Man traf sich zum Pastoralrat. Ganz "in echt". Das war gut so. Gut war auch der Abstand der zwischen dem Jetzt und "Corona 1" im Frühling lag. Das machte die Sicht frei für Fragen wie: Was hat mir eigentlich gefehlt in der Zeit? Was habe ich überhaupt nicht vermisst? Und was war gerade im Corona-Frühling 2020 besonders wichtig?

Der Pastoralrat ist eigentlich das Gremium, das den Bischof einer Diözese - logischerweise - in Fragen der Pastoral berät. Das gilt auch in Zeiten von Corona. Nur war der Bischof nicht da, als sich der Rat erst kürzlich im Pfarrzentrum in Altenstadt traf. Schon das war ein ganz deutliches Zeichen dafür, dass dieses Virus eben einfach alles auf den Kopf stellt. Es war die erste Sitzung dieses Gremiums nach dem Lockdown im Frühling und dem etwas entspannteren Sommer, die analog - also weder über Videokonferenz noch andere digitale Wege - stattfand. Bischof Benno Elbs war übrigens durch seinen Generalvikar Hubert Lenz gut vertreten - und er fehlte, weil eben in Zeiten von Corona und steigender Ansteckungsgefahr gilt: Nicht zu viele gemeinsame Termine!

Die "Atempause" des Pastoralrats

Es war dennoch gut, sich wiederzusehen, darin war man sich einig. Unbestritten war auch, dass durchaus etwas anders geworden war - und das lag nicht an den großen Abständen, den vielen "maskierten Gesichtern" oder der kleinen Jause, die so umsichtig in Papiersäckchen an jedem Platz hinterlegt worden waren. Es lag an der Zeit und den Erfahrungen, die alle mit Corona gemacht hatten  und auch am unbehaglichen Gefühl zu wissen, dass die Zahl der Neuansteckungen gerade in diesen Tagen wieder deutlich im Steigen begriffen war.
Irgendwo dazwischen lag diese "Atempause", wie man die Sitzung des Pastoralrates durchaus untertiteln könnte. Denn es ging beim Treffen weniger darum, Konzepte und Projekte gemeinsam durch die Beratungsmangel zu drehen. Viel mehr war die Sitzung des Pastoralrates ein Resonanzraum für all das, was Corona sichtbar werden ließ.

Das begann indirekt bereits beim besinnlichen Einstieg in den Abend, in dem Vikar Paul Riedmann an der letzten "Vor-Corona-Sitzung" des Pastoralrates anknüpfte. Wie aus einer anderen Zeit erschienen da die Erinnerungen an das Diözesanforum "Plan.Los", das erst vor einem Jahr in Dornbirn für frischen Wind sorgte.

Das hat uns ja gar nicht gefehlt

Und dann kam Corona - und mit Corona die Fragen nach dem wozu, wie und wie lange denn noch? In Form eines großen Dialogs tauchten gemeinsame Erfahrungen ebenso auf wie auch die Ahnung davon, was hätte anders ein können oder vielleicht sogar sein hätte müssen. Einige dieser rote Fäden sollen hier aufgedröselt werden.

Im Topf mit dem "Was hat mir nicht gefehlt" landete da zum Beispiel der ständige Zeitdruck, der Terminstress, der Alltag, der oft bis in den letzten Moment durchgetaktet war. Plötzlich war da Zeit. Da war die Natur. Da wurde es ruhig auf den Straßen. 

Nicht gefehlt hat auch die Routine, die alles so selbstverständlich werden ließ. Dazu gehörte auch der routinemäßige Gottesdienstbesuch am Sonntag. Plötzlich fiel der weg. An manchen Orten blieb sein Platz leer. An anderen wurden kreative Alternativen gefunden. Gottesdienste wurden gestreamt - nicht zwingend aus der eigenen Pfarre. Denn das Angebot war vielfältig - von Taizé bis Lustenau, von Home Mission Base bis zum heimischen Radiogottesdienst.

Krise mit Kreativitätsschub

Damit war die Brücke gespannt zu den Aha-Erlebnissen mit Corona. Dazu gehörte sicher die Erfahrung, welchen Kreativitätsschub eine Extremsituation wie der Lockdown mit sich bringen kann. Vielerorts stellten sich die Pfarren ganz neu auf. Mittel und Wege wurden gefunden, um mit den Menschen in Kontakt zu bleiben. "Wir müssen wegkommen von der Vorstellung, dass wir jetzt nur das Zweitbeste machen", betonte da zum Beispiel Nora Bösch, Pastoralleiterin der Katholischen Kirche in Dornbirn. "Nein, was wir jetzt machen ist nicht eine Notlösung, sondern es ist für heuer der richtige Weg", so müsse man zu denken anfangen.

Ein zweiter roter Faden war auch die Freude darüber, wenn plötzlich wieder etwas möglich wird. Die Örfla-Wallfahrt der Männerbewegung war so ein Beispiel. Die Fragen im Vorfeld waren groß. Soll man, müsste man nicht? Und als es dann soweit war, war die Wallfahrt etwas Besonderes, einfach weil sie wieder stattfinden konnte.

Home Schooling mit Religion?

Aber auch Kritisches hatte Platz. Zum Beispiel die Frage nach der Relevanz von Kirche. Hat Kirche denn überhaupt gefehlt? War es nicht viel mehr die persönlichen Begegnungen, die in dieser Zeit wichtig waren - mehr als die Begegnung mit "Kirche als Institution"?

Oder, ein anderes Beispiel: Als die Schulen schlossen, stand da auch schnell die Frage im Raum, ob sich denn das Home Schooling nicht auf die Hauptfächer konzentrieren solle und der Religionsunterricht zu vernachlässigen sei. Nein, ist er nicht, wie Schulamtsleiterin Annamaria Ferchl-Blum betonte, denn "es waren die Religionslehrerinnen und Religionslehrer, die hier schulpastoral tätig wurden."

Und wo waren wir, als es ernst wurde?

Der härteste Brocken, den sich "die Kirche" in der Zeit nach "Corona 1" und an der Schwelle zu "Corona 2" zu stellen hatte, war sicher der nach dem, "was hätte man anders machen müssen?" Ja, es gab Dinge, die im Rückblick ein "Ja, aber" in sich tragen. Die Abriegelung der Wohn- und Pflegeheime fällt genau in diese Kategorie. Der Rückzug der SeelsorgerInnen gehört auch dazu. "Kirche muss für mich nicht systemrelevant sein, sie muss menschenrelevant sein. Da stellt sich mir schon die Frage nach den Kollateralschäden, wenn sich Menschen nicht verabschieden können. Sind Alter und Krankheit zur ,Verschlusssache' geworden? Und ich habe auch den Satz gehört: ,Als wir euch wirklich gebraucht hätten, haben wir eine Handynummer von euch bekommen'", erzählt Gerhard Häfele, Leiter der Krankenhausseelsorge. Hildegard Brem, Äbtissin des Klosters Mariastern in Gwiggen erweiterte diesen Gedankenkreis dann noch um einen Schritt. Denn Krankheiten, auch Pandemien gab es zu jeder Zeit. Die Medizin war damals nicht auf dem Stand von heute "und trotzdem gab es zu allen Zeiten Menschen, die gerade dann zu den Kranken gegangen sind. Und was machen wir in Corona?"

Es geht weiter

In dieser Spannung blieb das Thema in der Schwebe - und man kehrte zum Tagesgeschäft zurück. Der Struktur- und Stellenplan 2030 - also kurz gefasst: womit wird man in den kommenden Jahren rechnen und planen können - wird im kommenden Jahr zu diskutieren sein. Der Kirchenkurs, der das Leiten im Team in die Mitte stellt und auf die sich verändernden gesellschaftlichen Modelle zu reagieren versucht, wird im Jänner 2021 fortgesetzt und ein "Marken- und Kommunikationsprozess" - wofür stehen wir wie und wie kann das adäquat kommuniziert werden - steht der Katholischen Kirche Vorarlberg ins Haus.

So hart der Sprung aus der Reflexion in die Dinge des Alltags vielleicht auch gewesen sein mag: Es war auch schön zu sehen, dass es weiter geht - auch mit Corona.