Dass vor dem Reden ein achtsames Schweigen helfen kann, ist eine der Lehren aus dem ersten Tags beim Herbstsymposion 2017. Eine zweite: Freiheit muss man sich nehmen. Tag Zwei tut genau das...

Schweige und höre. Es ist ein Kanon, mit dem wir in den zweiten Tag des Herbstsymposions starten – und genau da anknüpfen, wo wir anderntags aufgehört haben. Bei der Stille, in die wir einkehren können. In Achtsamkeit, um herauszufinden, wer wir sind, wo wir stehen – und was wir eigentlich sagen wollen. Bei offenen Ohren: Für das Rauschen des Baumes vor dem Fenster, für das, was unser Nachbar denkt und meint, für die Poesie des Augenblicks.

Ein ‚So geht‘s‘ gibt es nicht

Um die geht es auch Prof. Dr. Ursula Rapp. Sie zitiert Rainer Maria Rilke, sein „Ich fürchte mich vor der Menschen Wort“. Weil es eben auch im religiösen Kontext immer wieder die Worte seien, mit denen wir versuchen, unserem Glauben – Gott – nahe zu kommen – und sie genau darum ersticken. Wir müssten lernen, das Uneindeutige, Ungefähre und Unfassbare zuzulassen, findet Rapp – am einfachsten in der Auseinandersetzung mit der Bibel. Auch ihre Texte seien oft ambivalent und regelrecht unverständlich – was sie von populärer Ratgeberliteratur unterscheidet: „Ein ‚So geht‘s‘ gibt es in der Bibel nicht. Sie nimmt uns unsere eigene Verantwortung nicht ab.“ Das mache ihre Lektüre zwar anstrengend, aber eben auch bereichernd. „Die Texte erfordern eine ‚Gastfreundlichkeit gegenüber der Unsicherheit“, erklärt die Theologin. Man werde dort nie die eine Wahrheit und die eine Interpretation finden, wohl aber „Sinnmöglichkeiten für das Leben.“

Keine Angst vor Fehlern

Dass ein offenes und unkonventionelles Herangehen funktionieren kann, zeigt der große „W‘ortwechsel“ zum Abschluss: Akteure aus Politik, Gesellschaft und Kultur wie Hans-Joachim Gögl als Intendant der Montforter Zwischentöne und der Tage der Utopie, Cornelia Matt als Leiterin der Kaplan-Bonetti-Sozialwerke, Doris Gilgenreiner vom Institut für religionspädagogische Bildung, Augustin Jagg als Intendant des Theater Kosmos sowie Rapp selbst luden in kleineren Kreisen zur Diskussion ein. Bei Gögl wurde die Freiheit bewundert, mit der er mit seinen Mitstreitern Programme und Formate gestaltet, bei Jagg die Lust, dem und den „Anderen“ eine Bühne zu bieten. Jagg zitiert als Antwort Samuel Beckett, von dem der Rat stammt: „Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better“ – also: Versuch‘ es – scheitere – versuch‘s nochmal – scheitere besser. Und vielleicht ist das der entscheidende Rat: Einfach mal machen. Einfach mal probieren, „anders“ zu sprechen. Über Gott. die Welt, das Leben. Vielleicht springt der Funken über und wir kommen ins Gespräch. Vielleicht nicht. Aber dann probieren wir es eben weiter.