Wie Lehrkräfte für den Ethikunterricht ausgebildet werden, erklärt Petra Steinmair-Pösel, Sozialethikerin und Leiterin des Hochschullehrgangs Ethik an der KPH Edith Stein, im Interview.

Die Fragen stellte Charlotte Schrimpff

Der Ethikunterricht für alle Oberstufenschüler/innen war ein Gesetzentwurf der türkis-blauen Koalition, der nicht mehr zur Abstimmung gekommen ist. Was heißt der Wahlausgang für den Lehrgang an der Katholischen Pädagogischen Hochschule (KPH)?
Petra Steinmair-PöselPetra Steinmair-Pösel: Dass es in Zukunft Ethik-Unterricht in der Sekundarstufe II geben soll, wird meiner Wahrnehmung nach von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung geteilt. Im Hintergrund steht das wachsende Bedürfnis nach tragfähigen ethischen Handlungsorientierungen in einer Multioptionsgesellschaft. Schülerinnen und Schüler, die den Religionsunterricht besuchen, setzen sich bereits jetzt mit solchen Themen vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen religiösen Tradition auseinander, denn ethische Fragestellungen sind nicht nur integraler Bestandteil der Ausbildung für Religionspädagoginnen und -pädagogen, sondern auch des Religionsunterrichts. Für Schülerinnen und Schüler ohne religiöses Bekenntnis soll dies nun der mehr philosophisch ausgerichtete Ethik-Unterricht ermöglichen.

Da sollen künftig Fragen der Lebensgestaltung ethisch-philosophisch reflektiert, außerdem „sittliche, religiöse und soziale“ Werte sowie das „Wahre, Gute und Schöne“ vermittelt werden. Ist das nicht ein bisschen viel auf einmal?
Steinmair-Pösel: Ja, das sind natürlich gewichtige Themen. Und ich denke auch, dass der Ethikunterricht allein das nicht leisten kann. Deshalb formuliert das Curriculum, dass der Ethikunterricht hier auf der Basis von Menschenrechten und Bundesverfassung „mitwirkt“. Denn neben dem schulischen Unterricht brauchen junge Menschen auch Gruppen und Gemeinschaften, in denen diese Werte selbstverständlich gelebt und praktiziert werden. Das kann die Jugendfeuerwehr ebenso sein wie eine Umweltschutz-, eine Alpenvereins- oder eine Jugendgruppe mit religiösem Hintergrund.

Ist es nicht paradox, dass eine konfessionelle Hochschule Lehrkräfte für einen überkonfessionellen Unterricht ausbilden soll?
Steinmair-Pösel: Ich finde es interessant, dass diese Frage immer wieder gestellt wird! Dabei bedeutet die kirchliche Trägerschaft unserer Hochschule keineswegs, dass an ihr nur katholische Lehrkräfte ausgebildet würden. Auch Muslime, Buddhistinnen und Atheisten können bei uns studieren und tun das auch. Unsere Ausbildung ist nicht konfessionell, sondern pädagogisch professionell. Dass sie in einem christlichen Menschenbild wurzelt, ist dazu kein Widerspruch, im Gegenteil: In einer religiös und weltanschaulich pluralen Gesellschaft halte ich es für wissenschaftlich seriöser, den eigenen weltanschaulichen Hintergrund explizit zu nennen, als diesen nicht zum Thema zu machen. Denn niemand ist weltanschaulich einfach „neutral“ - wir alle haben unsere Vorannahmen.

Aber spielen die im Ethik-Unterricht nicht eine viel größere Rolle?
Steinmair-Pösel: Lehrkräften, die Mathematik und Physik unterrichten und vielleicht überzeugte Buddhisten, Zeugen Jehovas oder Atheisten sind, traut man anscheinend ohne Weiteres zu, dass sie einen „weltanschaulich neutralen“ Ethikunterricht anbieten könnten. Lehrkräfte, die im christlichen Glauben verwurzelt sind und christliche Religion unterrichten, müssen sich immer wieder rechtfertigen. Dabei sind gerade sie im Regelfall besonders geschult, ihre eigene religiöse Herkunft und ihren Glauben immer wieder kritisch zu hinterfragen und zu reflektieren. Außerdem werden Lehrpersonen, die bei uns den Hochschullehrgang Ethik absolvieren, nach dem gleichen Rahmencurriculum unterrichtet, wie solche, die das an staatlichen Hochschulen tun.

Und wie groß ist das Interesse seitens der Lehrkräfte an der nötigen Weiterbildung?
Steinmair-Pösel: Die Nachfrage im Blick auf den Hochschullehrgang Ethik an der KPH Edith Stein war erfreulich groß. In Tirol haben wir 42 Teilnehmer/innen, in Vorarlberg sind es 17. Der Lehrgang ist übrigens offen für Lehrpersonen aller Fachrichtungen.

Studiert wird berufsbegleitend…
Steinmair-Pösel: Richtig - das Studium ist allerdings durchaus fordernd: Es umfasst über zwei bis drei Jahre verteilt insgesamt 60 ECTS-Anrechnungspunkte, was insgesamt 1500 Echtarbeitsstunden entspricht.

Weitere Artikel aus dem ZEITfenster Nr. 8 "religiös-ethische Bildung" finden Sie hier »

(aus dem ZEITfenster Nr. 8 vom 24. Oktober 2019)