„Hätte ich nicht eine innere Kraft, so möchte man verzweifeln an solchem Wahnsinn des Lebens. Aber alles Geschehen hat schließlich seinen Sinn und Zweck gefunden, das muss mich trösten ...“.

Diese Zeilen schreibt Provikar Carl Lampert, der in zwei Wochen selig gesprochen wird, aus dem Gestapo-Gefängnis, dem Ort seiner Hinrichtung.

Die Tage Allerheiligen und Allerseelen erinnern uns daran, dass der Tod kommt, wann er will. „Auch an blauen Tagen bricht das Herz“, sagt Hilde Domin.

Der Tod wirft immer seine Schatten voraus. Bei jedem Abschied mitten im Leben, bei jedem Verlust, bei jeder Trennung werden wir an die Vergänglichkeit erinnert. Der Schatten des Todes begegnet uns im Weinen in den Altenheimen und Krankenhäusern, im Weinen der Einsamkeit, im Weinen über zerbrochene Beziehungen, im Weinen nicht mehr gebraucht zu werden, im Klagen von Kindern, Frauen und Männern in den verschiedensten Katastrophengebieten unserer Erde.

Der Tod, die Trauer verschatten die Seele.

„Hätte ich nicht eine innere Kraft“, ist das Hoffnungswort Carl Lamperts. Und welcher Weg kann uns zu dieser inneren Kraft führen?

Drei kurze Gedanken möchte ich an diesem Feiertag mit Ihnen teilen.

Der Trauer eine Wohnung geben.

Ein Ort kann helfen, einem verstorbenen Menschen zu begegnen – vielleicht der Besuch eines Grabes an diesen Tagen, ein Foto, eine Landschaft, die man gerne zusammen bereist hat.

Manchmal hilft auch das Schreiben eines Briefes, in dem wir den Verstorbenen teilhaben lassen an unserem Leben.

Mit großer Betroffenheit im positiven Sinn erinnere ich mich, wie ein Jugendlicher einen Brief in den Sarg seines verunglückten Vaters gelegt und ihm auf einem Instrument ein Lied zum Abschied gespielt hat. Auch das Aufschreiben der Erinnerungen an eine gemeinsame Zeit kann helfen, der Trauer einen Ort zu geben. Trauer braucht Zeit. Die Seele hat eine andere Geschwindigkeit wie unser hektischer Alltag. Unsere Trauer braucht einen Ort.


Warum weinst Du?

Als Jesus der weinenden Maria Magdalena im Garten, wo sein Grab war, begegnet ist, ist das die Frage, die die Wende in ihr Leben bringt.
Eine anteilnehmende Frage kann die Lichtverhältnisse in der Seele verändern - wenn ich spüre, dass meine Tränen, mein Schmerz wahrgenommen werden. Mein verzweifeltes und stilles Weinen ist nicht mehr verborgen. In meiner Trauer und Not ist jemand, der sich mir zuwendet.

Das ist ein Auftrag für uns alle, wenn wir mit trauernden Menschen ein Stück des Weges gehen dürfen. Die Frage: „Warum weinst Du“? hilft, sich dem Leben zuzuwenden.

Auferstehung und Leben.

Im Zentrum unseres Glaubens – und ohne dieses Zentrum wäre der Glaube nutzlos und sinnlos – steht der Satz Jesu: „Ich bin die Auferstehung und das Leben.“ Wenn der auferstandene Christus der trauernden Maria Magdalena im Garten die Frage stellt: „Maria, warum weinst Du?“, dann wendet sich der Tod ins Leben. Das ist Ostern.

Dass ich vom auferstandenen Christus meinen Namen höre, das kann mich tragen und mir Halt geben.

Carl Lampert und viele Märtyrer des Naziregimes und heutiger Regime nehmen aus dieser Frage Jesu die Kraft zum Leben.

Und das dürfen wir auch hoffen in nicht einfachen Augenblicken unseres Lebens. Dann lichtet sich vielleicht für Momente der Nebel der Trauer durch die zaghafte Zuversicht, dass der Tod nicht die letzte Macht über das Leben hat, dass meine Tränen nicht umsonst geweint sind und dass es stimmt, was in der Osternacht gesungen wird: Christus ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden.

Ich wünsche uns allen diese Hoffnung, die uns aufrichtet. Die Hoffnung, die uns sagt, dass unser Leben nicht in den Tod führt, sondern in die Fülle des Lichts, in die nie endende Liebe Gottes.

Dr. Benno Elbs
Generalvikar