Dr. Klaus Heidegger, Vorsitzender der Kommission für Sicherheit und Abrüstung im Rahmen von PAX CHRISTI ÖSTERREICH äußert sich in einer ausführlichen, brieflichen Stellungnahme zur Situation in Lybien. Heidegger liefert eine engagierte Analyse der Motive und Positionen der involvierten "Player" und entfaltet eine klare gewaltfrei orientierte und friedenspolitisch begründete Perspektive. Gleichzeitig ist sein Brief auch ein Aufruf an alle friedensbewegten Menschen und ihre Organisationen für ein weltweites und vernehmbares: "Stopp dem Krieg".

Es ist kein Frühling in Sicht....

Noch nie wurde in der Geschichte der EU so deutlich, was im EU-Jargon schon lange als „Koalition der Willigen“ bezeichnet wurde. Wenn die militärisch am meisten hochgerüsteten Staaten der EU – Frankreich, Großbritannien und Italien – zu Militärschlägen bereit sind, dann schlagen sie im Bunde mit der NATO los, auch wenn es dafür in den EU-Gremien keine Mehrheit gibt. (...)
Ein Krieg gegen Libyen wird unzählige Menschenleben fordern. Die Militärs nehmen dies als „Kollateralschäden“ in Kauf. In einem Bürgerkrieg würden nochmals mehr Menschen sterben – unvergleichlich gegenüber der Zahl jener Menschen, die von den Gaddafi-Treuen umgebracht wurden. (...)
Welche Ziele verfolgen die französischen Mirage, die britischen Eurofighter, die US-amerikanischen Marschflugkörper, Kriegsschiffe und Unterseeboote? Wieder – wie im Falle Irak und Afghanistan – muss der Vorwand einer „humanitären Intervention“ herhalten, um die primären Wirtschaftsinteressen des Westens zu verschleiern. Warum wird in nicht im Jemen oder in anderen Staaten interveniert? Warum keine Interventionen zur Befreiung des tibetischen Volkes von der chinesischen Fremdherrschaft oder Palästinas angesichts systematischer jahrzehntelanger Menschenrechtsverletzungen?(...)
Was ist schief gelaufen am Aufstand in Libyen ?
Aus der Perspektive der Gewaltfreiheit fällt auf, wie von Beginn an – anders als in Tunesien oder Ägypten und in den gewaltfreien Aufständen anderswo in der Welt – die Aufständischen auch zu Mitteln der Gewalt gegriffen haben. (...)
Die USA und Frankreich – und vielleicht wird Wikileaks noch aufdecken, wie die Geheimdienste wirklich arbeiteten – haben in den letzten Wochen den Aufständischen signalisiert, dass sie die Rebellen auch militärisch unterstützen würden, was mehr und mehr zu einer militärischen Win-Lose-Situation führte. (...)
Aus friedenspolitischer Sicht ist es gefährlich, wenn eines der Grundprinzipien der Weltgemeinschaft, die Souveränität eines Landes zu achten, durch den Beschluss des UN-Sicherheitsrates, eine Flugverbotszone einzurichten – was einem Kriegsbeschluss gleichkam – missachtet wurde. Der UN-Sicherheitsrat hat ein weiteres Mal deutlich gemacht, dass er seinem Anspruch als Bewahrer des Friedens und des zivilisierten Zusammenlebens auf der Welt in der jetzigen Konstellation nicht mehr gerecht wird. (...)
Was sagt die katholische Kirche zum militärischen Eingreifen des Westens? Papst Johannes Paul II. hatte sich in den 90er-Jahren gegen die Militärschläge des Westens auf den Irak ausgesprochen. (...) Der „Katechismus der Katholischen Kirche“, der unter der Federführung des heutigen Papstes Benedikt XVI. entstand, führt allerdings klare Kriterien für einen so genannten „gerechten Krieg“ an. Ein Volk dürfe sich „in Notwehr militärisch verteidigen“, falls ansonsten der Schaden für die Nation oder die Völkergemeinschaft „schwerwiegend und von Dauer“ wäre. „Alle anderen Mittel, dem Schaden ein Ende zu machen, müssen sich als undurchführbar oder wirkungslos erwiesen haben. Es muss ernsthafte Aussicht auf Erfolg bestehen.“ Und „der Gebrauch von Waffen darf nicht Schäden und Wirren mit sich bringen, die schlimmer sind als das zu beseitigende Übel“. (KKK, 2309)
Mit militärischen Kampfhandlungen kann kein Frieden geschaffen werden. Die erste Forderung lautet: Zurück an die Verhandlungstische! Stopp den Kampfhandlungen.- Weltweit fordern friedensbewegte Menschen und ihre Organisationen: Nein zu jedem Krieg! Kein Krieg gegen Libyen. Österreich muss in den internationalen Organisationen – insbesondere den Vereinten Nationen und der EU – klar gegen eine kriegerische Politik auftreten. Weltweit fordern friedensbewegte Menschen – nicht erst in den letzten Monaten – Solidarität mit dem ganzen Volk von Libyen, das unter dem Gaddafi-Regime leidet und das jetzt durch die militärische Intervention der westlichen Militärmächte in eine Bürgerkriegssituation getrieben wird. <

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