Gedanken zum Fest Christi Himmelfahrt von Generalvikar Dr. Benno Elbs.

Die große Sehnsucht

Umfragen über die Werte und Sehnsüchte der Menschen stellen immer wieder ein Thema in den Vordergrund. Es ist die große Sehnsucht des Menschen, irgendwo zuhause zu sein, eine Heimat zu haben,

  • einen Ort, wo ich Geborgenheit und Ruhe spüren darf;
  • einen Ort, wo ich schwach sein darf, wo ich mich anlehnen kann;
  • einen Ort, wo ich geliebt und respektiert bin.

Der Philosoph John O’Donohue sagt, dass „die Sehnsucht nach Zugehörigkeit den eigentlichen Kern unserer Natur bildet. Mögen wir uns oft auch isoliert fühlen, es ist die Natur unserer Seele, anzugehören“.

Die große Sorge 

Dieser Sehnsucht steht manchmal eine andere Erfahrung gegenüber. Die neueste Studie über die „Lebenswelten – Werthaltungen junger Menschen in Vorarlberg“ sagt beeindruckend, dass die Vorarlberger Jugendlichen große Ängste vor allem im sozialen Bereich haben: Angst, ohne Freunde zu sein, Angst vor der Trennung der Eltern, Angst vor Verarmung der Eltern. Daraus spricht die Sorge, dass diese Heimat - dieses Zuhause - zerbrechen könnte.

Sehr berührt hat mich auch die Schilderung von Arno Geiger, der die Demenzerkrankung seines Vaters beschreibt - mit dem treffenden Titel: „Der alte König in seinem Exil“. Da geht es um Menschen, die sich immer im Exil befinden. Sie machen die bedrückende Erfahrung, nie zuhause zu sein. Sogar im eigenen Bett und in der eigenen Stube haben sie das Gefühl, nicht zuhause zu sein.

Die große Zusage

Dem steht die große Zusage Jesu im Evangelium des vorletzten Sonntags gegenüber (Joh. 14, 1-12): „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich. Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. ... Ich gehe, um einen Platz für Euch vorzubereiten. ...“ 

Und dann ist da auch noch der wunderschöne Satz am Ende des irdischen Lebens Jesu: „Ich bin bei Euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“

Himmelfahrt heißt nicht, Jesus nimmt Abschied, sondern Himmelfahrt heißt, Jesus eröffnet uns über unsere irdische Wohnung hinaus einen Platz bei ihm, in seiner Nähe, in unserer wahren Heimat. Er wendet sich in einer neuen Weise uns Menschen zu, mit seiner großen Sehnsucht, mit seiner großen Sorge.

Ein unüberbietbares Zeugnis

Mit gefesselten Händen schreibt der selige Franz Jägerstätter kurz vor seiner Hinrichtung im Gefängnis Berlin/Tegel: „Nicht Kerker, nicht Fesseln, auch nicht der Tod sind imstande, einen von der Liebe Gottes zu trennen, ihm seinen Glauben und den freien Willen zu rauben. Gottes Macht ist unbesiegbar." 

In der tiefsten Einsamkeit, in der Folter der Verlassenheit, kurz vor dem Weg zum Schafott sind diese Zeilen von unüberbietbarer Kraft. Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes.

Himmelfahrt ist kein Fest des Abschieds, sondern ein Fest der neuen Zuwendung Gottes zu unseren Wegen und zu unserer Welt. Das gebe uns Mut und Zivilcourage. 

Dr. Benno Elbs
Generalvikar