In seinen Gedanken zum ersten Fastensonntag führt Diözesanadministrator Dr. Benno Elbs die Bilder der kargen Wüste und der Fülle und Pracht des Lebens aufeinander zu.


Liebe Schwestern und Brüder!
Der erste Fastensonntag führt uns in die Wüste. Denken wir an die Wüste, haben wir häufig Bilder der Trostlosigkeit und Leere vor Augen, die nahezu ohne Leben sind. Wüste ist Gefahr, Trockenheit, Hitze, Einsamkeit und Bedrohung des Lebens. Sie bedeutet Menschenleere und Gottverlassenheit. Dieses Bild bestätigt die Geschichte von der Versuchung Jesu in der Wüste.

Faszinierende Naturdokumentationen zeigen jedoch auch, dass es eine ganz wesentliche und andere Seite der Wüste gibt. Sie ist auch Anwesenheit - Anwesenheit von Leben und wunderbarer Pracht. Sie bietet Zugänge zu einer anderen Welt. Wenn die Wüste blüht, ist sie ein Ort des Staunens, der zeigt, dass das Leben stärker ist als alle Trockenheit, alle Hitze und Gefahr. In der Wüstenerfahrung erlebt Jesus, woher ihm letztlich die lebensspendende Kraft zufließt:

Erstens: Ein Ort des Lebens ist die Freundschaft mit Gott

In seiner diesjährigen Fastenbotschaft erinnert Papst Benedikt XVI. an seine erste Enzyklika „Deus Caritas est“, in der er schreibt: „Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt.“ (DC1)

Unsere Kirche ist ein Sakrament der Gottes-Freundschaft

Das Ziel der Fastenzeit ist die Erneuerung meiner Freundschaft mit Gott. Was führt uns in diese Gemeinschaft, in diese Freundschaft? In der Naturwissenschaft ist die Wahl der richtigen Forschungsmethode entscheidend. Wer zum Beispiel die Temperatur eines Raumes wissen will, der wird sich fragen, welche Messmethode ihn am besten zum Ziel führt. Zum  Messen der Temperatur eines Raumes werden wir keine Stoppuhr verwenden, sondern ein Thermometer. Diese Regel gilt in gewisser Hinsicht auch für die Dinge des Lebens. Auf die Beziehung zu Gott angewendet, ist der Weg in erster Linie das Hören und die Achtsamkeit für seine Spuren in unserem Leben.

Das erste Gesetz der Freundschaft lautet, dass sie gepflegt werden muss. Die Fastenzeit im Jahr des Glaubens ist eine Einladung an uns, achtsam unseren persönlichen Brunnen zu graben und unsere Quellen zu suchen, die Gott uns schenkt. Das Fasten kann ein Weg dazu sein. Der reiche und gesättigte Mensch steht in der Gefahr, die Quellorte nicht zu finden, denn er ist nicht durstig. Darum wird er nicht suchen und deshalb wird er nicht finden.

Wir sehen es auch in der Natur, im Geheimnis der Bäume. Auf fetten Böden in mildem Klima wachsen die Bäume kraftvoll und schnell. Für manche Anforderungen sind sie so jedoch ungeeignet. Auf mageren Böden, wo sie den Widerständen des Alltags trotzen müssen, erlangen sie eine robuste Festigkeit und sind für Großes geeignet, z. B. für den Instrumentenbau (vgl. Martin Schleske. Der Klang. Vom unerhörten Sinn des Lebens. München 2010).

Ein Bild für uns Menschen

Die Wüste, der magere Boden führt uns in die Sehnsucht nach Gott. Ich möchte Ihnen wünschen, dass das Fasten Ihre Sehnsucht wachhält, dass es Sie zu Suchenden macht und Sie so hören und sehen dürfen, welche große innere Kraft Gott für Ihr Leben bedeutet. Die Erfahrung der Wüste, die Erfahrung der Kargheit, die Erfahrung des Verzichtes ist ein Weg, den uns auch die großen Mystiker lehren.

Zweitens: Das Fasten führt uns zur Achtsamkeit für die Not des Nächsten

Durch den Glauben entsteht unsere Freundschaft mit dem Herrn; durch die Nächstenliebe wird diese Freundschaft gelebt und gepflegt. Papst Benedikt XVI. betont in seiner Fastenbotschaft die unauflösliche Verbindung zwischen Glaube und Nächstenliebe. Nächstenliebe ist mehr als Solidarität, Nächstenliebe ist Glaube und Glaube ist auch Nächstenliebe.

Im Wesentlichen geht alles von der Liebe aus und es strebt alles zur Liebe hin. Das Fasten öffnet die Augen unseres Herzens für die Not der Menschen. Wer fastet, weiß, wie es den Armen zumute ist. Es geht nicht um Kilo und das Abnehmen, sondern es geht um die Sensibilisierung für die Not der Welt. Große Heilige der Nächstenliebe sehen im leidenden Menschen ein Bild für Christus. Die Beziehung zu Christus und die Sorge für den Nächsten sind deshalb nicht zu trennen.

 

Liebe Gläubige!

Ich möchte Ihnen in diesen Wochen vor Ostern - im Bild gesprochen - diese kreative Wüstenerfahrung wünschen. Eine Erfahrung, die Sie hineinführt in die Sehnsucht nach Gott, die Sie zu einem hörenden Menschen macht, und eine Erfahrung, die Sie achtsam und sensibel werden lässt für die Not der Menschen.

Dann weht uns die Osterhoffnung entgegen. Die Hoffnung, die unser Leben froh und zuversichtlich macht. Gott segne Ihre vierzig Tage bis Ostern, diese Zeit besonderer Gottes-Freundschaft.


Dr. Benno Elbs
Diözesanadministrator