Menschen. Er ist gegenwärtig in dieser Welt. Er ist gegenwärtig auch in einem jeden von uns. Wir alle sind Tempel Gottes und aufgerufen, lebendige Steine zu sein: Pfarre sein als lebendiges Glaubenshaus, in dem die Gegenwart Gottes spürbar ist.

Oft laufen wir weg – vermeintlich auf der Suche nach Gott. Wir laufen weg von der Sinnlosigkeit des Alltages. Die Bibel berichtet viele Geschichten von Menschen, die von Gott davonlaufen. Die Menschen werden aber von Gott immer wieder eingeholt, erlöst. Mit dem schönen Gedicht „Elija“ von Silja Walter tauchten wir in die Geschichte des Propheten Elija ein, um uns darin selbst zu entdecken, um zu lernen, wie wir Gottes Gegenwart erfahren können. Elija ist nur eine von vielen Glaubensgestalten in der Bibel, die uns helfen, das Wort Gottes hören – es zur Nahrung werden lassen. Bibelgeschichten bieten uns viele Antworten. Wir sind aufgerufen zu entdecken, was sie uns zu sagen haben. Dann wissen wir auch, was wir zu sagen haben, wo wir als Propheten gefordert sind.

Für die Diskussion und unsere Wegfindung zu einer lebendigeren Kirche, können wir an eine gute kirchliche Tradition anknüpfen: den synodalen Prozess, der in der Kirche vernachlässigt worden ist. Papst Franziskus hat den synodalen Prozess in den von ihm initiierten Bischofssynoden neu belebt. Zwei Geisteshaltungen sind dabei besonders wichtig:

-        Alles sagen, was einem auf dem Herzen liegt – ohne Angst

-        Mit Demut und Respekt zuhören

Pater Martin Werlen konstatiert unseren Pfarren eine gute Ausgangssituation. Nach den Meldungen über Beispiele für lebendige Kirche in Nüziders und Bürserberg und über die möglichen Schritte in eine lebendigere Pfarre, machte Pater Martin im Zuge der Diskussion deutlich, dass wir auf dem Weg vom statischen zum lebendigen Glauben folgende Fragen beantworten bzw. Grundsätze beachten sollten:

-        Suchen wir Gott wirklich? Gehen wir mit offenen Augen und aufgeschreckten Ohren durchs Leben?

-        Um Gott zu erfahren, muss man in die Tiefe gehen – in die Not hinein – miterleben – mitfühlen – persönlich in die bereichernden biblischen Geschichten einsteigen.

-        Glauben heißt nicht alles unter Kontrolle zu haben.

-        Wir klammern uns oft an alte Erscheinungsformen von Kirche, die es aber nicht immer gab (Kirchenbänke…).

-        Wir befassen uns oft mit Oberflächlichkeiten.

-        Wenn wir uns an den Glauben gewöhnt haben, ist es Unglaube!

-        Es ist gut, dass nicht alles klar ist! Sonst wäre Gott ein Götze!

-        Wir müssen vieles loslassen. Das ist aber nicht das Wichtigste. Wichtiger ist es, zu entdecken, was dem Glauben Nahrung gibt, was uns hilft, Christus als unsere Mitte zu erkennen. Wichtig ist es, Gott nah zu sein – aus seiner Mitte heraus zu leben. Bei den Menschen sein. Leben erfahren. Hören und Ankommen in der Freude der unaussprechlichen Liebe.

-        Viele Pfarren schlafen.

-        Auch wir sind sehr brav (zu brav)! – Es soll sich etwas bewegen. Dazu müssen wir uns für Neues öffnen. Wir sind im Denken noch sehr bei den Pharisäern und Schriftgelehrten.

-        Die wichtigen Leute sind die, die nicht da sind! Wir sollen ihnen keine Vorwürfe zu machen! Wir sind nicht die besseren. Wir können viel von denen lernen, die nicht mehr da sind. Eine große Gefahr besteht darin, sie mit unseren Erwartungen zu konfrontieren.

-        Wo wirkt unsere Kirche für Außenstehende komisch und wir merken es nicht?

-        Wir sind oft so weit weg von den Leuten. (Häufigster Grund für Zugverspätungen sind Suizidereignisse.)

-        Gott ist überall.

-        Wir müssen lernen Glaubensgespräche zu führen, Zeugnis abzulegen. Auf einfache Weise – nicht hoch-theologisch. Konkretes Beispiel, das es umzusetzen gilt: Forum – Pfarrcafe.

-        In der Bergsteigersprache wäre die Eucharistiefeier, die Besteigung des Matterhorns. Wir dürfen die Leute nicht überfordern. Einfacher ist oft besser. Segensfeiern. Aktionen der Stille kommen dem Bedürfnis der heutigen Zeit entgegen. Stille muss aber auch geübt werden. Aufmerksam beobachten, was den Menschen gut tut, was ihnen hilft.

-        Es gibt unterschiedliche Formen Gottesdienst zu feiern. Es braucht mehr Mut zu neuen Formen und Orten. Man kann Neues mit großer Fehlertoleranz einfach ausprobieren.

-        Es muss nicht alles der Pfarrer machen.

-        Musik läuft oft parallel und nicht ganzheitlich mit dem Glauben! Dies ist bei der Planung und Vorbereitung zu beachten.

-        Gott und die Menschen sind der Mittelpunkt.
Achten wir darauf, wo er ist, wo die Menschen sind?