Oswaldo Paya (60) - einer der aktivsten und international bekanntesten kubanischen Dissidenten - ist am 22. Juli 2012 bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Sein Leben widmete der Familienvater dem gewaltfreien Kampf gegen das kubanische System und für Demokratie und Menschenrechte. Die Kraft dafür schöpfte er - wie er selber stets betonte - aus seinem katholischen Glauben. Er machte auch keinen Hehl aus den Spannungen mit der katholischen Hierarchie der Inselkirche.

paya TotenehrungDer kubanische Dissident Oswaldo Paya (60) kam am Sonntag, 22. Juli bei einem Autounfall ums Leben. Die nach wie vor ungeklärten Umstände des Unfalls, lassen die Medien von einem "mysteriösen Tod" des tief gläubigen, feurigen Katholiken sprechen, der - wie er selber immer wieder betonte - die Kraft für seinen Kampf um Menschenrechte und Demokratie in Kuba aus dem Glauben schöpfte. Kuba hat mit Oswaldo Paya einen seiner aktivsten Dissidenten verloren. Er hat sein Leben vorbehaltlos dem gewaltfreien Kampf gegen das kubanische System gewidmet. Sein Glaube habe ihm die Kraft zum gewaltfreien Widerstand gegen das Castro-Regime gegeben, betonte er zeitlebens, und er machte auch keinen Hehl daraus, dass es Spannungen mit der katholischen Hierarchie der Insel gab.

Geboren 1952 in einer katholisch praktizierenden Familie in Havanna, war er seit seit den Tagen seiner Kindheit Opfer von Diskriminierungen wegen seines katholischen Glaubens, den er offen bekannte und aus dem heraus er bedingungslos gegen den Kommunismus Position bezog. "Als ich meinen Militärdienst machte, hatte ich die Invasion der Tschechoslowakei durch die Sowjetunion im Jahr 1968 kritisiert und wurde dafür drei Jahr in ein Arbeitslager gezwungen, in einen Steinbruch im Gebirge und dann in die Zuckerrohrfelder" erzählte er der französischen Zeitung LA CROIX im Jahr 2010. Eine Erfahrung, die ihn zutiefst prägte aber nicht zum Schweigen brachte: Er lehnte sich gegen die unhaltbaren Arbeitsbedingungen auf, nämlich unter Zwang von morgens um 3 Uhr bis 21 Uhr täglich zu arbeiten.

Nach der Zeit im Lager nahm er wieder sein Ingenieurstudium (Telekommunikation) in Havanna auf, verfolgte aber auch ein Projekt, zu dem ihm im Straflager die Idee gekommen war: 1988 gründete er mit einer kleinen Gruppe katholischer und protestantischen Freunden und anderen Laien eine christlich-demokratisch orientierte Bewegung - Movimiento Cristiano Liberación (MCL) - mit dem Ziel, den Kommunismus - er betrachtete ihn als ein "perverses System der Vergewaltigung des Subjektes" - mit gewaltfreien Mitteln zu bekämpfen. 

Ein Leben für den nationalen Dialog zwischen des Kubanern. Wie ein roter Faden zieht sich das Bemühen um einen Dialog zwischen den Menschen Kubas - die Politiker an der Macht inbegriffen - durch sein Leben. Es ging ihm dabei um den Dialog als gewaltfreien Übergang zur Demokratie. Die Rolle als Führer dieser Bewegung war es ihm wert, sich der ständigen Beobachtung durch die politischen Autoritäten Kubas auszusetzen. 2010 berichtete er von einem im ehelichen Schlafzimmer seines Hauses versteckten Mikrophon.

paya oswaldo & Johannes paul II.1988 lancierte er das "Projekt: Varela" (der Name des kubanischen Priesterphilosophen Felix Varela stand Pate). Es war eine der wichtigsten Initiativen des kubanischen Dissidenten. In einer Petition wurden das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht Privatunternehmen zu gründen und eine Amnestie für politische Gefangene gefordert und brachte es auf 10.000 Unterschriften. Das kubanische Recht sieht vor, dass jede Petition, die diese Anzahl von Unterschriften erreicht, muss in Form eines Rechtsvorschlages im Parlament diskutiert werden. 2002 kam der formulierte Rechtsvorschlag ins Parlament. Aber die Abgeordneten verwarfen ihn, nachdem George Bush in einer Rede die Zerstörung des sozialistischen Systems auf der Insel gefordert hatte und mehr als 8 Millionen Kubaner eine Erklärung unterzeichneten, in der der sozialistische Charakter der kubanischen Revolution als "unantastbar" qualifiziert worden war. 
Das Projekt Varela verstärkte seine internationale Bekanntheit. Dadurch war Paya auch vor dem Gefängnis sicher. Im März 2003 sind 75 Journalisten und Schriftsteller, Mitglieder der CFB und Unterzeichner des "Projekt: Varela" angeklagt worden, weil sie - von den Vereinigten Staaten unterstützt - gegen die Interessen Kubas gehandelt hätten. Trotz seiner sehr aktiven Rolle in diesen Vorgängen, blieb Oswaldo Paya verschont. 

Der "Sacharow-Preis" für geistige Freiheit im Jahr 2002.  Das Jahr zuvor hatte ihm das Europäische Parlament den Sacharow-Preis für geistige Freiheit zugesprochen, besonders für seine Bemühungen um einen gewaltfreien Übergang zur Demokratie in Kuba, die er trotz Druck und Widerstand des Castro-Regimes nie aufgegeben hatte.
2010 - im Gespräch mit  LA CROIX - nahm er darauf Bezug: "Die Genehmigung zum Verlassen Kubas habe ich erst am Vorabend der Preisverleihung bekommen."
Im Halbrund des Strassburger Europazentrums demaskierte er in seiner Dankansprache die romantischen Vorstellungen linker Kreise im Westen. Daniel Cohn-Benidit sah sich direkt angesprochen: "Während Ihre Generation im Mai 68 auf die Barrikaden ging und Revolution machte, mit den Köpfen von Che (Guevara) und Fidel Castro auf den T-Shirts, haben wir in den Steinbrüchen der Lager der Revolution geschuftet."

Der stets politisch aktive christliche Dissident lancierte im Oktober 2010 neuerlich eine Petition, die er "Heredia" nannte, nach dem in Kuba geborenen Dichter José Maria de Heredia. Wie schon im Varela-Projekt, stand im Zentrum der Forderungen eine konstitutionelle Revision, um über die Legislative den Kubanern zu den ihnen vorenthaltenen Rechten zu verhelfen. Und im Jahr darauf, 2011, hat der Vater dreier Kinder gemeinsam mit anderen Dissidenten den "Weg des Volkes"  vorgeschlagen, eine politische Plattform als Projekt des Übergangs zur Demokratie in seiner Heimat.

Seit dem 22. Juli 2012 nehmen unterstützende Reaktionen für  seine Familie und seine Freunde zu. Ein anderer Kubaner, Mitglied der MCL, ist auch bei einem Unfall umgekommen. Zwei Mitfahrende sind mit leichten Blessuren davongekommen. Es handelt sich nach spanischen Pressemeldungen um den Spanier Angel Carromero Barrios - Mitglied der konservativen Bewegung der Jugend Volkspartei (Partido Popular)  und den Schweden Jens Aron Modi, seines Zeichens Chef der der schwedischen Liga der christlich-demokratischen Jugend. Ihre Zeugenaussagen, so wird erwartet, werden die näheren Umstände des Unfalls erhellen. Einige Zeugen sagen aus, das der Wagen Playas von einem anderen Fahrzeug von hinten angefahren worden sei, während andere Quellen meinen, dass der Fahrer die Kontrolle über das Auto verloren habe. 

Léonor Lumineau, in: LA CROIX, 23. 7. 2012. 

Übersetzung und Bearbeitung: Walter Buder. 
Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion La Croix).