Gedanken von Mag. Maria H. Duffner

(Ikone aus der russischen Kirche in Frankfurt/Main, gemalt im 20. Jh)

Ikone PalmsonntagJesus reitet auf einem Eselsfüllen, das seit der Zeit der Propheten als Kennzeichen des Friedensfürsten galt, nach Jersusalem. Hier und jetzt wird Christus jene Ehre erwiesen, die ihm eigentlich zusteht: Er wird als Sohn Davids und damit als der verheißene Messias gepriesen.

Der auf den Cherubim thront und aus Liebe zu uns sich auf ein Füllen setzt und zum freiwilligen Leiden eilt, hört heute der aufjubelnden Kinder, der aufjubelnden Scharen Hosianna. Davids Sohn, eile zu retten, die du gebildet, Jesus, Gepriesener. Denn damit wir deine Herrlichkeit schauen, bist du gekommen.

Wenn man die Evangeliumstexte vor Augen hat, wird man vielleicht beobachten – und sich auch selbst fragen: Wie wird Christus aufgenommen, wie nehme ich ihn auf? Denn – oft genug hat Jesus das in den sogenannten „Endzeitreden“ betont – davon hängt eigentlich alles ab.

Gott, der Herr, ist auch uns erschienen. Wohlan, bereitet ein Fest, und jauchzend laßt uns Christus loben mit Palmen und Zweigen, ihm singen ein Lied: Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn, unseres Retters.

Nicht ganz unabsichtlich sind gerade vorher die „Endzeitreden“ erwähnt worden. Denn Christus thront auf dem Esel – so wie Er sonst als Pantokrator (Weltenherrscher) auch dargestellt ist. In der linken Hand hält Er eine Schriftrolle – die Frohe Botschaft, die Er verkündet hat, die Finger der rechten Hand sind in jener Haltung, die ein Priester der griechischen Tradition ebenso beugt, wenn er segnet. Und die Menschen links und rechts? Von Christus aus gesehen zu seiner Linken ist die palmenschwenkende Bevölkerung Jerusalems, die heute „Hosanna“ und morgen „kreuzige Ihn“ ruft; zu Seiner Rechten aber stehen Seine Apostel, die sich um Treue bemühen, die ihre menschliche Schwäche zeigen, aber dann doch wieder zum Herrn zurückfinden.

Wie immer frägt uns die Ikone: auf welcher Seite stehst du im Moment? Kannst du, willst du vielleicht etwas ändern, damit du auf die rechte Seite kommst? Jetzt, hier und heute kannst du noch etwas ändern. Im Tod ist es nicht mehr möglich.
Hier, jetzt und heute entscheidet sich dein Heil und dein Unheil! Glaube aber nicht, dass der Stand, den du heute hast der endgültige ist. Du musst dich immer wieder von Neuem entscheiden, wohin du gehören willst. Es ist nicht nur möglich, dass du auf die rechte Seite wechselst, es ist genauso möglich, dass du fällst und den Weg zurück nicht mehr findest! In der Leidenswoche wird uns besonders ein Jünger vor Augen gestellt, der sicher ein Typos eines Menschen ist: der sich vom Freund zum Verräter entwickelte und dann alles aufgab. Wo lauern auf uns Gefahren? Aber die Ikone weist ganz deutlich darauf hin, dass auch ein ganz tiefer Fall kein Grund zur Resignation ist. Solange noch ein Funken Leben im Menschen ist, ist der Weg zu Gott nicht verbaut. Und da kommt die Erinnerung an den rechten Schächer: In seiner Todesstunde bat er Christus: „Gedenke meiner, wenn Du in Dein Reich kommst“ – und die Bitte wurde erhört!

Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen. Er ist der Richter der Gedanken und Gesinnungen des Herzens. Niemand möge dahin kommen, den untadeligen Glauben in Gefahr bringend. Nein, in Sanftmut und Furcht lasst Christus uns nahen, damit wir Erbarmen erlangen und Gnade finden zu zeitiger Hilfe!

(Die Texte sind den Gottesdiensten des Palmsonntags entnommen)