Sie haben alle 20 Folgen der Serie "Die Wege des Herrn" gesehen? Sie möchten Denkanstöße für eine Reflexion haben? Dann sind Sie hier richtig. Der Theologe und Medienexperte Klaus Feurstein lässt die zweite Staffel revue passieren.

Klaus Feurstein

ACHTUNG: Falls Sie die Serie noch nicht gesehen haben - hier wird gespoilert, also das Ende verraten.

Wer am 28. Mai die letzte der insgesamt 20 Folgen der Geschichte um den dänischen Pastor Johannes Krogh, seine Frau, seine beiden Söhne und seine Gemeinde auf Arte gesehen hat, hält sie wahrscheinlich für zu Ende erzählt.
Die erste Staffel handelt von zahlreichen Themen, Problemen und Fragestellungen des modernen Menschen. Meist werden sie als moralische Dilemmata abgehandelt, z.B. ob ein Pfarrer, der in Afghanistan Seelsorger für die Nöte der Soldaten sein will, auch ihre Waffen segnen oder sogar mit ihnen kämpfen soll, wenn er von ihnen ernst genommen werden soll. Diese Kriegserfahrung des Pfarrersohnes August führt über einige Umwege schließlich zu seinem Tod am Ende der 1. Staffel.
Auch die 2. Staffel erzählt von existenziellen Themen des heutigen Menschen, von Drogenabhängigkeit, Sterbehilfe, vom Verhältnis der Weltreligionen Christentum und Islam, von Homosexualität und Glauben, vom unterschiedlichen Verständnis der Kirche als kundenorientierte Dienstleistungsinstitution oder als Gemeinschaft in der Nachfolge Jesu.

Trauerbewältigung als zentrales Thema

Aber das Hauptthema im 2. Teil ist der Umgang des Vaters, der Mutter und des Bruders mit dem Tod des jungen Pastors August.
Die Mutter sucht in ihrer Verzweiflung ein Medium auf, das Kontakt zu ihm herstellen kann und erfährt, dass auch sie mediale Fähigkeiten besitze. Erst nach einem angsteinflößenden Erlebnis, als eine Seele anscheinend von ihr Besitz ergreifen will, bricht sie diesen Weg abrupt ab.
Bei der Trauerarbeit um August geht es allen um die Frage der eigenen Schuld. Jedes Familienmitglied hält sich auf die eine oder andere Weise verantwortlich für dessen Tod.

Der Bruder Christian, der sein Theologiestudium abgebrochen hat und nach einem Tibet-Aufenthalt ein buddhistisch inspiriertes Lebensberatungskonzept zusammen mit seiner Partnerin mit großem Erfolg verkauft, will mit der noch fehlenden Masterarbeit seinen Studienabschluss nachholen. Als Thema wählt er „Schuld und Vergebung in der Philosophie Sören Kierkegaards“ und damit sein Lebensthema. In dieser tiefen Auseinandersetzung und durch eine Reise nach Jerusalem, wo er an einem von August gewünschten spirituellen Ort dessen Asche verstreut, gelingt ihm ein Stück Trauerbewältigung und Rückgewinnung autonomen Handelns.

Der Wandel des Vaters

Und der Vater, Pastor Johannes Krogh, die Hauptperson und das Zentrum des Films? Ihm gelingt, was in der ersten Staffel unmöglich schien: eine Veränderung seiner rigiden Persönlichkeit, eine Öffnung auf die Menschen hin. Nach einer masochistischen Phase des Sich-Schmerz-zufügen-Wollens entwickelt er immer mehr, wenn auch nicht durchwegs linear, eine jesuanische Perspektive, wie sie der verstorbene Sohn lebte. Gegen einigen Widerstand aus der Gemeinde wandelt er das Gotteshaus in ein Asyl für Obdachlose um. Einem sensiblen homosexuellen Mann, der in schwere Gewissenskonflikte mit seiner alten, fundamentalistischen Gemeinde gerät, berät er liebevoll, steht ihm zur Seite und traut ihn schließlich trotz Verbot in seiner Kirche.

Er reagiert nicht mehr mit belehrenden Glaubenssätzen auf die Nöte der Mitmenschen, sondern findet zu einem dynamischen Wahrheitsbegriff, der sich an der Liebesethik Jesu orientiert. Freilich blitzt dazwischen einmal sein fanatischer Glaube wieder auf, als er in einer Art ekstatischer Verbundenheit mit dem toten August seinen Enkel ohne die Zustimmung von dessen atheistischer Frau tauft. Das führt schließlich zusammen mit anderen Regelverstößen (sein ehemaliger, aber nun überwundener Alkoholismus z.B.) dazu, dass ihm von der Bischöfin die Erlaubnis zur Gemeindeleitung entzogen wird. Irritierend, zumindest für ein katholisches Publikum, wirkt die Darstellung der weiblichen, in bürgerlichen Konventionen gefangenen Pfarrerkolleginnen, die auf Grund ihrer Machtposition oder durch Denunziation den jesuanisch agierenden Mann zu Fall bringen. Klischeehaft ist das sicher nicht, eher gegen Strich gebürstete Erzählung.

Der Schluss

Kurz vor dem Ende der 2. Staffel hätte sich ein offener Schluss angeboten. Doch dann wird nach dem Insert „2 Jahre später“ die Geschichte klarer abgeschlossen. Johannes arbeitet nun - mit alter Leidenschaft - als Leiter eines Predigerseminars. Seine Frau versucht einen Neubeginn und begibt sich auf eine Pilgerreise. Und Christian… wird Pfarrer. Aber diesmal nicht, um dem Wunsch oder Befehl seines Vaters zu gehorchen. Der gewandelte Pastor hat ihn inzwischen ja loslassen und freigeben können. Christian will es, weil er diesen Beruf für seine Berufung, für seine eigene Bestimmung hält.
Damit ist die Geschichte zwar irgendwie zu Ende erzählt, aber gleichzeitig sind Spuren gelegt, die eine Fortsetzung denkbar erscheinen lassen. Mir würde das gefallen.

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