Was braucht der Mensch zum Glück? Dem Programmschwerpunkt "Glück im Mai" ist auch "kreuz und quer", präsentiert von Doris Appel, am Dienstag, dem 12. Mai, um 22.30 Uhr gewidmet.

Eröffnet wird der Themenabend mit der Dokumentation "A bissele Glik" von Christian Schüller: Was genau steckt in diesem "bissele Glik", das in jüdischen Liedern, oft zu den rythmischen Klängen der frommen Chassidim, so gerne besungen wird ? Der Film sucht Antworten auf diese Frage bei jüdischen Musikern aus drei Generationen: Beim 87-jährigen Abraham Gendler, der Nazi-Herrschaft und Stalinismus nur dank der jüdischen Musik überlebt hat.  Beim 47-jährigen Roman Grinberg. In der Sowjetunion und Israel aufgewachsen, lebt er jetzt in Wien. Sein einziges Zuhause ist die Klezmermusik, eine andere Heimat  hat er nicht. Und bei Dora Napadensky und Emilia Blufstein, bekannt als ‚Belzer Sisters', die sich in den schlimmsten Momenten ihres Lebens immer wieder mit jiddischen Liedern aufrichten. Und schließlich beim 25-jährigen Georg Demmer, einem erfolgreichen Geschäftsmann, der in seiner Freizeit Musik aus dem osteuropäischen Shtetl zu singen. Danach, um 23.05 Uhr, steht eine Studiodiskussion unter der Leitung von Michael Hofer zum Thema "was braucht der Mensch zum Glück?" auf dem Programm.

"A bissele Glik"

Eine Dokumentation von Christian Schüller

Singen macht glücklich, sagen Wissenschaftler. Dass die melodische Schwingung der Stimmbänder helfen kann, Schmerz und schlimme Erfahrungen zu verarbeiten, das wissen Menschen aus allen Kulturen und Religionen schon seit Jahrhunderten.

"Singen nimmt uns die Angst von der Seele", ist der 87-jährige Arkadij Gendler überzeugt. Er hat durch die Shoah seine gesamte Familie verloren. Und seine Muttersprache Jiddisch war in der Sowjetunion, wo Gendler den Großteil seines Lebens verbracht hat, verboten.  Dennoch hat der Chemieingenieur ein halbes  Jahrhundert lang heimlich unzählige jiddische Lieder gesammelt, aufgeschrieben und vor der Auslöschung gerettet. Lieder, die von Schustern und Tischlern geschrieben wurden, von Verfolgten und Exilanten. Traurige und fröhliche Lieder, in denen es um Liebe und Schmerz geht - und immer wieder ums Glück.

‚Ich kann zwischen der Musik und mir selbst oft nicht unterscheiden', beschreibt Gendler seine Gefühle beim Singen. "Singen heilt die Seele - und den Körper!" Glücklich macht ihn, dass er diese Schätze an die nächste Generation weitergeben kann. "Viele mächtige Völker sind untergegangen. Wir haben überlebt - weil wir gelacht und gesungen haben." - Christian Schüller hat für "kreuz und quer" den Liedersammler, Sänger und Komponisten Arkadij Gendler in der ostukrainischen Stadt Zaporozhye besucht. Sein Film zeigt auch Menschen verschiedener Generationen, die von Gendler lernen wollen.

Der Sänger und Pianist Roman Grinberg stammt - so wie sein Vorbild Gendler - aus der ehemaligen Sowjetrepublik Moldawien. In Wien leitet Grinberg seit fünf Jahren den Jüdischen Chor. Auch dort zählen Gendlers Lieder zum fixen Repertoire. Die Sänger sind ausschließlich Amateure, und,  worauf Roman Grinberg besonderen Wert legt: Viele der Choristen sind keine Juden. "Nur wenn man jeden Menschen, egal woher er kommt, als Menschen sieht, kann man im Leben glücklich werden",  ist Grinberg überzeugt. Eine Weisheit, die man übrigens im Talmud ebenso finden kann wie bei allen großen Philosophen der Antike.

Auch Dora Napadensky singt mit Begeisterung im Wiener Jüdischen Chor. Vor ihrer Emigration nach Österreich war sie Cellistin. Die große Musikkarriere musste sie hinter sich lassen. Heute kocht Dora für Jugendliche in einem Schulbüffet. Ihr Glück findet sie bei ihren Kindern und Enkelkindern.  Und überall dort, wo sie mit anderen Menschen teilen kann. "Nur geben macht glücklich", sagt Dora, "ob das ein Stück Brot ist oder ein Lied."

Emilia Blufstein hat schlimme Zeiten hinter sich. Vor zwei Jahren ist ihr Mann nach schwerer Krankheit gestorben. Das Einzige, was Emilia in dieser Zeit geholfen hat, war Singen. Auch wenn Musik sie derzeit oft zum Weinen bringt. "Glik, du bist gekomen tsu mir, ober a bisl tsu shpet"  (Glück, Du bist zu mir gekommen, aber ein bisschen zu spät) lautet der Refrain ihres Lieblingsliedes. "Immer wenn ich das singe, geht es mir besser", erzählt Emilia.

Georg Demmer gehört schon zu einer anderen Generation von Sängern. Der Jungunternehmer ist im Wohlstand aufgewachsen und kennt die Not, die in vielen jiddischen Liedern beschrieben wird, nur vom Hörensagen. Und doch ist er von dieser Musik fasziniert, besonders von der schnellen Abfolge trauriger und fröhlicher Töne.  Auch der so genannte "Krechz" hat es ihm angetan, jenes urtümliche Geräusch der Klezmermusik, das wie ein Seufzen klingt - ein Seufzen aus Schmerz oder aus Freude. Dieses Seufzen wird den jiddischen Liedern oft mit der Silbe "Oj" ausgedrückt. Ob traurig oder fröhlich gesungen - "oj" hilft. Denn schließlich ist Singen, wie Arkadij Gendler sagt, die beste Therapie.   

"Was braucht der Mensch zum Glück?"

Eine Studiodiskussion unter der Leitung von Michael Hofer

Wenn es um Glück geht, sagte einst Voltaire, benehmen sich die Menschen wie Betrunkene, die nach ihrem Haus suchen: "Sie können es nicht finden, aber sie wissen, dass es existiert." Das Streben nach Glück ist so alt wie die Menschheit selbst. Ebenso alt ist die Frage, was denn gemeint ist, wenn vom Glück die Rede ist. Oft in Verbindung gebracht mit der Sinnerfüllung des Lebens, wird Glück auch beschrieben als günstiger Zufall, als höchstes Ziel allen Tuns und Handelns oder aber schlicht als eine positive Emotion. Wie aber kann der Mensch sein Glück erreichen? Glück - ein purer Zufall? Oder aber kann der einzelne sein Glück beeinflussen?

Darüber diskutieren: der Philosoph Maximilian Forschner, die Soziologin Marianne Gronemeyer, der Philosoph Peter Heintel und der Neurochemiker Alois Saria. Die Diskussion leitet Michael Hofer.