Fastenpredigt von Wolfgang Flatz am Sonntag, 01.03.2020

 

 

Grüß Gott, liebe Gläubige!

„Ich glaube, also bin ich“, das ist ein Thema das unerfasslich ist. Glauben Sie aber nicht, dass ich ihnen heute den Glauben erklären werde. Glauben sie nicht, dass ich sie zu besseren Gläubigen machen werde. Glauben sie auch nicht, dass ich ihnen den Glauben erklären kann.

„Ich glaube, also bin ich“

Als ich über das Thema nachzudenken begann, kommt man vom Endlichen ins Unendliche, ins Unfassbare, ins Unübersehbare. Je mehr ich darüber nachgedacht habe, desto mehr bin ich verzweifelt. Verzweifelt an meiner Unfähigkeit und auch an meinem Wissen. Um mir dabei weiterzuhelfen habe ich mich eingelesen in andere kluge Leute, was sie über Glauben gedacht haben, was sie geschrieben haben und was die Quintessenz ihres Denkens ist.

„Ich glaube, also bin ich“

So werde ich das Thema heute anhand von Denkern aus verschiedenen Bereichen mich entlang handeln. Einerseits wo findet Glauben statt in unserer Gesellschaft. In vier wesentlichen Dingen: in der Religion, dort ist der Glaube die Basis und der Sinn des Lebens zu erfragen.
In der Wissenschaft: Die Wissenschaft frägt ganz andere Dinge als der Glauben es tut.
Die Philosophie und als letztes würde ich sagen das Leben. Das Leben, das uns alle bedingt.

Glauben ist so komplex, dass man dafür keine Worte finden kann. Ich glaube, Glauben ist auch nicht durch Worte vermittelbar. Dennoch kommunizieren wir über die Sprache. Wir kommunizieren auch über Denken.

Ich will mit meinem ersten Zitat beginnen. Es ist schon 60 – 70 Jahre gesagt wurde von Albert Schweizer. Was ganz interessant war, dass er zu seiner Zeit anhand des Zitates worüber ich nachgedacht hab, erkannt hat, wie Probleme der Kirche, die es in ihrer Zeit gab, die heute immer noch aktueller sind denn je.

Zitat: „Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht.“ (Albert Schweizer)

Im Grunde genommen hat Albert Schweizer mit dem Satz, wenn man länger darüber nachdenkt, über Form und Inhalt nachgedacht. Und das thematisiert ein alter Gegenstand wie Auto und Garage. Mit Kirche meint er die Form, das ist das Gerüst, die Institution unter der wir wahrscheinlich heute alle nachzudenken und zu überlegen haben. Und andererseits die Garage heißt das Gefäß, der Inhalt, der sich in einer Form ausdrücken wird, darauf kommen wir ein bisschen später noch einmal.

Immanuel Kant, ein großer Philosoph, hat sich natürlich auch zum Glauben und zur Religion geäußert. Er sagte: „Es ist nur eine Religion, aber ist gibt vielerlei Arten den Glauben zu leben.“

Die Geschichte des menschlichen Glaubens sollte uns als Mahnung dienen. Wir haben tausende unserer Mitmenschen umgebracht, weil wir glaubten, dass sie an einen anderen Gott glauben. Unter dieser Maxime und Dogmen, die die Kirche vermittelt hat, haben wir heute noch zu leiden. Wenn wir das komplexer sehen wollen, dann sind die Probleme der heutigen Gläubigen, die Institution und wenn ich auf den Satz zurückgehe, was wir im Namen des Glaubens anderen Menschen mit angetan haben, dann komme ich natürlich auch in der Geschichte, in der Kirchengeschichte auf die Inquisition wir kommen auf das Zölibat, wir kommen auf Homosexualität, die Diskriminierung von Sexualität und Homosexualität an und für sich und zum heutigen aktuellen Thema zur heutigen Identitätsfrage der Kirche, Kinder zu missbrauchen. Das Problem ist nicht, dass es geschehen ist. Die Institution Kirche wird von Menschen geleitet. Menschen machen Fehler. Auch die Kirche macht Fehler, auch das ist kein Problem. Das Problem ist das Dogma der Verleugnung, der Unterdrückung, der Missinterpretation.

„Zu glauben ist schwer. Nichts zu glauben ist unmöglich“, sagt Victor Hugo. „Ich glaube, also bin ich“, Descartes. Den Satz hat nicht Descartes geschrieben, sondern das Original des Satzes von Descartes ist „Ich denke, also bin ich“. Da sind wir bei einem grundsätzlichen Problem. Glauben ist leichter als Denken. Wer glaubt, hinterfragt oft nicht. Glaube ist bedingungslos. Glaube an Gott im speziellen.

 

Beim zweiten Thema das ich angesprochen habe, die Wissenschaft. Die Wissenschaft glaubt nicht, die Wissenschaft findet. „Ich glaube, um zu erkennen“, sagt Anselm Canterbury. Erkennen setzt voraus, dass wir uns mit einer Sache auseinandergesetzt haben. Dass wir auch den Glauben hinterfragen. Glauben heißt nichts wissen. Dazu äußert sich Maria von Ebner Eschenbach „Wer nichts weiß, muss alles glauben“. Die Naturwissenschaften: lange, lange der Feind der Kirche, weil sie zur Aufklärung beigetragen hat und viele der Fragen in Frage gestellt hat, die bis dahin Usus waren, hat auch die Naturwissenschaft immer wieder nachgefragt. Max Planck, einer der bedeutenden Wissenschaftler sagte einmal „Die Naturwissenschaft braucht der Mensch zum Erkennen, die Religion aber braucht er zum Handeln“. Erkennen heißt hinterfragen, heißt Suche nach Wahrheit. Es heißt Suche nach Inhalt. Aber auch ein Wissenschaftler glaubt. Es gäbe keinen Fortschritt, wenn ein Wissenschaftler nicht glauben würde, dass das, was er zu beweisen hat, zu widerlegen versucht in These oder Antithese, dass der Glaube daran richtig denkt, dass er am richtigen Versuch teilnimmt, auch das ist ein Glaube. Der Glaube hat aber zu vielen, vielen uninterpretierten Dingen gefunden. Aber würden wir blind glauben, würden wir heute noch glauben, dass die Erde eine Scheibe ist, dass die Erde sich um die Sonne dreht, das alles verdanken wir der Wissenschaft. Der Glaube, dass alles von Gott geschaffen ist und dass es Naturgesetze gibt, unwidersprochen hinterfragt hat. „Glaube denen, die die Wahrheit suchen und zweifle an denen, die sie gefunden haben“, sagt André Gide. Die Wahrheit, die Wahrheit ist relativ. Die Wahrheit hängt in vielen Dingen von sehr komplexen Zusammenhängen ab. Der Mensch kommt nicht mit dem Glauben auf die Welt. Wir werden geboren ohne Glauben. Also ist Glauben nicht genetisch bedingt ist. Glauben ist etwas, dass wir in unserer Prägung, in unserer Sozialisation mitkriegen. Glauben ist die Basis für unser Leben, weil sie Hoffnung bedeutet. „Glaube dem Leben; es lehrt besser als Redner und Buch“ sagt Johann Wolfgang von Goethe. Das Leben speist uns mit Erfahrung. Unsere Sozialisation, unsere Entwicklung, unser gesellschaftliches Sein, hängt ab von den kulturellen Zusammenhängen, in die wir hineingeboren werden. Für die können wir nichts. Sie sind aber die Basis und das Grundgerüst unserer moralischen und ethischen Verantwortung im Zusammenhang mit unserer Gesellschaft, im Zusammenhang mit unserer Familie und unseren Lieben.

Glauben bedeutet zunächst nichts.

„Glaube offenbart sich im Tun“, sagt Mario Soldati. Wer nicht übersetzt, wovon er in seiner Prägung und unsere Prägung ist abendländisch, christlich, wer davon nicht zehren kann, wird es nicht weit schaffen.

Was ich noch dazu sagen wollte zu „Wer nichts glaubt, verzweifelt an sich selbst“, von Johann Wolfgang von Goethe.
Dazu möchte ich eine kleine Anekdote aus meinem Leben erzählen, die bei mir als Kind den Glauben, weil ich nicht wusste, sehr geprägt hatte. Ich hatte als junger Mann, 9-10, einen Vogel namens Piepsi, einen Kanarienvogel. Ich habe den Vogel abgöttisch geliebt. Der Vogel ist mir überallhin nachgeflogen. Eines Tages ging ich aus der Küche raus, der Piepsi hat versucht mir nachzufliegen auf die Schulter. Als ich bei der Küchentür hinausging hat der Wind die Tür zugeschlagen und hat den Vogel getroffen, so dass der Vogel mit Kopf und Körper zwischen der Tür eingeklemmt war. Als ich das gesehen habe, habe ich mich sofort umgedreht und die Türe aufgemacht. Ich habe den Vogel gleich sterben gesehen. Der Vogel fiel auf den Boden und hat begonnen sich in ihrer eigenen Geschwindigkeit um ihre eigene Achse zu drehen. Es wurde immer schneller, ich wurde immer verzweifelter. Mein Piepsi, mein Piepsi, mein Piepsi stirbt. Das einzige was ich tun konnte, ich habe den Vogel genommen, wieder in seinen Käfig getan, bin in die Kirche gegangen, die direkt in Levis, wo wir aufgewachsen sind, neben unserem Haus war. Bin in die Kirche gegangen und habe gebetet und geheult, habe geweint lieber, lieber Gott, lass bitte meinen Piepsi nicht sterben. Ich weiß nicht, wie lange ich in der Kirche war. Irgendwann waren meine Tränen vorbei und ich ging nach Hause. Der Vogel war im Käfig, saß auf dem Ständchen und zwitscherte. Ich machte den Käfig auf und er flog mir auf die Schulter. Natürlich war ich überzeugt, dass meine Gebete von Gott erhört waren und Gott Piepsi am Leben ließ. Das hat meinen Glauben so lange geprägt, bis ich nicht wusste, dass es anders auch geht. Natürlich habe ich später aufgrund dieses Erlebnisses immer wieder versucht, wenn ich nicht gelernt hatte und die nächste Prüfung anstand, bin ich auch zum Beten gegangen und habe gesagt bitte, bitte lieber Gott, lass mich gute Noten schreiben. Und das hat aber leider nie funktioniert. Da habe ich erkannt, dass Gott nicht bei mir ist, wenn ich um etwas flehe, woran es an mir selber liegt. Ich habe keine guten Noten gekriegt und wusste, dass ich erkennen muss, dass ich lernen muss. Ich möchte zum Ende meiner Predigt, das ist die erste Predigt in meinem Leben, die ich in einer Kirche halte, mit einem Wort, einem Zitat aus dem Markusevangelium beschließen in dem er sagt „Jesus aber sprach zu ihm, alle Dinge sind möglich, dem, der da glaubt“ (Markusevangelium 9,23).

Zum Wort, das zu interpretieren sehr, sehr schwierig ist. Ich habe daraufhin angefangen in der Vorbereitung für die Predigt, meine Freunde zu fragen, glaubst du, woran glaubst du? Bei fasst allen meiner Freunde kam nirgendswo ich glaube an Gott, sie glaubten an Geld, an die Liebe, sie glaubten an die Freundschaft, sie glaubten an Besitz. Aber das Wort „Ich glaube an Gott“ ist bei keinem gefallen. Ich habe später nochmals nachgefragt, glaubst du an Gott? Und da kam bei vielen natürlich glaube ich an Gott. Dann habe ich nachgefragt, was ist Gott, wer ist Gott? Da habe ich keine Antworten mehr gekriegt. Gott ist nicht erklärbar, deswegen glauben wir. Gott ist unfassbar. Der Glaube ist auch im Denken nicht zur Gänze erfassbar. Das war einer der Gründe, warum ich auf den Punkt kam, Glauben heißt nicht wissen. Und da ich ein Nichtwissender bin, da ich weiß, da ich nicht weiß, habe ich beschlossen, weiter zu glauben.

„Ich glaube, also bin ich“. Danke!

Noch ein letztes Wort zum Abschied, wo es auch um Glauben geht von einem, den wir wahrscheinlich alle kennen, der einmal gesagt hat „Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod, obwohl ich ein Paar Unterhosen zum Wechseln mitnehmen werde“ (Woody Allen) Woody Allen war jener, der meinte, er weiß es genauso wenig wie ich, was ist der Glaube? Jeder muss den Glauben für sich definieren.

Ich danke!

 


Hier können sie seine Worte nachhören.

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Bericht Vorarlberg heute 1. März 2020
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