„Biara, Biara“ und der Funka sind in diesem Jahr zwar ausgefallen, dennoch begehen wir auch heuer die Fastenzeit. Weshalb aber sollen wir in diesem Jahr überhaupt fasten, wenn doch unser derzeitiger Alltag ohnedies von Verboten, Einschränkungen, Entbehrungen und Verzicht gekennzeichnet ist? - Gastbeitrag von Gabriel Steiner

Um zu erkennen, weshalb es in solchen Zeiten dennoch angebracht ist zu fasten, hilft es sich zurückzubesinnen, was christliches Fasten überhaupt ist. Worum geht es uns Christen beim Fasten?

Klar ist, dass es dabei nicht um eine Art Selbstkasteiung, um asketische Leistung oder religiöses Wetteifern geht. Auch mit Gewichtsverlust muss christliches Fasten nichts zu tun haben. Schon gar nicht beabsichtigt christliches Fasten eine Minderung der Lebensfreude. Das Fasten möchte uns helfen, alte Abhängigkeiten loszuwerden und frei zu werden im Blick auf Gott hin, dem Urheber aller Freiheit und allen Lebens. Ein Hauptanliegen vom christlichen Fastenverständnis ist, sich von Schlechtem zu distanzieren, also umzukehren, um dabei ein neues, gutes Leben zu bekommen und somit auch die Welt einen besseren Ort werden zu lassen.

Fasten ist im Wesentlichen auch ein Beziehungsgeschehen. Es soll die Beziehung zu mir selber, zu den Menschen in meinem Umfeld und zu Gott bestärken und neu aufleben lassen: Durch den freiwilligen Verzicht lerne ich mich selber kennen und erkenne meine Grenzen. Durch die Vorsätze sind auch meine Nächsten positiv in mein Fasten hineingenommen. In der Umkehr auf diesen beiden Ebenen reift schließlich auch die Beziehung zu Gott.

Die Stärkung der Beziehung zu Gott ist ein weiteres Wesensmerkmal von christlichem Fasten. Fasten soll einen Tiefgang bewirken, hin zu Gott, der das Leben und die Liebe selbst ist. Es gilt in der Fastenzeit eine Achtsamkeit und Empfänglichkeit zu entwickeln, wo und wie mir Gott in jedem Moment begegnen möchte. Dabei kann die Enthaltung von bestimmten Speisen hilfreich sein. Ich denke, dass wir alle die Erfahrung von Überfluss und Übersättigung kennen. Damit gehen häufig auch eine Trägheit, Abstumpfung und Unzufriedenheit einher. Mit Konsum wird versucht, Sehnsüchte und Bedürfnisse schnell zu stillen. Und doch bleibt man dabei unbefriedigt zurück. Dabei dürft ihr mich nicht falsch verstehen. Wohlstand ist keine Sünde. Allerdings ist er auch kein Garant für eine umfassende Lebensqualität, welche den ganzen Menschen als Geschöpf aus Leib, Geist und Seele im Blick hat. Auch in der Zeit von Lockdown und Abstand sind wir vom Überfluss unserer Zeit nicht verschont worden. Nachrichten und Eindrücke prasseln über TV, Internet und Journale auf uns ein und wirklich hungern müssen auch jetzt in Vorarlberg die wenigsten. Daher macht es heute ebenfalls Sinn, sich zurückzunehmen und ein maßvolles Leben einzuüben.

Fastenvorsätze gibt es viele. Nützlich sind jene, die einen herausfordern, aber nicht überfordern. Bei der Wahl kann das eigene Verhalten, der eigene Leib und das eigene geistliche Leben in den Blick genommen werden. So kann die ernsthafte Lektüre eines geistlichen Buches und bewusster Sonntags(radio-)messbesuch genauso ein Fasten sein, wie nicht zu fluchen, das Auto stehen zu lassen oder klassisch auf Fleisch, Süßigkeiten oder Alkohol zu verzichten. Ziel des Fastens ist das Leben und die Freude, welche zu Ostern gefeiert werden. Ziel ist auch eine neue Haltung gegenüber dem, dessen ich mich enthalten habe. Nach dem großen Fasten sollen wir neu wahrnehmen können, wie der Osterschinken, die Schokihasen und ein Leben mit Gott schmeckt.

Das Fasten in der Zeit der Coronapandemie kann auch eine innere wie äußere Solidarisierung mit jenen sein, die noch mehr entbehren müssen. Christliches Fasten geht immer einher mit sozialem Engagement, denn die Umkehr zu Gott lässt die Nächsten niemals außen vor.

Soll 2021 angesichts der Pandemie trotzdem gefastet werden? Ich denke schon! Die derzeitigen gesellschaftlichen, finanziellen und sozialen Umstände sind herausfordernd. Daher ist es nur nützlich, neu im inneren Leben gefestigt zu werden. Besonders in Krisenzeiten tut es gut, in Gott verwurzelt zu sein. Gott vermag es seine Freude und Zuversicht, seinen Frieden und seine Freiheit in jedem Menschen, der sich zu ihm kehrt, aufflammen zu lassen. Sogar wenn dieser Mensch isoliert von anderen leben muss und seine äußerliche Freiheit beschnitten ist.

Gabriel Steiner