Die Hochzeit des Jahres, das "JA" des Jahrhunderts gegeben von der schönen, bürgerlichen Kate und dem königlichen Prinzen William, verdient einen Blick hinter die Fassaden der stundenlangen Medienandachten und unter die Uniformen der entscheidenden Rollenträger. Dort ist die bittere Essenz des Ereignisses im Form der "massenhaften Militarisierung des kollektiven Bewußtseins" ebenso zu vermerken wie jene Fakten zu registrieren, die - hinter dem "schönen Schein" leicht allzu leicht übersehende - kriegerische Gewalt, die zur politischen Realität nicht nur Englands gehört. Eine Betrachtung von Klaus Heidegger.

Abermillionen ergötzten sich über die Fernsehschirme oder live am königlichen und nur vordergründig unpolitischen Treiben zwischen Buckingham Palace und der Westminster Abbey, wo sich Kate und William das „Jawort des Jahres“ gaben. „I will“ sprachen sie, „I will“ sprach David Cameron vor einem Monat und 10 Tagen und gab den Befehl, dass britische Tornados Seite an Seite mit den französischen Mirage Ziele in Libyen ins Visier der tödlichen Luft-Boden-Raketen nehmen sollten. Der blutige Bürgerkrieg wurde entfacht. 30.000 Tote, die x-fache Summe an Verstümmelten, zerstörte Städte und Dörfer nach 40 Kriegstagen. „I will“ hatte der militärische Prinz vor nicht allzu langer Zeit gesprochen, als er die britischen Truppen medienwirksam in den Afghanistaneinsatz begleitete. Stolz prangte an seiner Heldenbrust während der hochzeitlichen Feierlichkeiten eine Verdienstmedaille aus diesem Kriegseinsatz.

Eigentlich wäre der Medienhype um die Hochzeit des möglichen englischen Thronfolgers und die damit einhergehende massenhafte Militarisierung des kollektiven Bewusstseins am Beispiel der „Royal Wedding“ leicht zu durchschauen. Nach dem „Ereignis des Jahres“, dem zarten Kuss, flogen wie zur Bestätigung Kampfflugzeuge der Royal Air Force in Formation über dem Paar und der ekstatischen Masse. Der Colonel William stand in Militäruniform Händchen winkend da und strahlte. Da war kein Blutfleck auf seinen blendend weißen Handschuhen. Blutbefleckt sind die Handschuhe der Ärzte in den Spitälern von Libyen. Der Prinzensohn setzte bewusst auf ein militärisches Äußeres, wurde er doch in allen drei Bereichen der britischen Kriegsmaschine ausgebildet. Sein Herz, so meinte er kürzlich, sei bei der Armee. Ob Kate da nicht eifersüchtig sein müsste? Jedenfalls möchte er – genauso wie sein kriegserprobter Bruder Harry – möglichst schnell zu einem Kampfeinsatz nach Afghanistan abkommandiert werden. Oftmals hatte HRH William bedauert, aus Sicherheitsgründen noch nie in erster Front kämpfen zu können. Hat er während der Hochzeit an die 364 Kameraden aus den britschen Streitkräften gedacht, die seit den ersten Tagen von „Enduring Freedom“ auf den Schlachtfeldern von Afghanistan getötet worden sind?

Kenner der Szene interpretierten seine Uniform bei der Hochzeit als bewusste Ehrung des Ersten Bataillons, das gegenwärtig in einer afghanischen Provinz im Einsatz ist. Gegenwärtig fungiert Leutnant William als Hubschrauberpilot der RAF. Seine Kollegen hätten ihn lieber in der RAF-Uniform gesehen als in dem traditionellen Outfit der Irisch Guards, auf dem das RAF-Signet nicht fehlen durfte. Das Protokoll sieht es vor, dass der Prinz in der Uniform jenes Teils der Streitkräfte heiraten muss, in der er den höchsten militärischen Rang bekleidet. Hier ist er Oberst, dort ist er Leutnant. Freilich hat er, so könnte noch positiv gesehen werden, auf das Tragen eines Schwertes verzichtet. Dieses Kampfutensil wurde durch eine als Schwert stilisierte Schärpe ersetzt. Angepasst an die heutige Zeit wäre eine stilisierte Trident-Rakete mit einem atomaren Sprengkopf angepasster gewesen. Auch die anderen männlichen Royals sparten nicht an militärischem Glanz. Prinz Charles in der Admiralsuniform der Marine, sein brüderlicher Trauzeuge in der Uniform eines Infanterieregements. Die militärische Trias war komplett. Die Royal Marine ist gegenwärtig im Besitz von vier nuklearen Unterseebooten, von denen jederzeit Atomwaffen abgefeuert werden könnten. Jedes dieser Unterseeboote hat zumindest 48 Trident-Atomsprengköpfe, die wiederum mit 100.000 Tonnen Sprengkraft die 8x48-fache Sprengkraft der Atombombe von Hiroshima haben. Dies sind Fakten, die die Weltöffentlichkeit mehr bewegen sollten, als die Frage, wer das Hochzeitskleid von Kate geschneidert hatte.

Aus christlicher Sicht ist tragisch – oder vielmehr blasphemisch, wie sehr die offizielle Kirche Englands diesem ganzen Treiben einen scheinbar göttlichen Segen verleiht. Eine Kirche, die sich auf den gewaltfreien Jesus von Nazareth beruft, wird zum Aufmarschgebiet militärischer Eitelkeiten. Da passt es dazu, dass Bischöfe der Anglikanischen Kirche den Kriegseinsatz in Libyen befürworteten. Die Stimme von Pax Christi England, die gemeinsam mit den friedensbewegten Organisationen auf der britischen Insel für Frieden auf dem Verhandlungsweg in Libyen oder Afghanistan eintritt, bleibt ungehört. Über „Kiss me Kate“ weiß die Welt Bescheid. Dass es vor einem Monat eine große Demonstration in London gegen die Modernisierung der britischen Atomwaffen gab, bewegte die Weltpresse kaum. Mit der Modernisierung der Trident-Nuklearwaffen untergräbt das Königreich den Nicht-Weiterverbreitungsvertrag und ermuntert Nicht-Atomwaffenstaaten der Zweiten und Dritten Welt selbst zu Nuklearwaffenstaaten zu werden. Großbritannien hat bereits beschlossen, 100 Milliarden Pfund für ihr Trident-Programm auszugeben – angesichts der Kürzungen im Sozial-und Bildungsbereich und der dringend notwendigen Investitionen im Bereich alternativer Energiequellen ein unglaublicher Skandal! Make love, not war. Dafür freilich müsste der Prinz seine Uniform ausziehen und sich das Königreich von seinen Atomwaffen befreien.

Der Autor, Dr. Klaus Heidegger, leitet die Kommision "Sicherheit und Abrüstung" im Rahmen von Pax Christi Österreich. 30.04.2011)