Gedanken zur gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise von Dr. Michael Willam, Leiter des des EhikCenters der Katholischen Kirche Vorarlberg

„Du sollst nicht stehlen“ lautete der Titel beim letzten Gesellschaftspolitischen Stammtisch zur Finanzkrise im Dornbirner Kolpinghaus. Diebstahl ist ein schwerwiegender Vorwurf. Diebstahl ist ein Verbrechen, das immer Opfer und Täter voraussetzt. Während die ohnehin schon ärmeren Menschen als die eigentlichen Opfer der Wirtschaftskrise gelten, stellt sich die Frage, wer schuld ist am großen Crash. Wer sind nun die eigentlichen Täter dieser Finanz- und Wirtschaftsmisere?

Die Schuldigen scheinen schnell gefunden: Etwa der Bänker, welcher seine Kunden überredet hat, vom Sparbuch auf einen Aktienfonds umzusteigen – wegen der höheren Renditen. Oder die Broker an der Wallstreet, welche unverantwortliche Spekulationen getätigt haben. Womöglich auch die Banken in den USA, die Kredite ohne jegliche Sicherheiten und Bonitätskriterien vergeben haben und so eine ganze Gesellschaft „auf Pump“ leben haben lassen.

Prof. Büchele, Sozialethiker aus Innsbruck war als Podiumsgast beim Gesellschaftspolitischen Stammtisch vorsichtig mit Verurteilungen. Er sprach von der Logik der Finanzmärkte, welche entscheidend vom Wachstums- und Profitzwang gekennzeichnet ist. Alle Beteiligten müssten sich diesem Diktat unterwerfen, wenn sie bestehen wollen. Er sprach von einem globalen Finanzsystem, welches durch die fortschreitende Verästelung, Zersplitterung und Verschleierung von Risiken für alle Beteiligten völlig undurchschaubar und unberechenbar geworden ist. Und er sprach von der Notwendigkeit einer „Global Governance“.

Global Governance meint nichts anderes als eine Weltordnungspolitik, also eine Bezeichnung für internationale Politik, bei der kooperative Entscheidungen dezentral auf freiwilliger Basis ohne bestimmende Regierung oder Obrigkeit getroffen werden. Ziel dieser multilateralen Politik ist das Lösen globaler Probleme auf Basis eines gemeinsamen Konsens zwischen nationalstaatlichen Organen und unabhängigen Organisationen. Pater Büchele warnte davor, die Krise durch moralische Appelle lösen zu wollen. „Durch Moralisieren erreichen wir in der Logik des derzeitigen Systems rein gar nichts“, so Büchele. Vielmehr müssten die Rahmenbedingungen, unter denen das derzeitige globale Wirtschafts- und Finanzsystem leidet, z.B. jene der kurzfristigen Profitmaximierung, durch globale politische Leitplanken von innen heraus verändert werden.

Es braucht einen ökosozialen Umbau im großen Stil und kein einzelstaatliches Flickwerk für ein dem Untergang geweihtes System. Die milliardenschweren Stützzahlungen an unsere Banken lassen nichts erkennen von einer Bewusstseinsveränderung. Im Gegenteil: ohne, dass irgendwelche Auflagen sozialer oder ökologischer Art damit verbunden wären, ohne dass Managergehälter eine längst fällige Obergrenze einhalten müssten, werden Steuergelder in die Erhaltung des gegenwärtigen Finanzsystems gepumpt.

Was es bräuchte wären hingegen Kriterien sozialer Gerechtigkeit, Maßnahmen zur Förderung ökologischer Investitionen in die Zukunft etwa im Bereich der erneuerbaren Energien durch gezielte Besteuerungen von Finanztransaktionen. Es bräuchte eine transnationale Instanz, welche die Richtlinien vorgibt und eine Kontrollfunktion ausübt, um den Missbrauch des Systems so gut es geht einzudämmen.

Als Christen sind wir in besonderem Maße dazu aufgerufen, für ein Mehr an Gerechtigkeit, sozialen Frieden und den Erhalt von Gottes Schöpfung einzutreten. Auch im Bereich der Geldanlage lassen sich dabei Akzente setzen. Es gibt Banken wie etwa die „Steyler Bank“ oder auch „Schellhammer-Schattera“, welche ihr Kapital ausschließlich für ethisch einwandfreie Investitionen verwenden. Auf diese Weise kann, auch wenn die Renditen niedriger sind, ein kleiner Beitrag geleistet werden zu einer bitter nötigen Veränderung globaler Wirtschaftslogik: Weg von der Logik des schnellen Geldes – hin zur Logik der Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit als zukunftsträchtige Grundlage menschlichen Wirtschaftens.