Weihnachtskommentar von Generalvikar Dr. Benno Elbs

Kein Jahr gleicht dem anderen, immer wieder füllen sich die Seiten der Zeitungen mit Unglaublichem, Überraschendem, Schrecklichem, auch Fantastischem. Kein Jahr gleicht dem anderen, und so ist es zur Weihnacht immer wieder Zeit, das Vergangene zu bilanzieren, sich darüber Gedanken zu machen, wie es weitergeht, einen bewussten Blick zu werfen auf die Rosen, aber auch die Steine der vorüberziehenden Momente unseres Lebens.

Denn eines, scheint mir, bleibt in jedem Jahr immer wieder gleich: Die Einsamkeit ist für viele Menschen in unserem Land geblieben, die Hoffnungslosigkeit ist nicht verschwunden, die Ausgrenzung und Verurteilung haben sich erhalten. Ein Obdachloser erzählte vor kurzem, an Weihnachten koche er in einer Wärmestube für andere, denen es noch schlechter gehe als ihm. Dann gehe er nach Hause und sei allein. Die Art, wie er es schilderte, signalisierte Gelassenheit, ja große Stärke. "Es gibt sehr viele Situationen, wo du nicht selber durchkommst", sagte er, "wo du jemanden brauchst, der dir hilft. Deswegen gehe ich dann in die Kirche und bekomme Hilfe von oben". Besonders genieße er die Stille und das Alleinsein. Diese kleine Erzählung eines Menschen, dessen Leben auch schlimme Wendungen vollführt hat, beeindruckt sehr. Sie zeigt, mit welcher Haltung wir unser Leben füllen dürfen. Er sagt, es gehe anderen noch schlechter als ihm. Er genieße das Alleinsein. Bekomme Hilfe von oben. Ein Lichtblick, diese Erzählung. Dieser Mann hat auf wohltuende Weise erkannt, dass auch er in seiner Situation noch etwas tun kann, etwas weitergeben darf.

Ähnlich, scheint mir, ist es mit der Hoffnung. Eine Frau, die jahrzehntelang von ihrem Mann geschlagen wurde, hat sich vor ein paar Jahren entschlossen, in einem Heim zu leben. Sie sagt, sie habe sehr gelitten, mehr als dreißig Jahre lang. Zur Weihnacht, da komme der Erlöser für sie, die Mette sei das Allerwichtigste. "Christbäume", sagt die Frau, "die stellt man ja nur auf, damit man eine Freude hat. Aber mit Jesus hat das nichts zu tun". Sie meint, die Krippe sei das Zentrale zur Weihnacht. Immer wieder spricht sie von der Hoffnung, auch selbst erlöst zu werden. Ein Stück weit, scheint mir, ist es ihr bereits geschenkt.

Und dennoch gibt sie uns einen Hinweis auf das Zentrale der Weihnacht: Auch heute Nacht ist uns ein Blick erlaubt in den Stall von Bethlehem, ein Blick auf das Wunder der Geburt Jesu. Wir sehen die Bescheidenheit dort, wir sehen zugleich die strahlenden Gesichter der Hirten, der Sterndeuter. Jener, die direkt betroffen sind von diesem Wunder. Jesus ist da. Wer ihn erkennt, der strahlt. Etwas von Jesus strahlt in der Erzählung des Obdachlosen, ein Stück strahlt in der Erzählung der alten Frau im Heim. Im Stall zu Bethlehem sind wir Zeugen der Verneigung Gottes vor dieser Welt, zugleich Zeugen der Verneigung der Welt vor Jesus Christus.

Er kommt still, drängt sich nicht auf. Man braucht Augen, man braucht Ohren, die gewillt sind, Hoffnung, Zuversicht, am Ende vielleicht bescheidene Freude im Leben zu erkennen. Gott spricht zu uns in dieser Nacht. Durch seine Ankunft, durch seine Erlösung. Ich wünsche mir, dass die Erinnerung an Jesu Geburt in der heutigen Nacht gerade jenen, die gerne vergessen und verdrängt werden, Trost und Zuversicht spendet. Gott wird Mensch zur Weihnacht, in der ganzen Bescheidenheit des Stalls in Bethlehem.

Ich wünsche Ihnen allen und - es sei mir erlaubt an dieser Stelle - besonders jenen, die sich zur Weihnacht einsam und allein fühlen, auch jenen, die heute Nacht arbeiten im Dienste von uns allen, ein gesegnetes Fest, das als Lichtblick am Ende dieses Jahres stehen soll.

Herzlich eine gesegnete Weihnacht!

Dr. Benno Elbs
Generalvikar