Am 24. und 25. Dezember feierte Diözesanadministrator Dr. Benno Elbs gemeinsam mit vielen Gläubigen die Festgottesdienste im Dom St. Nikolaus zu Feldkirch. In seiner Weihnachtspredigt aktualisierte er die Bedeutung der Krippe von Bethlehem für das Hier und Heute.

Vielleicht haben Sie sich auch schon die Frage gestellt vielleicht sogar schon heute Abend: „Warum feiern wir eigentlich im Jahre 2012 noch Weihnachten?“ Die Welt, unsere Lebensumwelt, säkularisiert sich immer mehr.  Und dann ist da dieses Fest, das uns immer noch anrührt. Aber warum eigentlich?
Ich möchte hier nur kurz eine nette Begebenheit Hudalins erzählen, die zeigt, wie weit viele Menschen heute schon entfernt sind von diesem Weihnachtsfest. Christen, Frauen und Männer, führen in der Fußgängerzone ein Krippenspiel vor. Ein Mensch geht vorbei und sagt: „Es ist schon tragisch, jetzt reißen sich die Christen Weihnachten auch noch unter den Nagel.“

Warum eigentlich?

Oder eine andere Begebenheit: Umfragen in Einkaufszentrenergeben auf die Frage, was wir denn an Weihnachten feiern, oft die eigenartigsten Antworten. Erschreckend selten kommt der Gedanke, dass Weihnachten etwas mit der Geburt Jesu zu tun hat. Trotzdem feiern alle dieses Weihnachten, ob religiös oder säkular. Da stellt sich doch die Frage: Warum eigentlich?

Eine Beobachtung in der Natur hat mich da persönlich berührt. Wenn wir auf die Zugvögel schauen, so wissen wir, dass die Zugvögel alle einen inneren Kompass haben, der sie im Herbst nach Süden zieht und ihnen dann im Frühling wieder den Weg nach Norden weist. Es sind für uns nicht wahrnehmbare, morphogenetische Felder, die das große Wandern der Tiere in der Welt ordnen und bewegen. Niemand weiß woher das kommt.. Was zieht aber uns Menschen an die Krippe? Ich glaube, es ist das Geschehen dort. Hier an der Krippe passiert etwas Besonderes und es geht darin letztendlich um die tiefste Sehnsucht jedes Menschen: Das Geliebtsein!

Dazugehören dürfen

Die Ergebnisse der modernen Gehirnforschung sagen, dass es für das Glück des Menschen im wesentlichen zwei Dinge braucht: Das Eine ist das Dazugehören-Dürfen, das Angenommensein, das Eingebundensein in einem Raum des Vertrauens und der Liebe. Das Zweite ist: zeigen zu dürfen, was ich kann, was ich an Schöpferischem in die Welt bringen kann. Novalis meinte dazu: „Die Liebe ist der Sinn der Weltgeschichte.“

Deshalb, liebe Christinnen und Christen, wenn wir uns der Krippe nähern, nähern wir uns dem Sinn der Weltgeschichte. Wir nähern uns dem Sinn unseres Lebens. Ich glaube, das ist der große innere Kompass des Herzens, der uns Menschen Jahr für Jahr an diesen Ort führt, an diesen Ort, der im ersten Augenblick nichts Anziehendes hat, nichts Gastliches, äußerlich verwahrlost, kalt und schmuzig.

Durch das, was dort geschieht, wird das Entscheidende unseres Lebens sichtbar: Die Liebe als Sinn der Weltgeschichte.

Die Hand eines lieben Menschen

Es ist so, die Krippe steht nicht nur in Bethlehem. Die Krippe Jesu ist überall dort, wo Menschen in dieser großen Sehnsucht leben, wo Menschen lachen und weinen, wo Menschen sich freuen, dort wo Menschen mit Schuld fertig werden müssen, dort wo Menschen neue Wege gehen. Die Krippe steht in den Familien unseres Landes, die, wie das Sozialbarometer unserer Caritas deutlich zum Ausdruck bringt, unter unglaublichem Druck sind, finanziell, sozial und emotional.
Ein weiteres Beispiel, das mich persönlich besonders geprägt hat, ist die Erfahrung mit jugendlichen Drogensüchtigen. Es ging um das Thema Sucht. Eine Frage war natürlich, was denn eigentlich das Gegenteil von Sucht ist. Die Antwort einer drogensüchtigen Jugendlichen war: „Das Gegenteil von Sucht ist Genuss.“ Ein interessanter Gedanke. Die Folgefrage ist natürlich: Was ist denn der größte Genuss im Leben eines Menschen. Die Frau sagt darauf: „Der größte Genuss ist, in der Hand eines lieben Menschen geborgen zu sein.“

Zuhause ist man dort, wie Christian Morgenstern sagt, wo man geliebt wird. Die Krippe ist so ein Ort. Aus der Krippe leuchtet uns Heimat entgegen. Die Krippe ist ein Ort, wo wir die Liebe Gottes atmen dürfen. Die Krippe ist daher im Tiefsten ein Ort unserer Sehnsucht.

Das Versprechen an der Krippe

Ich möchte uns allen wünschen, dass wir in der Krippe Jesu gestärkt werden, dass ihr Licht in die Räume unseres Herzens strahlt, in die Räume unserer Seele. Ich möchte uns wünschen, dass wir dieses Licht nicht für uns behalten, sondern wie das Friedenslicht von Bethlehem an andere Menschen weitergeben, andere Menschen anzünden/anstecken mit dieser Freude, mit dieser Hoffnung, mit dieser Erfahrung der Liebe.Gott liebt uns, dich und mich – das ist das unauflösliche Versprechen, das uns an der Krippe gegeben ist.

Dr. Benno Elbs
Diözesanadministrator