Diese Frage stellen sich zu Beginn des Schuljahres all jene Schüler/innen, die in die Oberstufe kommen, religionsmündig sind und die Wahl zwischen ihrem Religionsunterricht oder dem Besuch des Pflichtgegenstandes Ethik haben. Die Frage ist nicht unberechtigt. Die Stimmen, die den Kirchen und Religionsgesellschaften keine Berechtigung für ein ordentliches Unterrichtsfach zugestehen, sind an den Schulen laut.

Der Ruf der katholischen Kirche ist nachhaltig geschädigt durch Skandale und Reformunfähigkeit. Soll die Kirche dennoch bestimmen, welche Lehrkräfte am öffentlichen Ort Schule einen Pflichtgegenstand unterrichten dürfen und welche Lehrmittel dafür geeignet sind? In Zeiten einer großen Vertrauenskrise gegenüber den Kirchen ist es nicht erstaunlich, dass viele diese Frage verneinen. Was würde nun aber anders oder sogar schlechter sein, wenn die Kirchen und Religionsgesellschaften sich aus den Schulen zurückziehen würden? Was würde wirklich fehlen?

Meine Antwort darauf orientiert sich an ein paar Fragen, die Schulverantwortliche, Eltern, aber vor allem Schüler/innen in ihre Überlegungen miteinbeziehen sollten.

  • Wer orientiert Schüler/innen in einer Welt, die nicht – wie viele meinen – frei von Religion ist, sondern in der spirituelle Angebote und auch Ideologien ein völlig unübersichtliches Geflecht an Antworten, aber auch gefährlichen Irreführungen bieten?
  • Kann unsere Kultur und Geschichte verstanden und eingeordnet werden ohne religiöses Wissen, das auch in Bezug zu eigenen Einstellungen gebracht wird?
  • Wo bekommen die großen Menschheitsfragen nach dem Woher und Wohin, die Schüler/innen in ihrer Identitätsfindung umtreiben, einen guten Platz um gestellt und bearbeitet werden zu können?
  • Reicht eine rein religionswissenschaftliche Erörterung oder brauchen Schüler/innen zur Orientierung nicht gerade das Bekenntnis einer Lehrperson, an dem sie sich festhalten oder reiben können?
  • Wer die eigene Religion kennt, kann auch aufgeklärt und tolerant auf andere Religionen zugehen. Brauchen wir nicht gerade diese Qualität für den gesellschaftlichen Frieden?
  • Von der Volksschule bis zum Gymnasium: das Fach Religion steht für „Herzensbildung“. Was würde der Schule fehlen, wenn nicht mehr über Glaube, Zweifel, Mitmenschlichkeit, Verzeihen, Irren, Neuanfangen gesprochen würde und das alles nicht auch in Ritualen, den zahlreichen Schulgottesdiensten, gefeiert werden würde?

All diese besonderen „Skills“ ereignen sich in einem guten und an den Fragen der Schüler/innen orientierten Religionsunterricht. Das Fach ist allerdings auch ein sensibles Laboratorium. Es hat sich immer wieder der Frage zu stellen, wie es seine Stärken gut verwirklichen kann. Das Stigma des beliebigen Plauderfaches braucht als Gegengewicht didaktisch gut aufbereitete Lernprozesse. Zugleich darf das von vielen – gerade wegen seiner Andersheit – geliebte Fach „Reli“ nicht zu einem distanzierten, religionskundlichen Sachunterricht verkommen.

Das ist eine Gratwanderung und macht das Fach anspruchsvoll für die, die es unterrichten und auch für diejenigen, die daran teilnehmen. Sehr oft gelingt dieses Unterfangen trotz aller Herausforderungen sehr gut. Und dann gilt: Reli ist wichtig und kann sich sehen lassen als selbstbewusstes und gut verantwortetes Schulfach.

Religionslehrer/in werden
In Vorarlberg unterrichten 603 Lehrpersonen das Fach Religion. Dennoch herrscht ein drängender Bedarf an neuen Lehrkräften. Viele unterrichten – neben anderen Fächern – nur wenige Stunden Religion und der Altersschnitt gibt Anlass zur Sorge.

  • Für die Volksschule: Im Rahmen des Lehramtsstudiums Primarstufe kann der Schwerpunkt „Religionspädagogik“ (60 ECTS) an der KPH Edith Stein gewählt werden.
  • Für die Sekundarstufe 1: Im Rahmen des Masterstudiums Primarstufe mit zusätzlichen 30 ECTS für Religionspädagogik an der KPH Edith Stein.
  • Für alle Schularten: Im Rahmen des Bachelor- und Masterstudiums „Katholische Religionspädagogik“ an der katholischen Fakultät der Universität Innsbruck und in Kooperation mit der KPH Edith Stein.
  • Quereinstieg Religion: Auf Wunsch der Schulämter wird von der KPH Edith Stein derzeit an einem Ausbildungsmodul für Quereinsteiger/innen im Pflichtschulbereich gearbeitet. Geplant ist ein berufsbegleitendes, 30 ECTS umfassendes Curriculum, das im Herbst 2023 starten soll.