Zur Gestaltung religiöser und ethischer Bildung an Schulen.

Roman A. Siebenrock

Roman A. SiebenrockDer Ruf nach ethischer und religiöser Bildung ist ein klares Zeichen für eine tiefe Not. Worauf können wir uns in Zukunft verlassen, wenn die Lebensformen pluraler und die Krisen noch schärfer werden? Was hält eine Gesellschaft zusammen, fragen wir mit Sorge, weil wir wissen, dass Strafen, Gesetze und wachsender Wohlstand nicht helfen werden. Wir wissen genau, dass dieses geheime Band der Gesellschaft um der Freiheit willen, nicht von einer einzigen Partei, Kirche oder Weltanschauung dominiert werden darf. Wenn der Pluralismus nicht in eine höhere Synthese aufgehoben werden kann, dann gibt es nur einen Weg: den Umgang mit den unterschiedlichen Lebensoptionen so zu gestalten, dass Respekt und Anerkennung, Toleranz und Solidarität in gleichem Maße wachsen. Wie das in der Schule gefördert werden kann, möchte ich hier aus der Sicht eines wirklich katholischen Religionsunterrichts andeuten.

Lebenshaltung.

„Wirklich katholisch“: das ist in Österreich oft noch ganz fremd, weil der lange Schatten Habsburgs dieses Ideal staatskirchlich bis heute vergiftet. Denn katholisch ist keine Konfessionsbezeichnung, die andere ausgrenzt oder ablehnt, sondern eine Lebenshaltung, die sich nicht entgegensetzen muss und daher, spirituell gesprochen, das Wagnis eingeht, alle Geschöpfe mit den liebenden Augen des Schöpfers und Erlösers anzusehen. „Katholisch“ ist ein Experiment der Liebe, die sich im Alltag als Anerkennung, Ermutigung, Respekt, Toleranz und Solidarität verwirklicht. Eine solche Haltung kennt einen Standpunkt, aber weiß, dass Gottes Güte und Vorsehung uns trägt; - aber die anderen auch.

Lernen ermöglichen.

Aus dieser Haltung ist ein Religionsunterricht zu entwickeln, der in Freiheit allen Schüler/innen dient, in dem er in deren Fragen, Ängste und Hoffnung, Lebenspläne und Sorgen die Möglichkeit des Evangeliums und die Lebensgestalt Jesu vorschlägt. Er will nicht indoktrinieren, sondern befähigt und stärkt die jungen Menschen sich über Weltanschauungsfragen selbst ein Urteil zu bilden. In diesem Zusammenhang setzen Lehrer/innen darauf, dass das Evangelium selbst die Herzen der Menschen berührt. Lehrende müssen dann nicht auf alles eine Patentantwort haben, sondern können und sollen mit den Schüler/innen auch das Unverständnis und jene Nacht teilen, in der allein Gott in den Herzen der Menschen geboren werden will. Dann vernehmen sie das Wort Jesu, wir seien „unnütze Knechte“, nicht als Drohung oder Beschimpfung, sondern als Befreiung vom Machbarkeitswahn. Denn wir können nur Lernen ermöglichen, wir können Lernen nie machen. Lernen und sich bilden können Menschen nur sich selbst, frei und aus eigenen Stücken. Deshalb sollte nie versucht werden, in den innersten Dialog des Menschen mit seinem Schöpfer manipulativ einzugreifen. Denn das Gewissen der Menschen muss uns immer heilig sein, d.h. unantastbar.

Hoffnungsvoll.

Aufgrund dieser Haltung können katholische Religionslehrer/innen alle Kolleg/innen unterstützen, die in Ethik und vielen anderen Fächern junge Menschen begleiten. Aber sie haben dann auch den Mut zum Widerspruch, wenn Schule nur auf Wirtschaft und Leistung vorbereiten will und die Pluralität der Gesellschaft dadurch eingeschränkt wird, dass in der Schule eine laizistische Ideologie vertreten wird.

An der Wurzel eines wirklich katholischen Religionsunterrichts lebt also die Hoffnung, dass der Heilige Geist allein unser Tun trägt. Und deshalb lässt es sich eine solche Lehrperson nicht nehmen, für ihre Schüler/innen zu beten. Diese Praktik ist die beste Weise, auch sich selbst vom Machbarkeitswahn zu kurieren.

Zum Autor

Dr. Roman Siebenrock ist Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck.

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(aus dem ZEITfenster Nr. 8 vom 24. Oktober 2019)