„Einen solchen Film hat es noch nie gegeben“, schrieb die die Londoner Times und Michael Moore legte nach: „Einer der wichtigsten Dokumentarfilme aller Zeiten.“ Gemeint ist das Videotagebuch der Syrerin Waad-al-Kateab mit dem Titel "Für Sama".

Klaus Feurstein

Sama ist die kleine Tochter der Regisseurin, der dieser Film gewidmet ist. Mit ihrem Smartphone (und später mit der Kamera) hat Waad-al-Kateab Alltagsszenen aus dem Kriegsgebiet in Aleppo aufgenommen. Manchmal scheint sie die Grenzen des Erträglichen oder Darstellbaren fast zu überschreiten. Sie zeigt schonungslos Chlorgas- und Luftangriffe, Streubomben, verstümmelte, traumatisierte und tote Kinder mit ihren verzweifelten Familien. Einmal filmt sie in Nahaufnahme drei Jungen, drei Brüder, die hemmungslos um ihren Jüngsten weinen, der an seinen Verletzungen stirbt.

Entsetzen und Trost

Ist das nicht voyeuristisch, eine Tabuverletzung? Nein, weil die Filmemacherin selber mitten im Geschehen ist. Sie ist keine Journalistin, die eine Episode filmt und sich dann wieder zurückzieht. Sie ist selber permanent bedroht. Von den Zusehenden wird zwar mit diesen Bildern des Schreckens viel verlangt, gleichzeitig erzählt ihre Kamera aber auch Hoffnungsgeschichten: ihr Mann, Samas Vater, rettet als Arzt viele Leben, die Menschen halten zusammen und trösten sich gegenseitig und immer wieder sehen wir die Bilder der kleinen Sama und die Zärtlichkeit, mit der die Eltern sie überhäufen. Auch die hoffnungsvollen Anfänge der Studentenrevolte von 2012 werden gezeigt und die eigene Hochzeit. Immer werden den Bildern des Schreckens auch solche des Überlebenswillens, der Hoffnung, Humanität und Solidarität gegenübergestellt, sodass man als Publikum zwar verstört und empört über so viel Unrecht und Grausamkeit reagiert, aber durch Bilder des Trostes gleichzeitig aufgefangen wird.

Ein aufklärerischer Film

Dass nach dem Sehen dieses Filmes noch irgendjemand den syrischen Kriegsflüchtlingen die Aufnahme verweigern möchte, ist undenkbar. Beindruckend ist das Ausharren der Filmemacherin mit ihrem Mann als helfendem Arzt im Kriegsgebiet. Dass sie sich nach fünf Jahren doch zur Flucht nach London entscheiden, hat wohl damit zu tun, dass sie mit dem Film auf andere Weise etwas für die Kriegsopfer von Aleppo bewirken können.
Die British Academy of Film and Television verlieh der Regisseurin den Preis für die beste Doku, in Cannes wurde sie gefeiert und in den USA für den Oscar nominiert.

Für Sama, Dokumentarfilm, Großbritannien/Syrien 2019, 95 Minuten, Regie: Waad-al-Kateab