ARBEITE FÜR DEN FRIEDEN –  LERNE AUS DER GESCHICHTE

„Denk an die Tage der Vergangenheit, lerne aus den Jahren der Geschichte! Frag deinen Vater, er wird es dir erzählen, frag die Alten, sie werden es dir sagen.“ (Dtn 32,7)

 

Am Seelensonntag, an dem wir aller Opfer von Weltkriegen gedenken, machen wir uns auch bewusst, wie wir eine friedliche und zukunftsfähige Welt schaffen können, in der wir und unsere Kindeskinder gerne leben können. Dabei haben wir die Gelegenheit, wenn wir vor den Gedenkstätten einkehren, am Weltfrieden weiter zu arbeiten, indem wir uns aus dem Hintergrund der Weltkriege mit der Geschichte kritisch auseinandersetzen. Die Pflege der Gedenkstätten befähigt uns, diese als Lernorte der Geschichte wahrzunehmen. Dies gibt den Grund und die Motivation, alles daran zu setzen, dass solche Gräueltaten, die unsere Weltgeschichte verdunkeln, nie wieder passieren.

Die Ergebnisse der letzten Nationalratswahlen in Österreich haben gezeigt, dass der Rechtsextremismus, nicht nur in Österreich und Deutschland, sondern auch im ganzen Abendland im Vormarsch ist: Eine gefährliche Entwicklung! Wir tun uns weiterhin noch schwer, aus der Geschichte zu lernen. 

FriedenstifterInnen und BrückenbauerInnen sind mehr als denn je gefragt! Es ist die Gelegenheit, uns an die Seligpreisung Jesu zurückzuerinnern, die lautet: „Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden“ (Mt 5,9).

Am Seelensonntag muss auch das Augenmerk auf die Opfer der globalen Ungerechtigkeiten und auf die künftigen Generationen gerichtet werden. Denn die menschlichen Gewalttaten wie Terror und Krieg verursachen auch die Gefährdung der Umwelt und setzen das Leben der künftigen Generationen aufs Spiel. In dieser Hinsicht bin ich der Meinung, dass die Friedens- und Gerechtigkeitsbemühungen dreidimensional betrachtet werden sollten: Sie sollen die Gegenwart, die Vergangenheit und die Zukunft einbeziehen. Die Gerechtigkeit bezüglich der Vergangenheit richtet sich auf das „Woher“ ohne das „Wohin“ zu vergessen und gedenkt aller einzelnen Opfer, die an den Folgen der ihnen zugefügten Ungerechtigkeiten ums Leben gekommen sind.  Dabei spielt die Wachhaltung der ‚Erinnerung‘ zur Vermeidung der Wiederholung solcher Gräueltaten eine zentrale Rolle. Es geht auch darum, das Gedächtnis der Opfer zu bewahren und ihrem Lebenskampf gerecht zu werden. Das Gedächtnis der Opfer von Krieg und Ungerechtigkeit hat einen anamnetischen Charakter; das heißt, es muss unser Gedächtnis wachhalten und sich auch auf die Gegenwart und die Zukunft beziehen, damit es seine Relevanz für das heutige und künftige Leben nicht verliert.

Dies ermutigt uns noch Lebenden, uns für die Durchsetzung universalen Friedens einzusetzen, um eine menschen- und umweltgerechte Zukunft zu bereiten. So wird diese anamnetische Kultur zum Heilmittel gegen das Vergessen und zum Protest gegen die Ungerechtigkeit und deren Strukturen, Formen und Folgen. Die gesellschaftspolitische Bedeutung des Gedächtnisses besteht darin, lebensbezogen zu bleiben, um christlich zu sein. Denn eine Trauer, für welche die unabgegoltenen Ansprüche und nie erfüllten Sehnsüchte der ungezählten Toten, ihre Leiden, Schreie und Schmerzen Platz haben, nur eine solche Trauer kann Impuls für eine neue Lebenspraxis sein. Ja, nur eine solche Trauer ist christlich. Sie entspringt dem Gedanken der Gemeinschaft mit den Toten, bringt zugleich Perspektiven radikaler Humanität in die Gemeinschaft der Lebenden und stiftet somit eine menschenwürdige und friedliche Zukunft, wenn wir aus der Geschichte lernen und daraus neue Grundmotivationen für die Zukunft schöpfen. Dazu mahnt uns der Verfasser des Deuteronomiums:

„Jedoch, nimm dich in Acht, achte gut auf dich! Vergiss nicht die Ereignisse, die du mit eigenen Augen gesehen, und die Worte, die du gehört hast. Lass sie dein ganzes Leben lang nicht aus dem Sinn! Präge sie deinen Kindern und Kindeskindern ein“ (Dtn 4,9).

Die Zeiten, wo wir auf unserer Insel sitzen können, sind vorbei. Am Welt- und Zukunftsfrieden muss schon jetzt gearbeitet werden. In dieser Situation werden wir alle zur Verantwortung gezogen und niemand kann sich mehr davonmachen.

 

Euer Bruder Placide Ponzo