Im Bericht über den Verlauf einer internationalen Friedensdelegation unter der Leitung der irischen Friedensnobelpreisträgerin (1976) Maired Corrigan-Maguire nach Syrien, zeigt sich die Situation in Syrien in einem anderen Licht als sie in den Mainstream-Medien verbreitet wird. In der realistischen Wahrnehmung der Delegation finden sich auch hoffnungsträchtige Ansatzpunkte für die Zukunft des schwer getroffenen Landes. Der Bericht lenkt die Aufmerksamkeit auf das syrische Volk und seine Möglichkeiten für die Zukunft. Angesichts der äusserst schwierigen Genfer Friedensgespräche bekommt der Aufruf der Delegation besondere Bedeutung.

Die internationale Friedensdelegation umfasste 11 (elf) Mitglieder aus Irland, England, Belgien, Indien, Canada, Iran und Russland. Unter der Leitung von Maired Maguire, die 1976 für ihren Beitrag zur Lösung des Nordirland-Konfliktes den Friedensnobelpreis erhielt, verbrachte die Gruppe auf Einladung des griechisch-melkitischen Patriarchen Gregorious III., von Mutter Agnes Mariam (Oberin des St. James Klosters) sowie von Sheikh Sharik al Martini (Führer der Al Nu'aim, Mitglied der Syrischen Liga der Vereinten Nationen, aktives Mitglied der Nationalen Versöhnungsinitiative) fünf Tage im kriegsgeschüttelten Land. Neben lokalen, regionalen und nationalen politischen Persönlichkeiten begegnete die Delegation Hunderten Menschen und vielen Flüchtlingen. Sunniten und Schiiten, Christen und Aleviten waren darunter - alle drückten ihr Gefühl aus, dass „ihre Stimmen im Westen ignoriert oder unterrepräsentiert sind“.

Patriarch Gregorious II. Latham und sein Freund, der Großmufti von Damaskus, Ahmad Badreddin Hassoun, verhalten den Mitgliedern der Delegation durch ihre Geschichten und Einsichten zu tieferen und neuen Perspektiven auf das Land, den aktuellen gewaltsamen Konflikt, der dem syrischen Volk aufgezwungen wurde. „Die Welt verliert ein Modell des Zusammenlebens von Moslems und Christen, die in Syrien - trotz mancher Konflikte - über Jahrhunderte in friedlicher Koexistenz lebten“. Die Delegationsmitglieder mussten erkennen, dass Syrerinnen und Syrer sich „in erster Linie als Mitglieder eines säkularen Staates sehen“ in dem „verschiedenen Religionen und Traditionen“ nebeneinander bestehen. Der syrische Konflikt ist „kein Krieg der Religionen oder ein Bürgerkrieg, wie die Westmedien es darstellen“ sagen die Menschen in Syrien. „Es ist ein Stellvertreterkrieg, der durch eine Intervention von außen in Gang gesetzt wurde und von fremden Kämpfern aus über 80 Ländern ausgefochten wird“ ist im Bericht kritisch zu lesen. Wer in Syrien reist bekommt ganz andere Geschichten zu hören, als sie in westlichen Mainstream-Medien verbreitet werden. Während Präsident Bashar al-Assad dort dämonisiert werde und eine Politik des Regimewechsels forciert werde - wie man es aus dem Irak, Libyen und Afghanistan kenne - seine sich Syrer_innen mit zahlreichen Politiker_innen im Land weitgehend einig, dass beim Präsidenten „der Schlüssel für Syriens Übeleben“ liege. Etwa 70% der Syrer habe er so hinter sich, sagt der Bericht. Bei einem erzwungenen Regime-Wechsel fürchtet man in Syrien das politische Chaos, wie es z.B. in Libyen herrsche.

Das spezifische Verhalten Englands und der anglikanischen Kirche wird im Bericht der Delegaten besonders akzentuiert. „Der Großmufti von Syrien (der bekannt ist für seine friedliche Haltung und seine Wertschätzung des Christentums) bekomme nach wie vor kein Visum für England und der Erzbischof von Canterbury unterstützte während der Anwesenheit der Delegation in Syrien, den Kriegsaufruf Englands zur Bombardierung Syriens. Die Enttäuschung darüber war unter den Delegationsmitgliedern umso tiefer als religiöse Führer weltweit, nach friedlichen und gewaltlosen Lösungen der Krise rufen und um Unterstützung dafür geworben haben.

Die Komplexität des Konfliktes einerseits und die Notwendigkeit, Gewaltlosigkeit zu üben und aktiv für Frieden und Versöhnung zu arbeiten ist der Delegation beim Besuch der christlichen Stadt Maaloula vertieft aufgegangen. Handelt es sich doch um eine „Wiege der abrahamitischen Religionen“ im Nahen Osten, die schon das tragische Verschwinden des Judaismus erlebt hat und der Tragödie der Vertreibung der Christen aktuell miterlebt. In der Stadt Homs wirken (katholische) Christen und Muslime in einer Versöhnungsgruppe zusammen, bei der Rehabilitierung von Kämpfern, die ihre Waffen niedergelegt haben.

Das ist eine redigierte Version des Delegationsberichtes.
Zum englischen Original und zur deutschen Übersetzung, die steht - siehe rechts oben - als PDF zum Download zur Verfügung.

Der Appell an die internationale Gemeinschaft

Was uns große Hoffnung für die Zukunft Syriens gibt, sind die Elemente, die immer noch nach fast 5 Kriegs-Jahren bestehen.

1. Die aktive Teilnahme der Frauen an den Angelegenheiten des Landes:
2. die Tatsache, dass Erziehung hoch geachtet und kostenlos ist;
3. die Religionsfreiheit und der starke Zusammenhalt dadurch; 
4. der Respekt gegenüber den beiden größten Religionen, dem Islam und dem Christentum, bewiesen durch die Tatsache, dass die Eid Feste und auch Weihnachten und Ostern nationale Feiertage sind; 
5. die Verpflichtung der Syrer, die Altertümer und das gemeinsame Erbe zu bewahren und zu schützen.

Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf, die territoriale Integrität Syriens zu schützen und die grundlegenden Rechte Syriens als souveräner Staat zu respektieren. Wir beklagen jeden Versuch, die Integrität von Syriens Grenzen zu verletzen oder die Einheit und reiche Vielfalt des syrischen Volkes zu zerschlagen.

Wir erkennen die Legitimität der Wünsche der syrischen Bürger nach Veränderung, Reformen und das Ende der Gewalt an und wir unterstützen die Einführung eines demokratischen Lebens, das die fundamentalen Rechte aller Bürger schützt und wir glauben, dass effektive und dauerhafte Reformen nur durch gewaltlose Methoden erreicht werden können.

Wir fordern vor allem alle Länder auf, ihre Einmischung in die syrischen Angelegenheiten zu beenden, insbesondere, dass sie innehalten, Waffen und ausländische Söldner zu liefern. Wenn die fremden Länder übereinkommen, den Zustrom von Waffen und Kämpfern zu stoppen, werden die Syrer, davon sind wir überzeugt, ihre eigenen Lösungen für ihre Probleme finden und die Versöhnung erreichen.

Wir sind zweifellos der Meinung, dass das syrische Volk das Recht hat, selbst über seine Regierung und seine Zukunft zu bestimmen. Ausländische Einmischung verhindert gegenwärtig, dass das syrische Volk sein Recht auf Selbstbestimmung ausüben kann. Wir sind besorgt, dass die bösartige Einmischung das Gewebe des Landes zerstört, mit Konsequenzen, die man sich kaum vorstellen kann.

Die warnenden Beispiele Irak, Libyen, Jemen und anderer Länder helfen uns zu erinnern an die schlimmen Folgen solch internationalen Wahnsinns. Diese humanitäre Krise greift bereits auf die benachbarten Länder über. Ein Kollaps der syrischen Gesellschaft wird die ganze Region destabilisieren. Wir appellieren an die internationale Gemeinschaft, dass sie aus der Geschichte lernen kann und in Syrien eine bessere Wahl trifft, um dem mutigen syrischen Volk eine weitere Tragödie zu ersparen.

Zweitens fordern wir die internationalen Medien auf, mit der Flut von Falschinformationen über Syrien aufzuhören. Die einseitigen Berichte bedeuten, dass die große Mehrheit der Syrer, die eine friedliche Veränderung wünschen, keine Stimme in der Welt erhält, obwohl ihre Sorgen und Ängste von vielen unter uns geteilt werden. Die Stärke Syriens und auch seine Schwäche ist das reiche Mosaik an Religionen und ethnischen Gruppen. Sie alle müssen gehört werden und in der internationalen Berichterstattung berücksichtigt werden. Lügen-Berichte können das Muster der syrischen Gesellschaft zerstören, aber auch das unsere, wo immer wir sind.

Drittens fordern wir die internationale Gemeinschaft auf, die lähmenden Sanktionen aufzuheben, die einen so hohen Tribut vom syrischen Volk fordern. Es ist sehr wohl bekannt, dass Sanktionen zum Tod von hunderttausenden Kindern im Irak führten. Als Ergebnis von Sanktionen sterben Menschen und verarmen Gemeinschaften. Wie das Volk in Irak hat das syrische Volk nichts getan, was so eine grausame kollektive Bestrafung verdient.

Viertens fordern wir die internationale Gemeinschaft dringend auf, eine große Zahl von Flüchtlingen und Personen aufzunehmen, die im Landesinnern heimatlos wurden. Sie brauchen Unterstützung, ein erträgliches Leben und Hoffnung, wenn der große Flüchtlingsstrom aus Syrien nicht die Zukunft des Landes zerstören soll.

Wir appelieren an die gesamte religiöse Gemeinde, ihre Mitglieder zu Gewaltlosigkeit und Friedensschaffung aufzurufen und alle Formen der Gewalt und Diskriminierung abzuweisen. Und wir geben unserer Bewunderung und Respekt für die vielen religiösen Führer Syriens Ausdruck, die sich weigerten, Gewalt zu benutzen und ihr Leben der Arbeit an einer friedlichen Lösung widmeten.

Zum Schluss wollen wir den Patriarchen Georgious III Latham und den Großmufti Ahmad Badr ad Din Hassoun würdigen für ihre begeisternde Arbeit für Frieden und Versöhnung, und dem Patriarchen danken für seine freundliche Einladung der Delegation. Wir möchten auch der Mutter Agnes Mariam und Sheikh Sharif Martini unseren Dank und Wertschätzung für ihre Hilfe und ihren Beistand sagen.

Unsere Delegation ist sich einig, dass das syrische Volk erschöpft und traumatisiert ist. Alle wollen ein Ende des Krieges. Nur eine einschließende politische Lösung, die alle Parteien im Konflikt umfasst, insbesondere den syrischen Präsidenten und die Regierung, wird diesen Konflikt lösen können und Frieden und Versöhnung bringen, was das mutige syrische Volk so dringend nötig hat.

Dieser Aufruf ist von allen Mitgliedern der Delegation unterzeichnet worden:
Mairead Maguire (Irland); Ann Patterson (Ireland) ; Rev. Andrew Astdown (UK); Fr. Timothy Radcliffe, (UK); Marco Santi (Belgien);
Feroze Mithiborwala (Indien); Justitia Bajer (Polen); Shrikant Ramdas, (Indien); Saarmine Narwani (Kanada/Iran); Maria Monomenova (Russland); Alan Lonergan (Irland).