Konfessioneller Religionsunterricht: Stärken und Herausforderungen eines besonderen Pflichtgegenstands an unseren Schulen

In Österreich ist der Religionsunterricht konfessionell organisiert und scheint nach wie vor als zweistündiger Pflichtgegenstand in den Stundentafeln (beinahe) aller Schultypen auf. Grundsätzlich hat sich daran auch durch den im Herbst 2022 eingeführten Pflichtgegenstand Ethik nichts geändert (abgesehen vom begrüßenswerten Umstand, dass Religion nicht mehr mit einer Freistunde konkurrieren muss und auch bei einer Abmeldung ein fachnahes Bildungsangebot für die Schüler:innen greift).

An den Schulen und darüber hinaus gibt es dennoch einen nicht abreißenden Diskurs zu Religion als ordentlichen Unterrichtsgegenstand. Die einen meinen, die Kirche habe nicht das Recht zu bestimmen, welche Lehrkräfte am öffentlichen Ort Schule mit welchen Lehrmitteln unterrichten. Diese Skepsis wird befeuert durch die Vertrauenskrise, in der die (katholische) Kirche sich befindet.  Andere beobachten, dass immer mehr Familien nicht mehr Mitglieder einer Kirche oder Religionsgesellschaft sind und die Zahl der Kinder ohne Bekenntnis zunimmt. Dazu passt auch die Beobachtung, dass Familien mittlerweile immer seltener ein selbstverständlicher Ort der Glaubensvermittlung sind, an den schulischer Religionsunterricht anknüpfen kann. Kann er unter diesen Umständen noch funktionieren?

Diese Frage möchte ich einem Blick auf die Stärken des Faches beantworten, die m.E. Antwort sind, warum sich Bemühungen um den Religionsunterricht nach wie vor lohnen.

  • Schüler:innen schätzen ihren Religionsunterricht (89 % aller katholischen Schüler:innen in Vorarlberg haben ihn im Schuljahr 2021/22 besucht) als einen Ort, an dem sie sich mit den großen Menschheitsfragen nach dem Woher und Wohin auseinandersetzen können. Gerade in Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs und der großen Krisen brauchen Schüler:innen diesen Ort für ihre persönliche Orientierung und  Identitätsentwicklung.
  • Schüler:innen bewerten nicht nur die fachliche Qualifikation ihrer Religionslehrer:innen als wichtig, sondern auch das Wissen um eine Lehrperson mit Bekenntnis, die sie bezüglich gelebter Religiosität befragen und an der sie sich orientieren können.
  • In den Schulen wird das Fach geschätzt, weil es zur Humanisierung der Schulkultur beiträgt, oder, wie es oft zu hören ist, der „Herzensbildung“ dient. Ohne „Reli“ wäre die Schule auch ärmer an sinnstiftenden Feiern zu bestimmten Zeiten und Anlässen und konkreter Hilfe bei Tod und Trauer bzw. in schwierigen Situationen im Schulalltag.
  • Immer deutlicher ist in den letzten Jahren die enorme Bedeutung der Befassung mit anderen Religionen und Weltanschauungen hervorgetreten. Zudem ist interreligiöses Lernen heute ein zentrales Anliegen und Ziel des konfessionellen Religionsunterricht oft auch in Kooperation mit anderen Religionen an den Schulen.
  • Nicht zuletzt trägt das Fach zu einer Allgemeinbildung in einem umfassenden Sinn bei. Unsere Kultur und Geschichte kann ohne unser religiöses Erbe nicht verstanden werden. 

Religionslehrermangel
All diese guten Wirkungen des Religionsunterrichts stehen und fallen mit den Religionslehrer:innen. Derzeit unterrichten in Vorarlberg 603 Lehrpersonen das Fach Religion. Die beachtliche Größe dieser Gruppe soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einen immer drängenderen Bedarf an neuen Lehrkräften gibt, denn viele von ihnen unterrichten – neben ihren sonstigen Fächern – nur wenige Stunden Religion und auch der Altersschnitt gibt Anlass zur Sorge. Der schon erläuterte Begründungsdruck des Faches, die schwierige kirchliche Situation und das selbst durch die Pandemie nicht völlig rehabilitierte Bild des Lehrberufes hinterlassen auch hier ihre Spuren und führen zu einem immer schwerer zu kaschierenden Religionslehrermangel.

Religionslehrer:in werden
Derzeit gibt es in Vorarlberg folgende Wege zum Erwerb einer Lehrbefähigung für katholische Religion:

  • Für die Volksschule: im Rahmen des Lehramtsstudiums Primarstufe kann der Schwerpunkt „Religionspädagogik“ (60 ECTS) an der KPH Edith Stein gewählt werden.
  • Für die Sekundarstufe 1: im Rahmen des Masterstudiums Primarstufe mit zusätzlichen 30 ECTS für Religionspädagogik an der KPH Edith Stein
  • Für alle Schularten: im Rahmen des Bachelor- und Masterstudiums „Katholische Religionspädagogik“ an der katholischen Fakultät der Universität Innsbruck und in Kooperation mit der KPH Edith Stein.

Quereinstieg Religion
Auf Wunsch der Schulämter wird von der KPH Edith Stein derzeit an einem Ausbildungsmodul für Quereinsteiger:innen im  Pflichtschulbereich gearbeitet, da die genannten Ausbildungswege, vor allem im VS-Bereich, den Bedarf nicht abdecken können. Geplant ist ein berufsbegleitendes, 30 ECTS umfassendes Curriculum, das im Herbst 2023 starten soll. Voraussetzungen für die Zulassung sind ein abgeschlossenes Lehramtsstudium oder ein BA-Studium Elementar- oder Sozialpädagogik oder eine dreijährige Berufserfahrung als Kindergartenpädagog:in oder die Reifeprüfung in Kombination mit mehrjähriger Berufserfahrung im pädagogischen Bereich.

Interessent:innen für den „Quereinstieg Religion“ können sich bei der KPH in Feldkirch melden. Es ist zu hoffen, dass dieses Modul den Weg durch die Instanzen besteht und in Anlehnung an den schon praktizierten Quereinstieg für andere Fächer auch vertragsrechtlich attraktiv gestaltet werden kann.

Als Schulamtsleiterin engagiere ich mich aus Überzeugung für den Fortbestand und die Weiterentwicklung des konfessionellen Religionsunterrichts. In einer unübersichtlichen und krisengeschüttelten Welt brauchen Schüler:innen Orte, an denen ihnen vor aller Leistung als Menschen begegnet wird und an dem sie – wie es gute Religionsunterrichtstradition ist – von guten und vertrauensvollen Wegen ins Leben erfahren.

Mag.a Annamaria Ferchl-Blum MAS
Jg 1963, Studium der Theologie und Religionspädagogik, seit 2020 Leiterin des Schulamts der Diözese Feldkirch.