Gerhard Häfele hat mit Herbst 2018 die interimistische Leitung der Krankenhauseelsorge in der Diözese Feldkirch übernommen. Im Interview erzählt er von seinem Theologiestudium bei den Jesuiten in Belgien und inwiefern die neue Aufgabe auch etwas Sportliches an sich hat.

Lic. Gerhard Häfele Gerhard Häfele (1963 geboren), zuerst Ausbildung zum Zimmerer und dann alles Mögliche (Bundesheer, Chauffeur, Kläranlage, Altenpflege …). Sein Theologiestudium absolvierte er von 1989 – 1996 bei den Jesuiten in Belgien (Namur/Brüssel). 1997 hat er, nach seinem Pastoraljahr in der Dompfarre Feldkirch, in der Krankenhausseelsorge begonnen.

 

 

Interview: Wolfgang Ölz

Was bedeutet für Sie Ihr Theologiestudium?
Während des Studiums konnte ich neben der Bibel, die Schriften von Karl Rahner, Henri de Lubac, Hans Urs von Balthasar sowie von Jürgen Moltmann und Serge Boulgakov vertiefen. Diese Schriften und die Begleitung durch verschiedene Jesuiten haben mir geholfen, Wissenschaft und Glaube als Ergänzung und nicht als Gegensätze zu erfahren. 

Was stellt das Krankenhaus für Sie dar?
Das Krankenhaus ist wohl ein „Rand­gebiet“ der Gesellschaft, an dem man immer wieder mit Ohnmacht und Ängsten konfrontiert wird. Papst Franziskus sagt, wir sollen an die Ränder gehen. Darum ist es sinnvoll, dass die Seelsorge auch diesen Ort aufsucht.

Wie gehen Sie mit eigenen Ohnmachtserfahrungen um?
Ohne Glauben, bin ich mir sicher, könnte ich den Ohnmachtserfahrungen nicht standhalten. Auch Jesus ist am Kreuz unter Schmerzen und Tränen gestorben. Durch die Krankenhausseelsorge soll der Mensch spüren: Ich bleibe bei dir. Die seelsorgliche Arbeit hat Erfolg, wenn ein Mensch spürt: Ich bin nicht allein.

Welche Rolle spielen Ihr persönlicher Glaube und die tägliche Meditation?
Vor meiner Arbeitszeit versuche ich mich selbst durch Meditation und innere Achtsamkeit mit dem Geheimnis Gottes zu verbinden. Im anschließenden Gottesdienst stelle ich meine Arbeit unter seinen Segen. Er möge unser menschliches Wirken begleiten und die Gebrochenheiten, denen ich begegne, in einen spirituellen Prozess der Wandlung bringen. Karl Rahner hat sinngemäß einmal gemeint: Der Christ von morgen wird einer sein, der konkrete Glaubenserfahrungen hat, oder er wird (als Christ) nicht mehr sein. Seelsorge hat für mich viel mit dem Teilen von Lebens- und Glaubenserfahrung zu tun. Glauben bedeutet für Rahner auch: Die Unbegreiflichkeit Gottes ein  Leben lang auszuhalten. Das gilt wohl auch für die Seelsorge mit Leidenden.

Warum können Sie mit Patient/innen in Ausnahmesituationen immer noch lachen und auch weinen?
Humor ist ein wichtiger Bestandteil des Lebens. Ich komme mit den Patient/innen auf vielfältige Weise mit dem Geheimnis des ­Lebens in Berührung. Da wird tatsächlich gelacht und geweint, gehofft und gerungen, gebetet und gezweifelt. Dies kann in Gesprächen, Ritualen, aber auch in Stille passieren. Und je später der Tag, desto größer können die Überraschungen werden - ab und zu bis in den Abend oder die Nacht hinein. Getragen ist meine Arbeit von der Zuversicht, dass der Gott des Lebens mitgeht und am Ende alles gut wird. Oscar Wilde hat einmal gesagt: „Am Ende wird alles gut, wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.“

Welchen Stellenwert hat die Krankenhauskapelle für Sie?
Die Kapelle ist ein symbolischer Ort dafür, was Seelsorge sein kann. Sie bietet Raum an und eröffnet in der Begegnung von Menschen Räume, in denen Sinn- und Glaubensfragen gestellt werden können. Die Kapelle ist ein liturgischer Ort wo Menschen durch Riten ihrer Verbundenheit mit Gott Ausdruck geben können. Sie ist auch ein Ort der Stille für Patient/innen, um sozusagen im „Inner-Net“ zu sich zu kommen.

Wie gehen Sie mit der Vielfalt „freier Rituale“ und „klassischer Angebote“ wie Kommunionfeier, Beichte und Krankensalbung um?
Es muss meiner Meinung nach kein Gegensatz sein. Im Gegenteil es kann eine gegenseitige Bereicherung sein. Heute gehört es zur täglichen Arbeit der Krankenhausseelsorge, gute Begegnungen unabhängig von Religionszugehörigkeit und Weltanschauung zu ermöglichen. So werden etwa Segensgebete auch von Menschen außerhalb der Kirche gewünscht. Nach wie vor nehmen viele Menschen die „klassischen“ Angebote wie Kommunionfeier, Beichte und Krankensalbung in Anspruch. Es gibt aber auch viele, die sich in einem persönlich mit ihnen entwickelten Ritual besser aufgehoben und mit dem Geheimnis des Lebens verbunden fühlen.

Welche Wichtigkeit kommt Sinn- und Glaubensfragen zu?
Im Letzten sind es für mich diese Fragen und Überzeugungen, die bestimmen, wie wir mit uns selbst, mit den Mitmenschen und der Welt umgehen. Es sind die gelebten Antworten auf diese Fragen, die bestimmen, woraus wir Kraft und Hoffnung schöpfen und wie wir die Welt gestalten.

Warum ist ihrer Meinung nach der Fortschritt in der medizinischen Technik Segen und Fluch?
Einerseits kann Leben segensreich verlängert werden, andererseits werden die Krankheitsbilder immer komplexer und es braucht oft auch eine ethische Entscheidungsfindung, ob jede Behandlungsmethode auch bis zuletzt ausgereizt werden soll.

Neue Aufgabe - Leitung der Krankenhausseelsorge in der Diözese. Sportlich und eine Herausforderung?
Sportlich ist es sicher, ich habe in diesen zwei Monaten mehr Kilometer zurückgelegt wie sonst im ganzen Jahr. Sportlich ist es aber auch für das Denken, ja die ganze Person. Durch diesen Blick einer Metaebene sieht man so viele gute Dinge: Da sind meine Kolleginnen und Kollegen, von denen jede/r auf seine Art und Weise versucht vor Ort Gutes zu bewirken. Da gibt es viele Personen im medizinischen Personal und den Verwaltungsebenen, die sich mühen, dass unsere Krankenhäuser ihre Menschlichkeit bewahren. Diese unterschiedlichen Ebenen immer wieder zusammen zu führen, kann dann auch mal spannend und anstrengend sein. Doch es ist wie im Sport, man freut sich, wenn man wieder etwas ein Stück weit gebracht hat.

Wo wird die Krankenhausseelsorge in 15 Jahren stehen?
Im Kontext des Krankenhauses scheint Ganzheitlichkeit und Spiritualität zunehmend ein Thema zu werden. Wenn wir uns hier kompetent und sinnstiftend einbringen, dann werden wir einen Platz finden. Seelsorge wird sich in einem multikulturellen Umfeld bewegen. Hier in Dialog zu treten und die eigene Erfahrung auf zeitgemäße und kontextbezogene Art und Weise einzubringen, wird entscheidend sein.  

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