Gedanken zum Sonntagsevangelium (Johannes 15,1-8) von Diözesanadministrator Dr. Benno Elbs.

Die Ablenkung ist groß in unserem Alltag und auch auf unserem Weg als glaubende Menschen. Der Beruf und die Tätigkeiten unseres Lebens nehmen uns in Anspruch. Und manchmal ist es dann so, dass wir uns dabei ertappen, das Wesentliche, den Sinn unseres Weges aus den Augen zu verlieren. Eine Herausfordung löst die andere ab. Eine Frage folgt der anderen. Ein Ereignis dem anderen.

Weinstock und Reben.

Jesus spricht im heutigen Sonntagsevangelium (Johannes 15,1-8) das Zentrum unseres Glaubens an. Er wählt dafür das Bild vom Weinstock. Jede Rebe, die Frucht bringen will, muss mit dem Weinstock verbunden sein. Die Bibel unterscheidet immer wieder zwischen Fruchtbarkeit und Leistung. Die Leistung können wir uns erarbeiten, um sie können wir uns bemühen, die Fruchtbarkeit unseres Tuns hängt hingegen von anderen Faktoren ab. Sie ist im Letzten Geschenk. Das wissen wir vor allem in den persönlichen Bereichen unseres menschlichen Lebens: in unseren Beziehungen, im Bereich der Gesundheit, bei der Frage nach dem Glück und der Zufriedenheit.

Das Bild des Weinstocks und auch des Weinbergs beeindruckt. Wer einmal durch einen der leider sehr spärlichen Weinberge in Vorarlberg oder im Elsass, im Südtirol oder in der Steiermark spaziert ist, der merkt, dass das Orte mit einer besonderen Atmosphäre sind. Weinberge sind Orte, wo mir Menschen schon sagten, dass sie neu zur Kraft ihres Lebens gefunden haben. Nicht nur das Produkt des Weinbergs erfreut unser Herz, sondern auch der Ort selbst.

Das Bleiben in Gott.

Dieses Bild nimmt Jesus her, um das Entscheidende anzusprechen. Das Bleiben in Gott. Unser Leben ist getragen von Sinn und Glück, wenn wir im Geheimnis Gottes zuhause sind.

Bei meinem Studium in Paris war eine Vorlesung diesem einen Wörtchen „demeurer“, d. h. „bleiben“, gewidmet. Was kann uns helfen, in diesem Geheimnis des Lebens, im Geheimnis Gottes zu bleiben?

Drei Gedanken.


Dankbarkeit

Ein dankbarer Mensch erfährt sich als beschenkter Mensch. Ein beschenkter Mensch erfährt sich auch als geliebt. Ein berührender Gottesdienst (z. B. bei der Landeswallfahrt am 1. Mai am Liebfrauenberg, den wir heuer erleben konnten), ein Frühlingsspaziergang in diesen Tagen, wo sich unser Land von der schönsten Seite zeigt, führt uns in dieses tiefe Gefühl der Dankbarkeit. In das Wissen, dass diese Erde im Geheimnis Gottes ruht.

Aufmerksamkeit

Dann ist es auch die Aufmerksamkeit für die täglichen Begegnungen, die uns geschenkt sind. Begegnungen des Trostes am Krankenbett, Begegnungen der Freude und der guten Wünsche an einem hohen Geburtstag, die Begegnung eines Versöhnungsgesprächs, das lang zurückliegende Wunden heilen kann. Erfahrungen, die leicht übersehen bzw. überhört werden können, wenn wir uns nicht ganz bewusst für diese Aufmerksamkeit und Achtsamkeit entscheiden.

Gebet

Und ein dritter Weg im Geheimnis Gottes zu bleiben ist das Gebet.

Das einfache Gebet während eines Tages, in der Früh oder am Abend. Wunderschön gestaltete festliche Gottesdienste, Musik alter Meister, die unser Herz öffnen für die Erfahrung des Göttlichen, ein kleines Stoßgebet vielleicht vor einer wichtigen Entscheidung. Oder auch die große Klage in Situationen der Not, in der Verzweiflung. Oder das Berühren eines Gipfelkreuzes nach einem anstrengenden Aufstieg auf einen Berg, ....

Entscheidend ist immer diese tiefe Erfahrung, dass wir in Gott bleiben und er in uns. Viele menschliche Wege wären nicht möglich gewesen ohne diese Kraft.

Ich denke an unseren seligen Carl Lampert, der seinen Kampf und seinen Einsatz gegen die Übermacht der Unmenschlichkeit nur in dieser tiefen Verbundenheit mit Christus bis zum letzten Atemzug durchgestanden hat: „Hätte ich nicht diese innere Kraft, ich würde verzweifeln ob diesem Wahnsinn des Lebens“.

Das Spazieren durch einen Weinberg, das Meditieren des Bildes vom Weinstock und den Reben bringen uns an die entscheidende Quelle unseres menschlichen Daseins. Diese Quelle ist das Bleiben in Christus. Aus dieser Quelle fließen die Geschenke der Hoffnung, des Vertrauens, der Liebe, der Zuversicht, des Mutes. Diese Geschenke wünsche ich Ihnen ganz besonders an diesem Frühlingssonntag.

Dr. Benno Elbs
Diözesanadministrator