Gedanken zum Fest Erscheinung des Herrn von Diözesanadministrator Dr. Benno Elbs

Sicherlich kennen wir alle Sternstunden in unserem Leben. Ich denke an eine bestandene Prüfung, an einen Studienabschluss, an einen schönen Ausflug mit der Familie, an eine Hochzeit, an die Geburt eines Kindes. Mir kommen persönliche Begegnungen, tragende Freundschaften und viele schöne Erfahrungen und Erlebnisse in den Sinn. Jeder Mensch hat seinen eigenen Sternenhimmel, seinen persönlichen Stern, der Halt und Orientierung gibt.

Der große Philosoph Immanuel Kant meinte einmal, dass die Weite des Sternenhimmels über uns und die Tiefe des moralischen Gesetzes in uns überzeugende Gottesbeweise seien.

Die Weisen aus dem Morgenland haben in den Sternenhimmel geschaut. Sie sind eine provokante Einladung an uns, aus dem Druck unseres Alltags den Sternenhimmel über uns zu sehen und unseren Blick zu weiten.

Richte Dich auf.

Der Prophet Jesaja im Alten Testament beschreibt eindrucksvoll, was einen religiösen Menschen ausmacht: „Richte Dich auf und erhebe Dein Haupt, denn Deine Erlösung ist nahe.“ Der Mensch, der den Bezug zum Sternenhimmel verloren hat, ist in sich selbst gefangen und nur mit sich beschäftigt. Er unterliegt der Gefahr der Gottesferne und des Verlustes der Beziehung zum lebensspendenden Gott. Religion bedeutet, aus den Gewohnheiten des Alltags aufzustehen, den eigenen Horizont zu weiten und dort die Gegenwart Gottes wahrzunehmen.

Genau solche aufgeschlossene Menschen, die immer auch den Horizont im Blick haben, sind die drei Weisen, von denen das Fest der heiligen drei Könige spricht. Sie folgen einer Vision, einer Hoffnung, für die es sich lohnt, das eigene, vertraute und gewohnte Land zu verlassen und aufzubrechen. Sie folgen dem Stern. In der Bibel werden sie nicht als Könige, sondern als weise Sterndeuter, als Menschen beschrieben, die über die Grenzen des eigenen Lebens hinausschauen und offen sind für die Zeichen der Natur, für die Zeichen des Lebens und für die Zeichen Gottes.

Gold – Weihrauch – Myrrhe.

Und die Geschenke haben großen symbolischen Charakter.

Gold steht für den materiellen Wohlstand, ein Recht jedes Menschen. Jeder hat Anspruch auf Arbeit, auf gerechten Lohn und das tägliche Brot. An der Krippe ertönt so symbolisch der Ruf nach sozialer Gerechtigkeit.

Der Weihrauch steht für das geistliche und religiöse Leben. Zum Menschsein im tiefsten Sinn gehört das Leben in der Gegenwart Gottes. Dort ist die Quelle der Freude. Die heilige Teresa von Avila ist überzeugt, dass beten bedeutet, sich in der Gegenwart eines Freundes zu befinden, einfach und unverzweckt. An der Krippe finden die Sterndeuter und auch wir heute diesen Ort.

Und Myrrhe ist ein altes Heilmittel. Das Grundthema des Lebens Jesu war das Thema der heilenden Zuwendung zu den Menschen, besonders zu jenen, die nicht in der Aufmerksamkeit der Welt, der Medien und der Menschen stehen.

Melodie der Hoffnung.

Wenn man den Text des Besuches der Sterndeuter in Bethlehem (Matthäus 2,1-12) so betrachtet, zeigen sie uns die Melodie der ganzen frohen Botschaft Jesu. Die Kinder und Jugendlichen, die in diesen Tagen als Könige verkleidet unsere Häuser besuchen, angefangen von der Hofburg in Wien bis zur einfachen Wohnung in einer Stadtsiedlung, erinnern uns an den tiefsten Sinn unseres menschlichen Weges: Richte Dich auf und erhebe Dein Haupt, denn Deine Erlösung ist nahe. Und wo das Licht des Himmels durch einen Menschen hindurchscheint, wird er zum Segen für andere und zu einer Sternstunde für unsere Zeit. Er bringt den Menschen auch heute die symbolischen Gaben: Gold, Weihrauch und Myrrhe in ihrer hoffnungsvollen Bedeutung.

Besonders heute – am Fest der Erscheinung des Herrn - wünsche ich Ihnen Ihren persönlichen Blick in den Sternenhimmel.

Dr. Benno Elbs
Diözesanadministrator