Für die Anliegen von Kindern und jungen Menschen bis ca. 30 Jahren ist innerhalb der Katholischen Kirche Vorarlberg vor allem die Junge Kirche zuständig. Seit zwei Monaten wird sie von Brigitte Dorner geleitet. Sie erzählt im Interview, wie junge Menschen heute angesprochen werden, was in der Jugendarbeit wichtig ist und welche Schwerpunkte die Junge Kirche setzt.

Elisabeth Willi

Im Dezember 2019 kam Nadin Hiebler, die die Junge Kirche fast vier Jahre lang geleitet hat, in Karenz. Ihre Nachfolgerin, Brigitte Dorner, kennt die Institution bestens, da sie bereits seit 2009 in unterschiedlichsten Bereichen der Jungen Kirche arbeitet. Sie war u.a. in der Firmpastoral tätig, sie hat das Trauerprojekt „Vergiss mein nicht“ koordiniert und Projekte wie den Pasta-Talk entwickelt. Das Interview mit der gebürtigen Bregenzerwälderin findet im Büro der Jungen Kirche in Dornbirn-Hatlerdorf statt. Dieses ist farbenfroh gestaltet: Viele Wände sind rot, gelb oder blau gestrichen, darauf angebracht sind lustige Plakate und Karten mit humorigen Sinnsprüchen. Brigitte Dorner hat sich vorab die Fragen schicken lassen und sich gut auf das Gespräch vorbereitet.

Was sind die Hauptaufgaben der Jungen Kirche?
Brigitte Dorner: Das sind zwei Bereiche. Der eine heißt „Junge Pfarre“. Hier werden die Menschen in den Pfarren unterstützt, die mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten und sie begleiten. Sie bekommen von uns Impulse oder Angebote. Der zweite Bereich ist die „Junge Lebenskultur“. Dabei sprechen wir junge Menschen selbst an, wir machen Projekte mit und für sie. In unseren Leitlinien ist unser Ziel definiert als: „Räume schaffen, in denen ein Rendezvous zwischen dem Leben junger Menschen und dem Evangelium ermöglicht wird.“ Oder, anders ausgedrückt: Wir möchten die Lebensrealität von Jugendlichen mit der Botschaft Gottes in Verbindung bringen.

Möchtest du neue Schwerpunkte setzen? Wenn ja: Welche?
Brigitte Dorner: Grundsätzlich sind die Schwerpunkte schon vor meiner Amtsübernahme gesetzt worden. Zum einen die Firmung 4.0. Das sind die neuen Leitlinien für die Firmpastoral und die Erhöhung des Firmalters. Hier geht es vor allem um die Unterstützung und die Begleitung der Pfarren. Zum anderen sind die Schwerpunkte für das aktuelle Arbeitsjahr Projekte wie der Pasta-Talk, die PopUp-Church oder die Jugendsozialaktion 72 Stunden ohne Kompromiss. Anhand der Schwerpunkte sieht man die vorher erwähnten Arbeitsbereiche der Jungen Kirche deutlich: die Pfarren bzw. die Multiplikator/innen unterstützen und innovative Projekte für die Jugendlichen anbieten.

Was hat sich in den zehn Jahren, seit denen du für die Junge Kirche arbeitest, verändert?
Brigitte Dorner: Sehr viel. Das Wichtigste war: Wegen der gesellschaftlichen Veränderung ist die Freiheit zu experimentieren und innovative Dinge umzusetzen größer geworden. Auch die Haltung, dass man scheitern darf, ist stärker ausgeprägt: Besser, man versucht etwas Neues und scheitert, als dass man gar nichts mit Jugendlichen macht.

Und die Jugendlichen selbst haben sich in den vergangen zehn Jahren ebenfalls verändert?
Brigitte Dorner: Die Sehnsucht nach dem, was nicht selbstverständlich ist, hat sich verändert: Die jungen Menschen sind Digital Natives, die digitalen Medien sind für sie also ganz normal. Zunehmend finden sie auch die Welt außerhalb des Bildschirms wieder spannend, und analoge Dinge üben ihren Reiz aus - nach dem Motto „analog ist das neue bio“. Handfeste, greifbare Dinge - z.B. Schallplatten und Kassetten - erleben ein Comeback. Auch die Suche und Sehnsucht nach realen Beziehungen und Begegnungen, der Wunsch nach Stabilität und etwas Bleibendem ist bei Jugendlichen in dieser unbeständigen, komplexen Welt, die unendlich viele Möglichkeiten bietet, deutlich spürbar.

Ist es schwieriger oder leichter geworden, die Jugendlichen anzusprechen?
Brigitte Dorner: Vorab zur Erklärung: Wir sprechen zwei Zielgruppen bei den jungen Menschen an: Diejenigen, die in den Pfarren aktiv sind und die, die der Kirche ferner stehen. Die erste Gruppe zu erreichen, ist nicht sonderlich schwer. Hier bieten wir schon jahrelang Projekte an, die gut angenommen werden wie die Miniwochen, die Taizé-Reise oder die Gruppenleiter/innenschulungen. Bei der zweiten Zielgruppe ist es schwierig, das war in den vergangenen zehn Jahren – aber auch davor – immer eine Herausforderung. Jetzt versuchen wir über unkomplizierte Begegnungen und mit unkonventionelleren Methoden wie der PopUp-Church oder Give-aways, also kleinen Werbegeschenken, um ins Gespräch zu kommen. Dadurch sehen die jungen Menschen, dass Kirche auch anders sein kann.

Welche Projekte gibt es für junge, auch kirchenfernere Menschen und wie werden sie angenommen?
Brigitte Dorner: Es gibt z.B. die Ziellos-Reise, bei der – wie der Name schon sagt – ohne vorher festgelegtes Ziel verreist wird. Das ist eine Kooperation mit der Offenen Jugendarbeit Rankweil und der Stadt Feldkirch. Solche Kooperationen sind in den vergangenen Jahren wichtig geworden, denn dadurch bekommen wir Zugang zu Jugendlichen, die wir sonst nicht ansprechen könnten. Die Teilnehmenden erkennen, dass das auch Kirche ist und dass sie nicht nur Sachen anbietet, die in ihren Augen verstaubt und langweilig sind. Weitere solche Projekte sind die Dialog- und Start-up-Initiative Pasta-Talk oder der Día de los Muertos zu Allerheiligen. Letzterer war ein Rundgang durch Feldkirch, das war gut sichtbar. Mit solchen Projekten können wir zeigen: Es gibt ungewohnte, coole Dinge bei der Kirche.

Was ist wichtig bei der Arbeit mit Jugendlichen heute?
Brigitte Dorner:  Die Beziehungsebene ist das Um und Auf. Wenn sich in einer Pfarre niemand für die Jugendlichen interessiert, werden sie sich nicht blicken lassen. Es muss eine Person geben – egal welchen Alters – die Interesse an den jungen Menschen hat, die für sie da ist und bei der sie so sein können, wie sie wollen. Man muss die jungen Menschen ernst nehmen und darf keine Vorurteile haben à la: „Die Jungen hängen eh nur am Handy und wollen nichts anderes tun als chillen.“ Und dann braucht es natürlich Ideen und Formate, mit denen sich die Jugendlichen angesprochen fühlen. Diese sollten gemeinsam mit ihnen entwickelt und umgesetzt werden. 

Was ist das Schöne und was das Herausfordernde an deiner neuen Arbeit als Leiterin der Jungen Kirche?
Brigitte Dorner: In der Gesellschaft und der Kirche allgemein passiert viel Veränderung  - das bedeutet: Man muss immer dranbleiben und sich auf neue Gegebenheiten einstellen. Gerade im Jugendbereich gibt es stets schnelle Wechsel. So bleibt die Arbeit aber auch immer spannend und abwechslungsreich, das ist schön.

Das Herausfordernde ist also gleichzeitig auch das Schöne?
Brigitte Dorner: Ja.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute weiterhin!

 

Zur Person

Brigitte Dorner
Geboren am 13. November 1978, in Sulzberg aufgewachsen. Studium der Theologie/ Religionspädagogik und Englisch auf Lehramt in Innsbruck und Dublin. Religions- und Englischlehrerin an höheren Schulen in Vorarlberg. 2009 Einstieg in der Jungen Kirche zu 40 Prozent, daneben Schule. Seit 2013 mit 100 Prozent bei der Jungen Kirche, seit Dezember 2019 als Leiterin.

Weitere Infos www.junge-kirche-vorarlberg.at