Predigt von Generalvikar Dr. Benno Elbs beim Festgottesdienst anlässlich der Neueröffnung des Bildungshauses Batschuns am 26. April 2009.

Wir haben uns heute hier versammelt und ich möchte Euch ein paar bescheidene Gedanken zu dem sagen, was mir im heutigen Sonntagsevangelium (Lk 24, 35-38) begegnet ist – zu unserem Fest, das wir miteinander feiern dürfen.


Ein erster Gedanke:

Der Auferstandene gibt sich zu erkennen

Die heutige Welt ist geprägt von der modernen Logik. Ich denke hier an die Logik der Medien. Wir lesen die Zeitungen, wir surfen im Internet und zappen durch die Fernsehprogramme und übernehmen von dort unsere Maßstäbe: Wie komme ich an? Wie werde ich gesehen?
Oder ich denke an die Logik des Marktes. Wohin uns diese Logik führt, haben wir in den letzten Monaten schmerzhaft zu spüren bekommen.
Oder die Logik der Nützlichkeit. Oft unbemerkt schleicht sich der Gedanke in unser Leben ein: Was bringt mir das? Eine Frage, die manchmal sogar unsere persönlichsten Beziehungen prägt.
Oder die Logik der Naturwissenschaft. Wir glauben, was wir beweisen können, mit physikalischen und mathematischen Gesetzen.

Wie kann in dieser modernen Welt die „Logik der Auferstehung“ Platz gewinnen? Im heutigen Evangelium begegnet uns die ganz entscheidende Frage, vielleicht die wichtigste Frage der österlichen Zeit: Wo sind Deine Wunden? Heute im Evangelium zeigt Jesus seine Wunden. Seht meine Hände, seht meine Füße.

Ein Gedanke drängt sich mir persönlich auf. In den letzten Wochen ist vielfach von der Kirchenkrise die Rede gewesen. Es gibt eine Erzählung vom hl. Martin. Ihm soll der Satan selbst in der Gestalt Christi erschienen sein. Der hl. Martin ließ sich aber nicht beirren und er fragte diesen Christus, der in Wirklichkeit der Satan war: Wo hast Du Deine Wunden? Ein für mich sehr wertvoller Gedanke.

Ob etwas echt ist, erkennen wir an den Wunden.

Wenn ich einer erfolgreichen und einflussreichen Kirche begegnen würde, die durch ihre unbestreitbaren Verdienste auf den Gebieten der Caritas, des Bildungswesens, der Kultur, der Politik glänzen würde, wenn ich dort hervorragende Theologinnen und Theologen, Bischöfe, Priester, Manager sehen würde, die von überall her Anerkennung erhalten und genießen.
Wenn ich dieser makellosen Kirche begegnen würde, würde ich vermutlich erschrecken und ihr aus dem Weg gehen, weil es sich dabei vielleicht um einen höllischen Trick handeln könnte.
Wo wären all die Ausdrücke menschlicher Schwäche?
Wo ist der staubige Boden unserer Menschlichkeit, in den hinein Gott sein Wort gelegt hat?

Zugegeben, wir kennen die Sehnsucht nach dem perfekten Menschen, nach der perfekten Kirche, nach dem perfekten Politiker, nach der perfekten Ordensfrau. Aber: Christus ist an den Wunden erkennbar. Sie sind wichtig, sie sind wie ein Brennpunkt, der alles Leid, alle Angst, alle Not der Menschen ernst nimmt. Sie sind ein Brennpunkt, der alle Not in einen neuen Horizont, in den Horizont des Lebens und der Zukunft stellt.

Und so können wir in großer Bescheidenheit, nicht arrogant und überheblich sowie im Bewusstsein unserer Schwäche die wichtige Haltung christlichen Lebens lernen: Die Güte des Herzens.

Ich glaube, liebe Freundinnen und Freunde, Ostern ohne Wunden gibt es nicht.

Und hier sehe ich eine erste wesentliche Aufgabe des Bildungshauses Batschuns, wie es in der zentralen Bibelstelle des Werkes der Frohbotschaft heißt (bei Lukas 4,18). Gott hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe. Damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde, den Blinden das Augenlicht schenke, damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze oder mit dem heutigen Evangelium gesagt: Dass ich mich den Wunden zuwende, den Verwundeten dieser Welt, den Gekreuzigten unserer Tage, denn in ihnen begegnet uns Christus.

Das ist ein erster Wunsch für Euch, diese Haltung den Menschen gegenüber zu leben und die Menschen auch zu fragen, wo sind Eure Wunden, und diese in den österlichen Horizont zu stellen.

 


Einen zweiten Gedanken zum heutigen Evangelium:

Jesus öffnet ihnen die Augen für das Verständnis der Schrift

Dieser Satz ist auf dieses Haus zugeschnitten. Vielleicht könnte man es so übersetzen: Die Frohbotinnen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bildungshauses öffnen vielen Menschen in unserem Land das Verständnis der Schrift.

Durch viele Jahrzehnte hindurch habt Ihr den Menschen die Augen geöffnet, ihnen neue Sichtweisen geschenkt, sie gelehrt, biblisch denken zu lernen. Und ich glaube, liebe Freunde, dann wird unser Leben in den Horizont der Hoffnung gestellt. Die Wunden, die wir wahrnehmen, die Sorgen und Fragen der Menschen, die wir kennen, wären wohl unerträglich, wenn sie nicht in dieser Hoffnung stünden.

Wir brauchen Oster-Augen – damit wir in dieser Welt gut leben können. Augen, die sehen, dass unsere kleine Lebensgeschichte hineingenommen ist in die große Heils-Geschichte Gottes mit der Welt:

Eine schwere und zugleich hoffnungsvolle Erfahrung durfte ich in einer Vorarlberger Gemeinde machen. Ich war zur Aushilfe. Innerhalb einer Stunde sind drei Menschen bei Unfällen gestorben. Unter anderem ein junger Vater, der mit einem Geländewagen einen Abhang hinunter gefahren ist. Sein Körper war sehr entstellt. Wir haben dann am folgenden Tag entschieden, den Verstorbenen in der Kirche aufzubahren, damit die Familie am Sarg Abschied nehmen kann. So auch sein zwölfjähriger Sohn Kevin (Name geändert). Und dieser Kevin hat am offenen Sarg mit seiner Ziehharmonika seinem Vater ein Abschiedslied gespielt. Dann ist er auf den Kirchplatz gegangen, um Fußball zu spielen. Ich habe ihn dann gefragt, wie es ihm gehe und er sagte, dass es ihm gut gehe, weil er wisse, dass Gott auf seinen Vater schaue.

Liebe Freunde! Dieser Kevin hat Oster-Augen. In der wohl schwierigsten Situation seines Lebens weiß er, dass Gott das JA zu seinem Vater nicht zurücknimmt. Die Augen seines Herzens sind geöffnet für das Geheimnis der Auferstehung.

Danke, dass Ihr in diesem Haus menschliches Leben in den Horizont der Hoffnung stellt, in den Horizont von Sinn, in den Horizont Gottes, in dem Ihr uns und vielen anderen die Augen für das Verständnis der Schrift öffnet.

Das Evangelium heute, Lukas 24, ist voller Emotionen

Die Jünger erschraken, große Angst, Bestürzung, Zweifel. Sie staunten und konnten es vor Freude immer noch nicht glauben. Auferstehung, Ostern ist voller Emotionen.

Ostern ist ein Weg durch die emotionalen Täler unseres Herzens. Und das erinnert mich ein wenig an die vermutlichen Erfahrungen beim Bau des neuen Bildungshauses.

Ich verneige mich mit Respekt vor der mutigen Entscheidung der Frohbotinnen, die zum Glück viel Elan und Mut haben. Ich bin dankbar für die vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für den Freundeskreis, für den Bauausschuss, die diese Emotionen beständig getragen haben mit der sicheren Überzeugung und Hoffnung, dass dieses schöne Werk entstehen kann.

Alles, was neu wird, und alles, was neu zu leben beginnt, muss, oder vielleicht besser gesagt, darf durch dieses Tal der Emotionen. So ist es mit der Auferstehung und so ist es auch bei einem großartigen gemeinsamen Werk.

 

Drei Wünsche

Ich wünsche Euch sehr, dass der biblische Geist in diesem Haus lebt wie bisher. Die aufmerksame und liebevolle Zuwendung zu den Wunden der Menschen, zu den Wunden der Welt – in ihnen wird der auferstandene Christus sichtbar.

Ich wünsche Euch diesen offenen Geist, ja, den heiligen Geist, der hier den Menschen die Augen für die Bedeutung der Schrift öffnet. Oster-Augen mögen erkennen, dass der Nullpunkt der Anfang von Auferstehung sein kann.

Und mein dritter Wunsch: Dieses Haus möge ein Ort sein, wo Platz ist für Emotionen, für Freude, für das Staunen, genauso wie für jene Realitäten, die unser Leben bedrücken. Menschen sollen hier Mensch sein dürfen.

Gott segne Euer Haus!
Gott segne die Menschen, die hier Hoffnung, Freude, Trost und Perspektive für ihr Leben finden.


Dr. Benno Elbs, Generalvikar