Am Samstag gingen die 77. Filmfestspiele von Venedig zu Ende, die trotz der Corona-Pandemie erfolgreich durchgeführt werden konnten.

Klaus Feurstein

Das Festival von Venedig war nach Berlin im Februar das erste, das 2020 trotz der Pandemie durchgeführt wurde. Cannes und Locarno waren abgesagt worden. Mit den entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen konnte die Biennale aber ohne große Probleme abgewickelt werden. Die Jury war mit Cate Blanchett als Präsidentin, Matt Dillon, Christian Petzold und der Österreicherin Veronika Franz wie der Wettbewerb mit den Regisseuren Amos Gitai, Andrei Kontschalowski und Francesco Rosi wieder prominent besetzt.

Den Goldenen Löwen gewann im Internationalen Wettbewerb die Sino-Amerikanerin Chloé Zhao mit dem Film "Nomadland" und den Großen Preis der Jury der Mexikaner Michel Franco mit "Nuevo Orden". Der Katholische Weltverband für Kommunikation vergab seinen Preis für "Quo Vadis, Aida?" von Jasmila Žbanić über das Massaker von Srebenica.

Das Neue Evangelium

Mit großer Aufmerksamkeit wurde "Das neue Evangelium" des Schweizer Theater- und Politaktivisten und Intendanten des Genter Theaters Milo Rau bedacht, der in einer Sondersektion lief. Rau erhielt von der Kulturhauptstadt Italiens 2019 das Angebot, einen Jesusfilm zu drehen. Weil schon Pasolini sein Meisterwerk „Das erste Evangelium“ und Mel Gibson seine „Passion Christi“ dort realisiert hatten, wollte auch Rau eine eigene Version in Matera versuchen.

Hatte er zunächst an eine historische Verfilmung gedacht, brachte ihn die Begegnung mit den Flüchtlingen, die in dieser Gegend auf den Tomatenplantagen arbeiten und durch die Mafia und Lebensmittelkonzerne drastisch ausgebeutet werden, auf die Idee einer Aktualisierung. Er besetzte fast alle Rollen mit den Arbeitssklaven von Süditalien. Jesus wird vom schwarzen Politaktivisten Yvan Sagnet gespielt, der den Widerstand gegen das ausbeuterische System organisiert und dafür von der italienischen Regierung eine Auszeichnung erhalten hatte.

Einsatz für die Schwächsten

„Ich habe mich gefragt, wo Jesus heute gebraucht wird. Vor meinem inneren Auge entstand das Bild eines Aktivisten in Italien, der sich für die Rechtlosen einsetzt. Wir müssen die Bibel immer in unserer eigenen Zeit denken, sonst macht das Neue Testament keinen Sinn“, erklärt Milo Rau in einem Interview mit Sarah Stutte auf kath.ch.

Historisch gesehen sei Jesus natürlich ein jüdischer Mann. Doch die Bibel richte sich mit ihrer Botschaft an alle Menschen. Jesus könne „dort, wo er gebraucht wird, in allen Hautfarben, Geschlechtern und Zeiten immer wieder auftreten.“ (kath.ch) So wurde sein Werk eine Mischung aus historisierendem Spielfilm, Dokumentation und politischem Aktionismus. Und er solidarisierte sich über den Film hinaus für das Projekt der Flüchtlinge.

Die katholische Kirche, die sich in Süditalien wirklich stark in der Flüchtlingshilfe engagiere, habe ihn sehr unterstützt. Er konnte dort mit vielen Priestern zusammenarbeiten und zum Beispiel ein Haus besetzen, das mittlerweile als Flüchtlingsunterkunft dient und jährlich mit einem kirchlichen Beitrag unterstützt wird.

Quelle: Filmdienst / kath.ch / red