Die internationale Friedensbewegung der katholischen Kirche - Pax Christi - hatte vom 27. bis 29. April zu einer internationalen Konferenz nach Vukovar in Kroatien eingeladen. Etwa 85 Personen kamen, um die Themen religiöser Fanatismus, gerechter Umgang mit der Natur (Eco-Justice) und wiederherstellende Gerechtigkeit (restorative justice) zu bearbeiten. Ein Bericht von Michael Striebel.
Die Friedensbewegung der katholischen Kirche Pax Christi hatte vom 27. bis 29. April zu einer internationalen Konferenz nach Vukovar in Kroatien eingeladen. Etwa 85 Personen kamen um die Themen religiöser Fanatismus, gerechter Umgang mit der Natur (Eco-Justice) und wiederherstellende Gerechtigkeit (restorative justice) zu bearbeiten. Vertreter zahlreicher NGOs, die meisten davon aus kirchennahen Einrichtungen der katholischen, orthodoxen und islamischen Gemeinden, stellten ihre Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit in den Ländern der mittel- und osteuropäischen Staaten vor. Viele dieser Initiativen, wie z.B. der interreligiöse Chor Pontanima aus Sarajewo, sind wie Pflänzchen der Hoffnung, von denen man sich noch viele mehr wünscht.
Aufarbeiten der Kriegsfolgen
In den Vorträgen und Diskussionen
wurden mehrere Probleme deutlich, die eine Aufarbeitung des Krieges
in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien, im besonderen zwischen
Kroaten und Serben, verhindern. Zum einen fehlt es an einer
Geschichtsschreibung, sowohl im Hinblick auf die Gräueltaten während
der Nazizeit (1941-1945) als auch auf die des letzten Krieges von
1991-2001. Über die meisten Vorgänge gibt es nur mündliche
Berichte oder Erzähltraditionen, deren Wahrheitsgehalt in sehr
vielen Fällen noch nicht wissenschaftlich überprüft wurde.
Staatspräsident Tito verbot während seiner Regentschaft (1945-1980)
systematische Geschichtsschreibung. Er fürchtete, dass so viel
sozialer Sprengstoff aus dem zweiten Weltkrieg zu Tage kommen könnte,
dass die von ihm mühsam geeinte Sozialistische Föderative
Republik Jugoslawien gesprengt würde.
Weiters gibt es große völkerrechtliche
Unklarheiten über den Status der Kriegsparteien im letzten Krieg. Je
nach Ansicht sind nämlich die Kriegshandlungen als zwischen- oder
als innerstaatliche Konflikte einzustufen. Diese Einstufung hat u.a.
Konsequenzen bei der Frage, wer welche Reparationen für die
entstanden Kriegsschäden bezahlen muss.
Brennpunkt Vukovar
Vukovar liegt an der Donau, die an dieser Stelle die Grenze zu Serbien bildet. In dieser Stadt sind die Kriegsschäden besonders hoch. Die einst wirtschaftlich blühende Stadt mit 42.000 Einwohnern (heute noch 32.000) wurde 1991 von der Jugoslawischen Volksarmee über Monate belagert und weitgehend zerstört. Heute, zwanzig Jahre danach, wechseln in vielen Straßenzügen zerstörte und wieder aufgebaute Häuser einander ab. [siehe Bilder] Die Bevölkerungsgruppen (32% Serben, 58% Kroaten) leben weitgehend isoliert voneinander. Auch das seelische Leid ist gegenwärtig. Mütter suchen noch heute nach den Gräbern ihrer Angehörigen. An vielen Stellen in und um die Stadt (z.B. in Ovcara) stehen Gedenkstätten für die gefallenen, ermordeten oder verschleppten (ganz überwiegend kroatischen) Bürgerinnen und Bürger. Da der Fall von Vukovar Teil der gewaltsamen kroatischen Loslösung von Jugoslawien war, werden die Gefallenen gleichzeitig als Nationalhelden geehrt, was die auffälligen kroatischen Flaggen auf den Gedenkstätten verständlich macht. [Bilder]
Pax Christi International wollte mit der Wahl dieser Stadt als Konferenzort die internationale Gemeinschaft darauf hinweisen, dass die Probleme der Stadt noch lange nicht gelöst sind: keine Schuldeingeständnisse der Täter, kein Geld für den Wiederaufbau und keine Aufklärung über den Verbleib der Vermissten und Verschleppten. Die Folgen davon sind mühsamer wirtschaftlicher Neuanfang, überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit und Hinauszögern der Trauerarbeit - eine Depression auf mehreren Ebenen.
Wie viele Regionen des ehemaligen
Jugoslawien braucht Vukovar in erster Linie Wahrheit über das, was
geschehen ist. Weiters ist nationale sowie internationale Aufbauhilfe
nötig. Schließlich muss eine Versöhnungsarbeit begonnen werden -
vielleicht indem man die Jugendlichen, die den Krieg nicht mehr
selbst erlebt haben, einbezieht. So könnte man zu neuen Wegen der
Koexistenz mit den Nachbarn im eigenen Ort und denen jenseits der
Grenze finden. Eine politische Unterstützung könnte dabei sein,
dass mittelfristig alle diese Staaten in die Europäische Union
aufgenommen werden. (Michael Striebel)
Zum Autor:
Michael Striebel ist Mitglied der
Friedensbewegungen Pax Christi Österreich und Internationaler
Versöhnungsbund - Österreichischer Zweig.
Weitere Infos (in Englisch):
Verleihung des Pax Christi
Friedenspreises 2011 an den Chor Pontanima (interreligiöser Chor aus Sarajevo)
Offizieller Bericht von Pax
Christi International über die Tagung