Mit neuer Liebe nach dem Abgrund setzen sich die Dokumentationen "Große Liebe, die Zweite" und "Der einzige Ausweg - Scheidung auf katholisch" in "kreuz und quer" am 19. Mai auseinander.

Einen Themenabend mit zweit Dokumentationen des Wiener Filmemachers Michael Cencig über die zweite Liebe, die zweite Ehe präsentiert Doris Appel in "kreuz und quer" am Dienstag, dem 19. Mai, um 22.30 Uhr in ORF 2. Im ersten Film gehr es um fünf Paarbeziehungen mit Vorgeschichte, im zweiten Scheidung auf katholisch.

"Große Liebe, die Zweite"

Eine Dokumentation von Michael Cenecig

"Die Liebe zu meiner ersten Liebe ist noch immer da", sagt Ulrich Reinthaller, "in der Substanz unverändert und im Ausdruck gewaltig verändert." Der bekannte Schauspieler lebt heute mit der Künstlerin Barbara Pachl-Eberhart zusammen, die ebenfalls bereits einmal verheiratet war. Ihre Ehe wurde jedoch nicht durch Scheidung beendet, sondern durch einen Autounfall, bei dem ihr Mann und ihre beiden Kinder ums Leben kamen:  "Ich trage die Liebe zu meinem Mann in meinem Herzen, ohne den Beigeschmack des Scheiterns. Das ist eine ungeheure Kraftquelle.  Und zur Feier dieser Liebe darf ich jetzt einen anderen Mann in mein Leben lassen. Ja, ich liebe beide Partner, und diese beiden Beziehungen bereichern einander."

Der Film "Große Liebe, die Zweite" von Michael Cencig porträtiert fünf Paarbeziehungen mit Vorgeschichte. In allen Fällen ist es zumindest für einen der Partner die zweite Lebensbeziehung.    Mit Ausnahme von Walter und Gabi, die seit 30 Jahren in erster Ehe verheiratet sind. "Meine erste große Liebe ist Gabi, und sie ist es auch jetzt wieder. Dazwischen gab es für kurze Zeit eine andere große Liebe. Aber die war zu wenig groß", beschreibt Walter in Kurzform eine dreijährige Ehekrise, die ihn am Ende zu seiner Frau zurückgeführt hat.

Wenn heute jede zweite Ehe geschieden wird, dann wird die zweite Lebensbeziehung zu einem zentralen Thema für eine immense Zahl von Menschen. Wie kann es gelingen, den zweiten Versuch erfolgreicher zu gestalten?

"Es klingt etwas schräg, aber wir sind mit einer Paartherapie in die Beziehung gegangen statt aus der Beziehung heraus. Aber wir wollten nicht die Fehler wiederholen, die für das Scheitern unserer früheren Beziehungen verantwortlich waren. Wir wollten die zweite Chance so gut wie möglich nutzen", sagen Nicole und Kerstin, die sich nach jeweils zehnjährigen Partnerschaften mit Männern dafür entschieden haben, als Frauen zusammen zu leben.

Michael und Gabi waren viele Jahre mit ihren ersten Partner verheiratet und haben sich als Geschiedene im Internet kennen gelernt. "Gabi hat mir geschrieben, sie kocht gern. Ich habe geantwortet, ich koche auch gern, aber ich suche keine Köchin. Ich suche niemanden, der mir den Haushalt macht und mir die Hemden bügelt, sondern ich suche eine Partnerin", erzählt Michael. Er hat Gabi gefragt, was sie nicht gerne macht, und ihr angeboten, genau diese Arbeiten zu übernehmen. "Staubsaugen und Fenster putzen - das macht jetzt er", bestätigt Gabi, die durch Michael, wie sie sagt, ihre "innere Zufriedenheit" gefunden hat.

Inwieweit ist es möglich, aus dem Scheitern einer Beziehung für den Neubeginn zu lernen? Denn in der neuen Beziehung hat man es ja mit einem anderen Menschen zu tun - und für ihn mit all seinen Besonderheiten sollte man sich offen halten. Zuviel Vorsicht, Skepsis oder gar Misstrauen - auch wenn es durch bittere Erfahrungen gut begründet erscheint - ist da kontraproduktiv.

Aber sich selbst nimmt man in jede Beziehung mit. Und auch wenn man sich durch eine neue Beziehung wie neu geboren fühlt, gewisse Muster sind tief im Unbewussten verankert und kommen früher oder später wieder zur Wirkung. Selbsterkenntnis ist also angesagt - ob mit oder ohne therapeutische Hilfe, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Diese und andere Fragen werfen die Protagonisten des Dokumentarfilms "Große Liebe / Die Zweite" auf - tiefgründig aber immer wieder auch humorvoll.


"Der einzige Ausweg - Scheidung auf katholisch"

Eine Dokumentation von Michael Cencig

Eine katholisch geschlossene Ehe ist verbindlich - mit dem Jawort schließt das Ehepaar einen Vertrag auf Lebenszeit: "Bis dass der Tod uns scheidet." Katholische Ehen können nicht gelöst werden - aber sie können scheitern. Was dann? Der einzige von der Kirche vorgesehene Ausweg besteht in der Annullierung. Das bedeutet, dass die Ehe als nicht existent erklärt wird, weil sie unter falschen Voraussetzungen geschlossen wurde.

Die Ehe von Klemens F. wurde nach drei Jahren geschieden - und nach einem zweieinhalbjährigen Verfahren annulliert. Seine erste Frau wollte die Annullierung, um erneut kirchlich heiraten zu können. Als Gründe gab sie an: "Verweigerung der Nachkommenschaft". "Das stimmt so nicht", meint Klemens: "Ich wollte immer Kinder. Aber ich wollte sie dann, wenn ich mich reif dazu fühlte, Vater zu werden." Trotzdem widersetzte er sich der Annullierung nicht, die seiner ersten Frau so wichtig war. Als dann aber zusätzlich zur Annullierung auch noch ein kirchliches Eheverbot über ihn verhängt wurde, platzte ihm der Kragen: "Das ist die Amtskirche, mit der ich seit langem große Probleme habe. Die sich als oberste moralische Instanz aufspielt, mit Belohnung und Bestrafung arbeitet und mit dem erhobenen Zeigefinger agiert. Das ist für mich nicht christlich."

Ein gänzlich anderer Fall ist jener von Monika P.: "Ich habe erst durch das Annullierungsverfahren zum Glauben gefunden", sagt sie. Und dieses Verfahren dauerte viele Jahre. Im ersten Anlauf wurde ihr Antrag abgelehnt. Dann suchte sie die Gründe für die Ungültigkeit der Ehe nicht mehr bei ihrem Exmann, sondern bei sich selbst. Ihr gesamtes Umfeld riet ihr davon ab, sich ein zweites Mal dieser Prozedur zu unterziehen. Selbst der Pfarrer ihrer Heimatgemeinde sicherte ihr zu, sie könne bei ihm auch als wiederverheiratete Geschiedene die Kommunion empfangen. Aber Monika P. wollte in einer christlichen Ordnung leben. Ihrem zweiten Antrag auf Annullierung wurde dann stattgegeben, und sie konnte ihren neuen Lebensgefährten kirchlich ehelichen.

Eine spezielle Thematik innerhalb des Themas Eheannullierung bilden Menschen, die im Dienst der Kirche stehen und deren Ehen scheitern: z.B. Kindergärtner/innen, Religionslehrer/innen, Theologinnen und Theologen. Sie fühlen sich oft von ihrem Arbeitgeber gedrängt, ihre Ehe annullieren zu lassen, damit sie weiterhin eine Vorbildwirkung innerhalb ihres Wirkungsbereiches ausüben und ihren Job behalten können.

Ein solcher Fall ist der Grazer Universitätsprofessor Peter Trummer. Weil er ein wiederverheirateter Geschiedener war und seine Professur auf dem Spiel stand, leitete er 20 Jahre nach der Trennung von seiner ersten Frau eine Annullierung ein. 

Als Annullierungsgrund gab er seine eigene Unreife zum Zeitpunkt der Eheschließung an. Er sagt, es sei ein Spiel der politischen Pragmatik, "ein Akt der Verbiegung" gewesen, "der durchaus demütigende Elemente hatte". Die erste Instanz, das Diözesangericht Graz-Seckau, hatte positiv entschieden, die zweite Instanz, Salzburg, entschied ebenso negativ wie die dritte, Wien. Die Tragik sei gewesen, dass der Bescheid über die Ablehnung der Annullierung seine erste Ehefrau nicht mehr erreichte, weil sie an diesem Tag verstarb.

Für Peter Trummer war der Prozess der Eheannullierung gleichzeitig ein Ablösungsprozess von der "Mutter Kirche", wie er sagt. Deshalb hat er sich auch bewusst gegen eine zweite kirchliche Trauung entschieden, obwohl diese jetzt möglich wäre: "Ich lasse mir von Mutter Kirche bei der Wahl meiner Partnerin nicht mehr dreinreden", so Trummer: "Das empfinde ich durchaus als Genugtuung."