"Wir müssen wesentlich werden!" Mit diesen Worten lässt sich der Einleitungsvortrag von Walter Kardinal Kasper zum Symposion der Mitteleuropäischen Bischöfe umschreiben, das vom 6. bis 9. Juli 2010 im Bildungshaus St. Virgil stattfand und an dem auch Bischof Elmar Fischer teilgenommen hat. Teilnehmer waren Bischöfe und Verantwortliche aus ganz Mitteleuropa - von Belgien bis zur Ukraine.

(Bild rechts: Kardinal Walter Kasper auf einer ökumenischen Reise 2008 nach Liverpool/England. Quelle: Catholic Church (England and Wales) / flickr.com)

Ein Bericht von Hans Rapp

Im Bischofssymposion zu den Initiationssakramenten ging es den Bischöfen um ein vertieftes Verständnis von Taufe, Taufkatechese und Familienkatechese und darum, sich zu ihren brennenden Fragen um diese Themen auszutauschen. Das Symposion wurde inhaltlich durch Prof. Dr. Albert Biesinger in Zusammenarbeit mit weiteren Professoren der Universität Tübingen vorbereitet.

Kardinal Kasper bedauerte in seinem Vortrag, dass wir uns mit vielen Sachen beschäftigten - das Wesentliche aber oft zu kurz komme. "Wir müssen wesentlich werden. Oder mit dem deutschen Theologen Bonhoeffer gesprochen: Wir sind heute auf die Anfänge des Verstehens zurückgeworfen." Das Sakrament der Taufe eignet sich für Kardinal Kasper sehr gut dazu, das Wesentliche des christlichen Glaubens aufzuspüren.

Es sei absolut sicher, so Kasper, dass Jesus selbst sich habe taufen lassen und gegenüber seinen Jüngern den Taufbefehl ausgesprochen habe. Unmittelbar nach dem Pfingstereignis begannen sie zu taufen. "Die Taufe verbindet die getrennten Kirchen, sie ist das ökumenische Band schlechthin. Alle Christinnen und Christen haben sie gemein. Die Taufe ist das Fundament des Christseins, auf dem alles andere beruht. Doch wie fest ist dieses Fundament heute für das Leben der Christen?", fragte Kasper, bis Ende Juni 2010 Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Das Fundament wackle und brösle und mit ihm der ganze Bau der Kirche. Viele Getaufte wüssten nicht mehr, was es heiße, ein getaufter Christ zu sein. "Taufe ist die Besiegelung der Grundentscheidung für das Christsein. Wir taufen aber in vielen Fällen im vollen Bewusstsein, dass wir Taufscheinchristen 'produzieren'. Wir nehmen in der Praxis uns selbst nicht ganz ernst", so der Kardinal. Daher würden uns auch andere nicht ganz ernst nehmen. Das mache die Kirche viel unglaubwürdiger als die Missbrauchsskandale.

 
Die Taufformel - Grundelemente des Christseins

"Die christliche Taufformel beinhaltet das Wesentliche unseres Glaubens." Es sei die Aufgabe der Kirche und der Katechese, den Menschen diese Basis verständlich zu machen. Die Taufe konfrontiere uns nicht nur mit einem allgemeinen Gottesglauben, sondern mit dem spezifisch christlichen Gottesverständnis, so der ehemalige Bischof von Rottenburg-Stuttgart. Dieses sei weder innerhalb des Buddhismus noch im Islam denkbar. Der Koran kenne den Namen Vater für Gott nicht. Die Taufkatechese müsse die Unterscheidung des Christlichen nahe bringen. Der Gott des Christentums habe in Jesus ein konkretes menschliches Gesicht erhalten.

Kardinal Kasper weiter: "Die christliche Botschaft steht und fällt mit dem Glauben an den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Auf den Namen Jesu getauft werden heißt, sich in einer weitgehend orientierungslos gewordenen Welt auf ein konkretes Vorbild einzulassen. Das ist eine Alternative zu dem, was 'man' heute so tut." Sich für die Taufe zu bewerben heiße, JüngerIn Jesu zu werden und Zeuge zu sein. Im Zeichen des Kreuzes verspreche die Taufe daher nicht Wohlstand und Wellness. Denn das Christentum sei keine Wohlfühlreligion, sondern das Zeichen neuen Lebens, eines Lebens in der Hoffnung.

Die heutige Welt sei vom Geist des Positivismus und Materialismus angehaucht, so Walter Kasper. Dieser Geist mache vordergründig frei, faktisch aber unfrei. Dagegen sei der Geist Christi der Geist der Freiheit: "Das Christentum ist keine überfordernde Aufgabe. Der Geist ist der innere Schwung und der Atem des Christseins. Er ist der Beistand, der uns an Christus erinnert und der uns die Zukunft immer neu prophetisch erschließt. Alle nehmen an dem neuen Geist teil und bilden eine neue Gemeinschaft. Er treibt die Kirche auch immer vorwärts zur ständigen Erneuerung."

 
Taufe und Glaube

"Im Neuen Testament geht der Glaube der Taufe voraus. Katechese und Verkündigung führen zur Taufe hin. Da wird eine Erwachsenentaufe vorausgesetzt." Kasper betonte, dass die Säuglingstaufe grundsätzlich nicht schlecht sei. Im Rahmen einer Volkskirche sei das auch sinnvoll und berechtigt gewesen. Die Kinder wuchsen in christlichen Familien und einer christlichen Gesellschaft auf. Das alles könnten wir heute nicht mehr voraussetzen, so Kasper. "Wir stehen in einer neuen missionarischen Situation. Hier müsste die Erwachsenen-Taufkatechese neue Bedeutung erhalten." Das Erwachsenenkatechumenat sei und bleibe in den deutschsprachigen Ländern eine Herausforderung.

Taufkatechese könne aber auch als Tauferinnerung verstanden werden. Dies habe der Apostel Paulus getan. Die große Zahl der Taufscheinchristen/Taufscheinheiden, Eltern oder PatInnen wüssten oft nicht, was sie in der Taufe versprächen. Die Säuglingstaufe müsse mit der Taufkatechese der Eltern und Paten verbunden werden, so der Kardinal. Viele Eltern seien dankbar, wenn sie in der Vorbereitung der Taufe Orientierung erhalten. Besonders die Fasten- und Osterzeit solle eine Zeit der Tauferinnerung und -erneuerung sein. Klassisches Zeichen dafür sei das Weihwasser der Tauferneuerung der Osterzeit. Diese Riten müssten aber auch erklärt werden.

Kardinal Kasper beschrieb die "Folgen" der Taufe: "Die Taufe schenkt auch den Glauben. Die Schrift bezeichnet die Taufe als Erleuchtung." In späterer Zeit sei von dem "eingegossenen Glauben" gesprochen worden. "Diese Dimension ist von existentieller Bedeutung: Das Entscheidende vor und nach der Taufe tun nicht wir. Gott ist es, der wirkt. Wir sollen tun, was wir tun können. Wir können aber den Glauben nicht machen." Der Glauben sei ein Freiheitsgeschehen zwischen Gott und dem Menschen, in das wir uns nicht einmischen dürften. "Wir dürfen gelassen sein. Das ist keine Gleichgültigkeit und kein Fatalismus. Sie ist eine Besonnenheit, die sich nicht immer gleich aus der Fassung bringen lässt. Es ist ein Loslassen von Ich-Bezogenheit und von der Machtmentalität, alles machen zu können oder zu müssen." Kasper beschloss daher seinen Vortrag mit einem Gebet, das diese "aktive Gelassenheit" zum Ausdruck bringe:

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.