Fastenpredigten in Maria Bildstein. Heute, am 5. Fastensonntag - auch Passionssonntag genannt, mit Diakon Lukas Bonner.

Kaum besser trifft es sich, dass die erste Lesung dieses Sonntags in diese frühlingshaften Tage fällt, die wir gerade erleben und wahrscheinlich auch genießen. Aber nicht nur jahreszeitlich, auch in die aktuell sehr schmerzliche Situation unserer Kirchengegenwart sind die Lesungen dieses Sonntags ein theologischer Lösungsansatz. Der Prophet Jesaja verkündet den im babylonischen Exil weilenden Israeliten diese Gewissheit des Neuanfanges und des Aufbruchs. Gott verheißt in die schwere Zeit Israels, dass  kaum Merkliches erstarkt und zur Rettung wird.

Dieses langsame Keimen von Heil, von Heimat und von Erlösung schenkt Gott immer wieder, durch alle Zeiten hindurch und sie ist vollkommen gemacht in der Person Jesu Christi und seiner Botschaft. Auch in diesen schweren Wochen und Tagen, die mit diesen Missbrauchsfällen über uns hereingebrochen sind spricht Gott: „Seht, ich schaffe etwas Neues; schon sprosst es, merkt ihr es nicht?“ (Jes 43,19). Auch in diesen Stunden der Verzweiflung, der Wut und der Ohnmacht über das Geschehene schenkt uns Gott die Gnade des Neuanfangs und eine Zeit des Aufbruchs, bahnt er einen Weg durch die Steppen unserer menschlichen Brüchigkeit. Und vielleicht merken wir es gar nicht, wie zwischen diesen Skandalen und von der Gesellschaft aufgeworfenen Fragwürdigkeit der Institution Kirche ein neuer Frühling aufbricht, ein Ostern in Sicht ist.

Ostern entgegen

Der heutige 5. Fastensonntag wird auch als Passionssonntag bezeichnet. Mit ihm treten wir ein in den inneren Kreis des Leidens Jesu. Und wieder steht über all diesen schmerzlichen Stationen des Keuzwegs Jesu: „Seht, ich schaffe etwas Neues […]“. Wir brechen mit Jesus gemeinsam auf, um nach Jerusalem hinauf zu gehen, wo nächsten Sonntag der feierlicher Einzug und am Karfreitag seine Kreuzigung stattfinden wird. Aber ein Aufbruch braucht ein Ziel und dieses Ziel ist Ostern. Wir gehen Ostern entgegen, der schon erwirkten Erlösung, derer wir uns immer wieder, Jahr für Jahr, bewusst werden müssen und gerade jetzt, wenn Erwachsene ihre schlimmen Kindheitserlebnisse innerhalb kirchlicher Schulen aufzuarbeiten versuchen und Kleriker mit ihrer Vergangenheit konfrontiert werden. Es ist keine Ausrede und keine Flucht vor der Realität, sondern eine theologische Gewissheit: Im Leiden und im Auferstehen Christi sind alle Schmerzen unserer Tage, alles Versagen und alle Demütigung aufgehoben und verwandelt. Das dreimalige Fallen Jesu auf dem Kreuzweg ist ein dreifaches Auffangen jener, die Gewalt erleiden, denen Missbrauch angetan und deren Lebensentfaltung eingeschränkt wird.

Über diesem Passionssonntag 2010 könnte also stehen: „Zeit des Aufbruchs“. Um mit Bildern der ersten Lesung zu sprechen, will Gott in diesem – für uns alle geltenden – Aufbruch Wasserbäche und Ströme aufquellen lassen, damit unser Leben fruchtbar wird. Die Eucharistie ist so ein lebensspendender Fluss, der durch die Geschichte strömt und uns dabei benetzt mit jenem Tau der Ewigkeit, den unsere Seelen brauchen, damit sie sich wie Knospen öffnen, um in der endgültigen Herrlichkeit wirklich aufblühen zu können. Auch die Worte Jesu aus dem heutigen Evangelium sind so eine Quelle, die uns immer wieder in Erinnerung rufen, unser eigenes Leben zu betrachten. Dabei entdecken wir, dass es letztlich wir selbst sind, zu denen Jesus sagt: „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ (Joh 8,11). Und letztlich ist auch Maria so eine Quelle, bei der wir immer einen erfrischenden Schluck aus der Gnadenquelle trinken können, die Gott uns eröffnet hat und die uns hinführen kann zu Christus.

"Von jetzt an"

Mit den Worten des Apostels Paulus aus der zweiten Lesung dürfen wir gerade hier in Bildstein die Gottesmutter bitten: „Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden“ (Phil 3,10).  Wenn wir an die Auferstehung glauben, dann kommen wir an der Karwoche nicht herum. Und wenn wir darauf vertrauen, dass Gott in seiner Kirche Neues schafft – und das ist ihr durch den Pfingstgeist zugesagt – dann dürfen wir die Leiden der gegenwärtigen Zeit durchaus beim Namen nennen und auch darüber wütend sein, aber wir dürfen nicht dabei stehen bleiben, sondern müssen diese Leiden von jenem Liebesstrahl der göttlichen Barmherzigkeit anleuchten lassen, der durch die Auferstehung Jesu in unsere Welt hereinscheint.

Wenn wir heute den Passionssonntag als Zeit des Aufbruchs betrachten, dann ist dieses kleine Wörtchen „jetzt“, das Jesus zur Ehebrecherin sagt, von immenser Bedeutung. Dieses „von jetzt an“ markiert den den Zeitpunkt der Begegnung mit Jesus, es ist der Zeitpunkt des heilenden Zuspruchs des Erlösers, der einen Menschen dazu bringt, seine Sündenketten aufzusprengen und die Schuld in Jesu liebendes Herz zu legen. „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr“ – die Begegnung mit Jesus bewirkt einen Aufbruch in ein anderes, neues, erfülltes Leben. Jesus hat die Taten der Ehebrecherin nicht ignoriert oder gutgeheißen, sein Auftrag an sie ist klar und deutlich: „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr“, d. h. lebe dein Leben so, wie wenn du mir täglich neu begegnest und gestalte dein Leben aus der Kraft dieser Begegnung mit mir. Möge Maria, die Gnadenmutter von Bildstein, uns dazu den nötigen Mut von Gott erbitten. Amen.