Am 22. August letzten Jahres fand im Dom St. Nikolaus bei beiden Sonntagsgottesdiensten eine Wortgottesfeier anstelle der Eucharistiefeier statt. Grund dafür war die Corona- und Urlaubssituation - es war so kurzfristig kein Priester verfügbar.

Seither ist die Wortgottesfeier auch in der Dompfarre zum Thema geworden. Und sie wird es angesichts der stark rückläufigen Priesterzahlen in der Diözese Feldkirch auch bleiben. Im Jahr 2030 werden den 126 Pfarren des Landes voraussichtlich noch 60 aktive Priester zur Verfügung stehen, drei Viertel davon werden eine leitende Tätigkeit in der Pfarre haben, ein Viertel wird als Kaplan oder Vikar im Einsatz sein. Es entstehen immer größere Seelsorgeeinheiten. Im Jahr 2030 wird es nur noch 6 Einzelpfarren geben, unter anderen die Dompfarre, alle anderen Pfarren werden in Pfarrverbänden und Seelsorgeräumen zusammengeschlossen sein. Im Gegenzug zu den sinkenden Priesterzahlen werden in der Diözese Feldkirch mehr Stellen für Laien geschaffen – vor allem in den Seelsorgeräumen auch in Leitungspositionen. Organisationsleiter*innen, Pastoralleiter*innen oder Gemeindeleiter*innen werden diese neuen Positionen genannt, eine genaue Definition von Aufgabe und Verantwortungsbereich ist an vielen Orten noch am Werden. Es ist ein für alle Beteiligten herausfordernder aber unumgänglicher Prozess.  

Im Personalgefüge der Diözese wird die Dompfarre immer eine Sonderstellung einnehmen. Trotzdem merken wir schon jetzt, dass es bei Abwesenheit des Dompfarrers immer schwieriger wird, Aushilfen für die Sonntagsmesse zu finden. Es lohnt sich also, sich mit dem Thema Wortgottesfeier zu beschäftigen. In erster Linie geschieht dies im Pfarrgemeinderat. Bei den letzten beiden Sitzungen hatten wir uns intensiv mit dem Thema beschäftigt. Drei Themen haben wir dabei besonders in den Blick genommen:

1.    Der Auftrag: Tut dies zu meinem Gedächtnis!
2.    Welche Kraft geht vom Wort Gottes aus?
3.    Was heißt Realpräsenz im Zusammenhang mit dem Wort, der Eucharistie und dem Gemeindeleben?

Diesen drei Themenbereichen werden wir in diesem und in den nächsten 2 Pfarrblättern auf den Grund gehen.

Der Auftrag: Tut dies zu meinem Gedächtnis!
Woran denken sie, wenn sie diese Worte hören? In erster Linie vermutlich an die Eucharistie – und das vollkommen zurecht. Tatsächlich ist die Feier des Abendmahles und der Auftrag Jesu, miteinander das Brot zu teilen, die Grundlage für die Feier der Messe jeden Sonntag. Betrachtet man aber die Abendmahlsberichte der vier Evangelisten genauer, stellt man fest, dass der mit „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ verbundene Auftrag sehr viel größer und umfassender ist, als Sonntag für Sonntag die Kommunion zu empfangen.
Was feiern wir, wenn wir Eucharistie feiern?
Um diese Frage zu beantworten, werfen wir einen Blick in das Wort Gottes (Mt 26, 20-29; Mk 14, 17-25; Lk 22, 14-23; Joh 13, 1-20)
In den Evangelien ist der Wein dem Brot gleichgestellt. Das Brot als Zeichen des Leibes Jesu – seiner konkreten Persönlichkeit mit seinem ganz konkreten Leben und Beziehungsgeflecht. Der Wein als Zeichen des Blutes – das Bezug nimmt auf die Geschichte des Volkes Israel, in die wir eingebunden sind, auf das Blut des Bundes und auf die Praxis des Blutopfers als Zeichen der Versöhnung und Vergebung. Das Blut als endgültige Versöhnung Gottes mit der Welt.
Bevor Jesus allerdings Brot und Wein mit seinen Jüngern teilt, spricht er den Lobpreis und das Dankgebet. Diese beiden Elemente sind wesentliche Bestandteile des Wortes „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. Wir dürfen nicht vergessen, dass Jesus Jude war und mit seinen Freunden ein zutiefst jüdisches Fest gefeiert hat. Eine Besonderheit dieser jüdischen Tradition ist sicher die Fähigkeit, die Erinnerung an das Heilshandeln Gottes am Volk Israel wach zu halten und auf diese Weise auch heute noch mit dem Heilshandeln Gottes zu rechnen. Er hat sein Volk erwählt und er erwählt sein Volk noch heute. Er hat sein Volk aus der Sklaverei befreit und ins Land der Verheißung geführt und er wird wieder befreien und auch uns hinausführen in die Freiheit. Er hat sein Volk beschützt und gerettet und er wird unser Schutz und unsere Rettung sein. Dieses Wachhalten der Heilsgeschichte und dieses auch heute noch für mich persönlich damit rechnen, ist Grund und Inhalt des Dankgebetes und des Lobpreises.
Da Jesus Teil dieser jüdischen Tradition war, sind auch wir in seiner Nachfolge Teil dieser jüdischen Tradition. Was uns von den Juden unterscheidet ist das, was nach dem Abendmahl geschehen ist. Jesus erfährt das Heilshandeln Gottes am eigenen Leib. Am Ende aller Hoffnung erleidet er den tatsächlichen Tod – und erfährt, dass Gott ihn nicht im Stich lässt. Gott rettet auch in dunkelster Nacht, wenn wir hinabgestiegen sind in das Reich des Todes, wenn alles aus ist. Gott kann den Tod in das Leben verwandeln, er hat es getan und er wird es auch an uns wieder tun. Gott hält das Leid nicht von uns fern. Viele erfahren es am eigenen Leib. Aber die Hoffnung, in der wir leben, ist die, dass alles wieder gut werden kann. Dass sich alles verwandeln kann. Wandlung! Ich bringe mein Leben und vertraue es dieser verwandelnden Kraft an. Wir feiern dieses Geheimnis - Wandlung. In meinem Leben – in deinem Leben – im Leben unserer Gemeinde. Es wird wieder gut – ER ist da. Nur mit der Erinnerung an die Exodusgeschichte und an das Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu kann die Eucharistie ihre Bedeutung für unser konkretes Leben entfalten. Nur mit dieser Erinnerung können wir unseren Dank und unser Lob aufrichtig zum Geschehen am Altar beitragen.
Die Fußwaschung,
die Frage nach dem Herrschen und Dienen
und die Rolle des Judas:

Jesus wäscht seinen Jüngern die Füße. Er tut, was zur damaligen Zeit Aufgabe der Sklaven war. Petrus wehrt sich. Er will es nicht zulassen. „Wenn ich dir die Füße nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir“. Das ist vielleicht die größte Herausforderung in der Feier des Abendmahles: Lasse ich zu, dass Jesus mir die Füße wäscht? Lasse ich zu, dass er sich zu mir herabneigt, in mein konkretes Leben, meinen Schmutz sieht. Halte ich ihm meinen Schmutz hin? Lasse ich das Abwaschen dieses Schutzes zu - diesen Liebesdienst? Lasse ich mir ganz in die Karten schauen?
Wie ich an euch getan habe sollt ihr auch an den anderen tun. Wieder ein konkreter Auftrag innerhalb des Wortes „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ - einander dienen. Mitten in das Abendmahl hinein erzählt der Evangelist Johannes auch noch vom Streit unter den Jüngern über das Herrschen und Dienen. Er platziert es an eine zentrale Stelle der Überlieferung. Wer unter euch der Größte sein will soll der Diener aller sein. Jesus ist unser Vorbild.
Und ein letztes Detail aus den Abendmahlsberichten: In allen vier Evangelien sitzt Judas mit am Tisch. Er wird aus der Mahlgemeinschaft nicht ausgeschlossen. Vielleicht weil die Kranken den Arzt brauchen und nicht die Gesunden. Jesus hat es auch beim Mahl mit den Zöllnern schon gesagt. Auch in dieser Frage darf ER unser Vorbild sein.
Gedanken über die Eucharistie, wenn es um die Frage der Wortgottesfeier geht? Thema verfehlt? Keineswegs. Wir haben in den letzten Jahrhunderten und Jahrzehnten eine Konzentration des christlichen Glaubens auf die Eucharistie und die Erfüllung der Sonntagspflicht erlebt, die alle anderen Aspekte der Abendmahlsberichte in den Hintergrund gedrängt hat. Den Lobpreis, das Dankgebet, die Fußwaschung und das einander dienen!
Das 2. Vatikanische Konzil formuliert es so wunderbar: Die Feier der Eucharistie ist für unser christliches Leben zugleich „Quelle und Höhepunkt“. Wovon aber ist die Eucharistiefeier der Höhepunkt, wenn wir unser Christ-Sein auf den Kommunionempfang reduziert haben? Wofür schöpfen wir Kraft aus der Quelle, wenn wir nicht unser christliches Gesendet - Sein in die Welt ernst nehmen? In der Eucharistiefeier verdichtet sich die gesamte Geschichte des Volkes Israel und das Leben, Sterben und Auferstehen Jesu.  Die Geschichte Gottes mit seinem Volk, das Leben Jesu verdichtet sich in der Eucharistie und es hat Relevanz für mein Leben. Weil ich meinen Leib – mein konkretes Leben, mit alle meinen Beziehungen und mein Blut – meine Geschichte und das Bedürfnis nach Vergebung der Wandlung anvertrauen darf. Um verwandelt dann hinauszugehen und gestärkt am Reich Gottes mitzubauen.
Die Erfüllung der Sonntagspflicht – der reine Empfang der Kommunion, kann diese unsere Sendung in die Welt nicht ersetzen. Wir geben weiter, was wir empfangen haben. Wir werden immer mehr zu dem, was wir empfangen.  Schon Paulus betont der Gemeinde in Korinth gegenüber mit Nachdruck, dass die Feier der Eucharistie nicht zulässig ist, wenn in ihr nicht die im konkreten Teilen mit den Ärmsten bezeugte Nächstenliebe aufleuchtet. Mit der Feier der Eucharistie haben wir den Auftrag, eine Zivilisation der Liebe auszurufen und an ihr mitzubauen. „Tut dies zu meinem Gedächtnis“: Jesus wollte keinen starren Ritus weitergeben, keine Pflichterfüllung – er wollte von Anfang an gelebte Liturgie und Liturgie, die unser Leben durchdringt. ER als Vorbild für unser Leben. ER, als der der da ist, im Sakrament der Eucharistie. Aber auch im Wort das wir verkünden. Im Wort Gottes. Dazu mehr in der nächsten Pfarrblatt Ausgabe.
Gebet:
Jesus,
wir feiern dich
und deine Liebe,
die bis zum Äußersten geht,
in unseren Gottesdiensten.

Du aber erwartest von uns
gelebten Gottes-Dienst,
wie du ihn vorgelebt hast:

Dienst am Menschen.

Wir sollen einander lieben,
auch wenn wir schmutzig sind.

Dann erscheint auf dem Grund
dieses Schmutzes
das Wunder
deiner Liebe:
das Antlitz
deines Erbarmens
und deiner Treue.
Amen.

Theo Schmidkonz SJ