Es könnte heute auf dem Marktplatz in Dornbirn stattfinden, dieses Gespräch, das sich vor fast 2000 Jahren in Ephesus ereignet hat. Paulus trifft einige Jünger und fragt sie: „Habt Ihr den heiligen Geist empfangen, als Ihr gläubig wurdet?“ Sie antworten ihm: „Wir haben noch nicht einmal gehört, dass es einen heiligen Geist gibt.“

Groß ist die Hoffnung der Menschen zur Zeit Jesu. Sie sehnen sich nach Gerechtigkeit, nach Frieden, nach einer neuen Perspektive in fast aussichtslosen Lebenssituationen. In Jesus begegnet ihnen dieser Hoffnungs-Träger. Doch diesem Aufbruch wird ein „jähes Ende“ gesetzt. Jesus stirbt am Kreuz. Seine Freunde ziehen sich verängstigt in das Obergemach zurück. Der Geist der Zerstörung, der Hinrichtung, des Hasses und des Misstrauens hat ein weiteres Mal gesiegt. So scheint es.

Die Versuchung zur Mutlosigkeit breitet sich auch heute vielfach aus. Gier und Gewinnmaximierung zerstören die Erde. In Fukushima, im Golf von Mexiko und an vielen Orten der Welt. Regierende schießen auf hilflose Demonstranten, Menschen bedienen sich hemmungslos an den Steuertöpfen, die eigentlich allen gehören und für alle da sind. Und was ist mit uns Christen?

Mitten hinein in all unsere ganze Menschlichkeit platzt ein „Pfingstwunder“. Da ereignet sich etwas, was die Welt zuvor noch nie erlebt hat. Aus verängstigten Menschen werden solche, die sich einsetzen für Gerechtigkeit, für die Ausgegrenzten, für die Liebe, für das Reich Gottes, wie sie es nennen. Und das nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten und mit ihrem Leben. Bis zum heutigen Tag.

Die Jünger von damals wenden sich entschieden dem Neuen zu. Auch heute kennen wir diese Angst vor Umbrüchen, die Angst vor dem Neuen. Das Neue ist immer unbekannt, kann aus dem Gewohnten heraus nicht abgeschätzt werden. Das Neue nähert sich immer dem Fremden. Und gleichzeitig ist es so, ohne das Neue – ohne das Wagnis – treten wir an derselben Stelle. Damals wie heute.

Das entschieden neue Heute, die Wirkung des Geistes, könnte man vielleicht mit Respekt, Mut und leidenschaftlicher Solidarität mit den Menschen umschreiben. Respekt vor dem Weg junger Menschen, wenn sie mit Freude und Entschiedenheit in eine Zukunft gehen. Mut für den Einsatz des Lebens, für die Würde des Menschen, am Anfang und am Ende seiner irdischen Existenz. Solidarität mit denen, die keine Heimat haben, die in Angst leben, die die Armutsgrenze, ja sogar die Armut spüren, die Gott nicht kennen.

Das Pfingstereignis damals wie heute lässt die Menschen alle Sprachen sprechen und auf geheimnisvolle Art und Weise verstehen. Es überwindet die Grenzen, stiftet Solidarität und Respekt. Das ist es, was Jesus wohl mit dem Reich Gottes meinte und wie sich im Brief an die Gemeinde in Galatien die Geistbegabung des Menschen zeigt: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal. 5,22-23).

Ich glaube, wir haben genug Diskussionsstoff für unser Gespräch am Marktplatz in Dornbirn, in Bregenz, in Feldkirch, in Bezau und in Schruns. Hier überall ist heute Pfingsten.

Dr. Benno Elbs
Generalvikar