Christoph Feuerstein ist Bestatter in der vierten Generation – das gleichnamige Bestattungshaus in Bludenz gehört damit den ältesten im Ländle. Er selbst blickt auf 40 Jahre Berufserfahrung zurück – und einige bedenkenswerte Entwicklungen

Herr Feuerstein, nehmen wir an, es ist jemand gestorben und die Angehörigen wenden sich an Sie:  Was tun Sie?

Christoph FeuersteinDas wichtigste in so einem Moment ist, zum Ausdruck zu bringen, dass man genügend Zeit hat, alle notwendigen Dinge zu regeln, und dass nichts in den nächsten Minuten oder Stunden übers Knie gebrochen werden muss. Wir unterteilen den Bestattungsprozess in zwei Seiten: Es gibt die pragmatische bzw. organisatorische Seite und es gibt die emotionale Seite. Wir nehmen den Angehörigen organisatorisch so viel wie möglich ab, aber nicht alles.

Sie sind als Bestatter also eine Art „Mädchen für vieles“?

In Trauerfragen sind wir tatsächlich einer der ersten Ansprechpartner – bei uns laufen viele Dinge zusammen. Der Bestatter gehört zu den Institutionen, die 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr erreichbar sind – zumindest telefonisch. Wir wissen in unserem Arbeitsgebiet wie, wo, was organisiert ist und wie es vorgesehen ist. Denn es gilt, die Dinge der Reihe nach aufzuarbeiten.

Also ganz pragmatisch: Wer wird wann, wo und wie bestattet…

… gibt es Überlegungen vom Verstorbenen selber? Das ist immer die allererste Frage. Danach beschäftigen wir uns mit den Überlegungen der Familie oder der Angehörigen, und dann kann man eigentlich wirklich erst die Dinge angehen, die zu tun sind. Denn wenn es gut sein soll am Ende des Tages, dann muss es für beide Seiten passen.

Das klingt nach einer Herausforderung…

Das ist es. Kein Todesfall ist gleich – weder der Tag, noch die Stunde, das Umfeld, die Situation. Darum ist es wichtig, die Herausforderung anzunehmen und der Situation einfach Raum zu geben.

Gibt es Dinge, die Menschen, die Menschen besonders häufig nachfragen?

Es gibt viele Fragen, die immer dieselben sind. Ich glaube aber, dass es im menschlichen Leben kaum eine andere Situation gibt, in der auch so vieles aus Scham oder Angst unausgesprochen bleibt wie rund um die Themen Sterben und Tod. Mir ist es ganz wichtig, diese Leerstellen aufzuarbeiten, weil ich meine, dass es auf jede Frage eine gute Antwort gibt, wenn man genau genug hinschaut. Dazu muss man natürlich bereit sein – und man muss auch seine eigene Betriebsstruktur so im Griff haben, dass man in jedem Augenblick das tun kann, was die Angehörigen brauchen und wünschen. Das heißt zum Beispiel auch – und da rede ich jetzt von meinem Unternehmen – dass bei uns jeder Verstorbene so in den Sarg eingebettet ist, dass ich ihn in jedem Moment ohne schlechtes Gewissen öffnen kann. Es gibt nur ganz wenige Situationen, wo das nicht mehr möglich ist, weil der menschliche Körper durch äußere Einwirkungen so entstellt ist – was man den Angehörigen natürlich in entsprechender Art und Weise erklären muss.

Hat sich Ihre Arbeit im Laufe Ihrer Berufslaufbahn verändert?

Ja, eklatant. Es gibt zum Beispiel eine Anspruchshaltung, die noch nie so stark war – wie in vielen anderen Bereichen auch. Das Thema Erreichbarkeit ist ganz wichtig: „Wenn ich den Bestatter doch einmal brauche, dann hat der für mich da zu sein – ganz egal wann und wie!“ Da wird nicht nach einer Uhrzeit oder nach einem Tag gefragt. Früher, in Zeiten des Festnetztelefons war es noch so, dass man es nach ein, zwei oder drei Stunden noch einmal versucht hat, wenn jemand nicht sofort zu erreichen war. Das geht heute überhaupt nicht mehr. Wenn wir gerade ein Gespräch mit Angehörigen führen, nehmen wir aber prinzipiell kein Telefon ab. Es kann dann sein, dass in dieser Stunde zehn oder fünfzehn Anrufe in Abwesenheit auf dem Display stehen – von derselben Person! Und dann ruft man zurück und es heißt: Es hat sich eh schon erledigt.

Hat sich auch verändert wie Bestattungen ablaufen?

Ja, zum Beispiel, wenn es um die Frage Erdbestattung oder Kremation geht: 1998 hatten wir ungefähr fünf Prozent Kremationen in Vorarlberg. Seit Dezember 1998 gibt es das Krematorium in Hohenems und heute sind wir übers Land gesehen bei zwischen 70 und 80 Prozent Einäscherungen – in einigen Gemeinden sogar bei 100 Prozent. Ich rede weder der Erdbestattung noch der Kremation das Wort – es hat beides seine Berechtigung. Nur gehört es auch entsprechend gemacht. Bei der Einäscherung kann es leicht und ohne große Probleme in Richtung einer – in Anführungszeichen – Entsorgung gehen. Weil diese kleine Urne viel leichter irgendwo unterzubringen ist als die Dimension eines Sarges.

Wenn Sie sich es wünschen könnten – wie sähe der Umgang mit den Themen Sterben, Tod und Trauer in der Gesellschaft aus?

Was heute ganz entschieden fehlt, ist das Umfeld der Großfamilie. Früher war der Tod in die Familie und auch in die Gesellschaft integriert. Das war nichts, das man weggeschoben hat – man hat den Verstorbenen in die Mitte genommen. Die globalisierte Gegenwart lässt dem in vielen Situationen keinen Raum mehr. Es ist manches Mal äußerst schwierig, die engste Familie zu einem Termin für eine Trauerfeier zu vereinen. Es war früher sicher auch nicht alles gut und es ist heute nicht alles schlecht, aber das sind Dinge, mit denen wir als Bestatter heute konfrontiert werden.

Kann man also sagen, dass Sie sich wünschen, dass diesem Thema generell wieder mehr Platz eingeräumt wird und mehr Bewusstsein dafür da wäre, dass es zum Leben dazugehört?

Ja, richtig! Sterben ist ein Ritual – und der Vorarlberger als Alemanne, der sich gern als praktikabel und geschickt geriert, hat mitunter das größte Problem damit. Zum Beispiel in Bezug auf Kremation: Der Spruch „Es isch a subere Sach‘“ – der mag schon stimmen. Aber gerade auch dazu gehört ein Ritual. Die Diözese Innsbruck hat unter Bischof Manfred Scheuer eine Rahmenordnung zur Begräbniskultur herausgegeben, wie die Kirche sich den Ablauf rund um eine Einäscherung wünscht: Aufbahrung in der Kirche, Rosenkranz oder Totenwache, Trauergottesdienst mit Verabschiedung, dann Einäscherung und dann Urnenbeisetzung. Bei uns in Vorarlberg ist das überhaupt kein Thema: 95 Prozent der Verstorbenen gehen direkt ins Feuer und der Gottesdienst wird mit der Urne gefeiert. Daraus folgt, dass es eine ordentliche Anzahl von Menschen gibt, die nach zwei Monaten daherkommen und sagen, sie hätten ein Problem: Sie haben sich nicht mehr verabschiedet, sie haben den Verstorbenen in der Endgültigkeit des Sarges und der Dimension nicht mehr realisiert – denn die Einäscherung ist, wenn man die emotionale Seite beiseitelässt, ein rein technischer Vorgang. Und dann muss ich eben glauben, dass in dieser kleinen Urne mein Vater Platz hat. Aber wenn ich am Friedhof mein Grab habe, und wenn ich bei der Beerdigung dabei bin, dann kann ich nach zehn Jahren noch hinzeigen und weiß: Da ist der Sarg oder die Urne bestattet. Diese Rituale, die der Mensch eigentlich braucht, verlieren immer mehr an Bedeutung.

Das klingt jetzt ein wenig ernüchternd? Ist da noch kein Gegentrend in Sicht?

Doch: Die Jugend ist auch im Umgang mit den Themen Tod und Sterben nicht so schlecht, wie immer behauptet wird! Enkelkinder von Verstorbenen haben oft ganz klare Vorstellungen, wie die Bestattung abzulaufen hat. Die bestehen auch darauf, dass sie namentlich in der Todesanzeige erwähnt werden. Die Eltern sagen: „Da schreiben wir ‚mit Familien‘ oder so.“ Das geht gar nicht – und diese Vorstellungen gilt es ernst zu nehmen. Bei der Generation kann man nichts mehr wegdrücken – da muss es klar sein.

Interview: Charlotte Schrimpff